Mandrake – das Leben hält so viele Überraschungen bereit. Heute vor einem Jahr hätte ich mir niemals träumen lassen, was 2020 für mich bereit halten würde. Aber wer oder was ist Mandrake (sprich: Mandrak) eigentlich?
Titelbild: Stephanie Sali
Heute vor einem Jahr war ich besorgt – meine geliebte Trakehnerstute Tabby war plötzlich stocklahm. Niemals hätte ich gedacht, dass wir nach diesem 19. Jänner nur noch 10 weitere Monate miteinander gehen würden. Und niemals hätte ich gedacht, dass sich ein weiteres Pferd in mein Herz schleichen würde – aber alles der Reihe nach.
Über Tabbys Abschied habe ich viel geschrieben – ich verlinke dir den Beitrag dazu gerne nochmal hier, falls du ihn später noch lesen möchtest.
Und jetzt erzähle ich dir, wie alles mit Mandrake gekommen ist.
Mandrake und wie alles kam…
Mandrake ist ein bald fünf Jahre alter Lusitano, der diese Woche seine Reise zu mir antreten wird. Ende Oktober habe ich ein Bild von ihm auf Facebook gesehen und zu meinem Lebensgefährten gesagt:
„Wenn ein Iberer in unseren Stall zieht, dann einer wie er“.
Völlig unbeabsichtigter Satz, man wird doch nochmal träumen dürfen 😉
Merke: Ein Pferd kauft man eigentlich nicht durch den Zauber eines Fotos – aber zum damaligen Zeitpunkt wollte ich ja auch kein Pferd kaufen.
Aber eigentlich beginnt die Geschichte noch viel früher. Im Herbst habe ich „Inverno“ kennen gelernt. Inverno – seines Zeichens Lusitano und aus der selben Zucht wie Mandrake lernte ich mit seiner Elena bei einem Kurs kennen. Ich war total beeindruckt. Junges Pferd, junges Paar, noch nicht lange zusammen und schon ist man gemeinsam auswärts auf einem Kurs unterwegs. Das Vertrauen und der achtsame Umgang miteinander stimmte so absolut. Invernos Bewegungen aber vor allem sein ausgeglichener und geerdeter Charakter hatten es mir sofort angetan. Elena und Inverno sind so lieb miteinander umgegangen – fast schon, als würden sie sich so lange kennen. Diese Menschenbezogenheit, die ich auch von den Lipizzanern kenne, hat mich sehr begeistert.
Die Einheiten mit ihm vergingen im Nu und ich war auch begeistert von der Leichtigkeit und Eleganz, die Elena und Inverno miteinander teilten.
Ich gratulierte Elena von ganzem Herzen zu diesem tollen Pferd.
Danach überschlugen sich die Ereignisse. Tabby wurde mittels neuer Röntgenaufnahmen befundet und eine Entscheidung stand an. Ich habe zu diesem Zeitpunkt freilich nicht mehr weiter über Lusitanos nachgedacht.
Ein neuer Drachen wird geschickt….
Meinen Feuerdrachen, meinen Feuerfuchs – der Abschied von meiner Tabby fiel mir irrsinnig schwer. Die vielen Nachrichten, die mich erreicht haben, haben mich zutiefst bewegt. Tabby hat viele Menschen berührt. Dass sie von mir liebevoll „Feuerdrache“ genannt wurde, das blieb auch nicht verborgen.
Und so kam es, wie es kommen musste – nach dem Feuerdrachen sollte ein Schneedrache mein Herz erobern.
Irgendwann haben sich Lisa und ich via Facebook unterhalten. Lisa Maas von Lusitania Dressage ist Mandrakes Züchterin. Sie lebt in Alentejo in Portugal und hat sich einer gesunden Pferdeaufzucht sowie fairen Ausbildung von Pferden verschrieben. Lisa hat mich gefühlvoll wegen Tabby angeschrieben. Auch sie hatte mein Abschied bewegt. Wir sprachen und schrieben über die gemeinsame Erfahrung mit Lipizzanern, telefonierten und schließlich erzählte sie mir von einem Drachenmädchen und einem Drachenbuben.
Ich wurde neugierig – und vielleicht wollte ich mich auch ablenken. Suchte ich ernsthaft nach einem Pferd?
Und dann kam das Bild von Mandrake – er war ausgerechnet DAS Pferd, das mir schon so gut gefallen hatte. Lisa hatte mir auch noch ein Video geschickt, das ich gerne mit euch teile. Klicke hier, um das Video zu sehen.
Soll der Drache bei uns einziehen?
Mandrake ist Sohn von Lusitano Dragão das Figueiras – also ein Drachensohn. Aber sollte er nur deswegen bei uns einziehen? Ich war hin und hergerissen. Lipizzaner Konrad (Conversano Aquileia) ist total auf mich fixiert, er hat lange gebraucht, um Amena bei uns zu akzeptieren. Die beiden haben nie miteinander gestritten, jedoch hatte ich sofort ein schlechtes Gewissen Konrad gegenüber, wenn ich jetzt ein neues Pferd holte.
Und dann war da noch immer das Thema der Entzauberung, das mich massiv beschäftigte.
Jeder bringt seine Stärken und Schwächen mit. Konrads Stärke ist eindeutig sehr lange auf der Hinterhand stehen zu können. Alles, was mit Energie aufwärts geht, ist voll sein Ding. Er kann in Sekundenschnelle eine ungeheure Energie entwickeln und sich ebenso schnell wieder entspannen. Der Galopp ist sein Metier.
Im Gegensatz zu Konrad hat Amena sehr federnde Gänge im Trab, etwas mehr Schubkraft und Amena hat ein unglaubliches Gefühl für Takt. Wenn ich beim Longieren nur meinen eigenen Takt verändere, dann macht es mir Amena gleich. Erst vor kurzem wurde durch ein Video mit Amena die Frage laut, wie früh ein junges Pferd versammeln darf. Auch diesen Beitrag verlinke ich hier gerne. Zusammengefasst lässt sich jedoch feststellen: Ein Gewichtheber wird nicht mit einer hohen Gewichtsbelastung zu Beginn trainieren. Das Gewicht muss langsam gesteigert werden. Die Kraft muss sich entwickeln dürfen.
In unserer Ausbildung lernen die Pferde in der Bodenarbeit Balance, Stellung, Biegung, Formgebung, Schwung in verschiedenen Richtungen wie versal und traversal, vorwärts abwärts und vorwärts aufwärts – und da wir keinerlei Hilfszügel benutzen und sehr viel an der Longe arbeiten, kann das Pferd auch jederzeit ein Veto einlegen, wenn etwas zu viel oder zu schwer – oder einfach unverständlich ist.
Amena hat unheimliche Freude dabei mich zu spiegeln – es gleicht einem „Abfangenspiel“, wenn wir gemeinsam den Takt erhöhen oder auch wieder beruhigen. Er jauchzt dann auch mit und nimmt jede Aufgabe mit einer ungeheuren Leichtigkeit und Unbeschwertheit.
Ganz anders Konrad – und ihn hat mit Sicherheit auch die Ankunft von Amena dahingehend verändert. Bis dahin war Konrad nämlich der einzige „Piberaner Bube“ am Hof. Selbstbewusst und strotzend vor Energie war ihm keine Aufgabe zu schwer. Ich – völlig verliebt – bin freilich quasi bei jeder tollen Idee von Konrad in „Ohnmacht“ gefallen, was mir dann später auch die Aufgabe zuteil werden ließ, das genaue Erarbeiten von Inhalten nicht ohne Konrads Motivation „durchzusetzen“. Konrad macht sich schon eher Sorgen, ob er alles richtig macht, schließlich will er mir auch ganz unbedingt gefallen.
Konnte ich mich nun tatsächlich einem neuen Pferd öffnen? Hatte ich da genug Platz? Und ich rede nicht über den Platz im Stall sondern den Platz in meinem Herzen. Und die Sache mit der Entzauberung? Nun ja, ich mag es einfach nicht, wenn man Pferde so miteinander vergleicht – und natürlich passiert es. Im Gespräch, wenn man gefragt wird, wie sich der eine und der andere entwickeln. Als Ausbilder vergleiche ich natürlich auch Wege und Möglichkeiten, da kein Pferd dem anderen gleicht – irgendwie hatte ich zu dem Zeitpunkt einfach auch das Gefühl, dass mich ein weiterer Vergleich – den ich nicht bewertend zulassen möchte – einfach nur stressen würde.
Ich kenne Menschen, die sich mehr als drei Pferde halten. Im Jänner 2020 haben wir auch mit vier Pferden auf ein gutes neues Jahr angestoßen. Neben Tabby, Konrad und Amena ist ja freilich auch noch Pina ein wichtiges Familienmitglied.
Dennoch hatte ich irgendwie Spunds davor. War ich selbst bereit?
Ein Abenteuer, das ich nie starten wollte
Eigentlich wollte ich niemals ein Pferd importieren. Bei uns vor der Haustüre liegt das Bundesgestüt Piber – hier werden die Lipizzaner für die Spanische Hofreitschule gezüchtet und mit Konrad (Convesano Aquileia) und (Maestoso) Amena haben wir zweimal so richtig den Jackpot gewonnen. Wir haben so tolle Pferde gefunden, die praktisch ums Eck aufgewachsen sind – perfekt sozialisiert im großen Herdenverband, gehegt, gepflegt und vor allem geliebt von ganz besonderen Menschen, die die jungen Lipizzaner begleiten – ob auf den Außenstationen für Hengste und Stuten oder auf den Almen, wo die jungen Wilden ihre Sommer verbringen und physisch und mental heran reifen.
Warum sollte ich mir also ein Pferd holen, das tausende Kilometer von mir entfernt aufgewachsen ist?
Kommunikation ist immer spannend
Man kann sich jede Argumentation zurecht biegen. Ich bleibe prinzipiell bei meiner Meinung – es ist vermutlich nicht notwendig, ein Pferd tausende Kilometer zu transportieren – aber Reiten und Pferde zu haben ist auch nicht mehr notwendig. Wir haben Pferde weil wir mit ihnen Zeit schön verbringen wollen. Und irgendwie war 2020 ein Jahr mit vorwiegend schwierigen Themen – warum also nicht auch ein schönes Abenteuer wagen. – vor allem, wenn man jeden einzelnen Punkt verantwortungsbewusst angeht?
Darf man seine Meinung so einfach ändern? Auch hier hatte ich massiv Bauchweh – aber – auch ich habe dazu gelernt. Ich habe mit meinen Schülern gesprochen, die Pferde aus Spanien oder Portugal importiert haben. Was gilt es zu beachten? Wie wird das Ankommen gut gelingen?
Vor jedem Pferdekauf sollte man sich freilich einige Fragen durch den Kopf gehen lassen. Für mich ist die Aufzucht eine ganz essenzielle Sache.
Lisas Pferde kommen im Herdenverband auf die Welt – die Fohlen bleiben, gerechnet vom letzten Fohlen des jeweiligen Jahrgangs mindestens für sechs Monate bei der Mama, wenn nicht länger. Danach ist es wie in Piber – die Pferdekinder verbringen nach dem Absetzen eine Zeit lang gemeinsam im „Kindergarten“, ehe sie nach Geschlechtern getrennt in einer Jungpferdeherde gemeinsam aufwachsen. Lisa stehen hier riesige Flächen zur Verfügung. Die Pferde wachsen umringt von saftigem Grün und schattigen Korkeichen auf. Eine wunderbare Landschaft, die freilich auch dazu beiträgt, Hufe, Sehnen, Bänder, Knochen und Muskulatur zu stärken. Selbstbewusste, menschenbezogene und mental geerdete Pferde wachsen hier bei Lisa auf.
Inverno hatte mich stellvertretend überzeugt. Aber ich hatte Mandrake nicht persönlich kennen gelernt.
Als ich Konrad kennen lernte, war ich fest davon überzeugt – wir treffen heute „mein“ Pferd in Piber. Entgegen der „romantischen“ Vorstellung (und ja, die hat man auch noch mit damals 36 Jahren) „fremdelte“ Konrad und er war mir sympathisch, aber ob dies auf Gegenseitigkeit beruhen würde? Das konnte ich zu diesem Zeitpunkt nicht beantworten.
Unsicher fuhr ich heim. Amena – da war die Sache anders – mein Lebensgefährte war Feuer und Flamme. Ich hatte hier kaum ein Wörtchen mitzureden – und es sollte sich herausstellen: Meine besser Hälfte kann Pferde richtig gut aussuchen…
Was ist aussagekräftiger? Ein kurzer Moment des Kennenlernens? Oder das Kennenlernen aus der Ferne? Ich wurde von Lisa ständig mit Fotos, Informationen und Geschichten über Mandrake versorgt. In Videos konnte ich mir ansehen, wie er seinen Tag verbrachte. Normalerweise würde ich mir ein Pferd immer live und in Farbe ansehen – durch Corona waren aber heuer die Voraussetzungen deutlich anders. Ein weiterer Vorteil war sicherlich auch – meine Schülerin Elena war im Frühjahr in Portugal gewesen. Sie kannte auch Mandrake und wusste genau, wie die Pferde dort aufwachsen und konnte mir auch bestätigen, mit welcher Sorgfalt und Liebe Lisa ihre jungen Lusitanos von der Stunde der Geburt an begleitet.
Mandrake – ein neues Kapitel beginnt
Da ich nicht nach Portugal reisen konnte, habe ich für Mandrake eine Ankaufsuntersuchung inklusive Röntgenbilder durchführen lassen – hier muss ich auch sagen, dass die Kosten dafür in Portugal weitaus günstiger sind, als bei uns in Österreich. Die Tierärztin hat mir per WhatsApp und Mail alle Fragen beantwortet – ich hatte hier auch ein gutes Gefühl, hier aus der Ferne kompetent betreut zu sein.
Nun wird Mandrake also demnächst sein Reise antreten. Insgesamt sind die Pferde vier Tage lang unterwegs und müssen dabei freilich nicht in einem Stück bis nach Österreich durchfahren. Es wird immer wieder angehalten, ausgeladen und Rast gemacht.
Ich bin sehr gespannt auf Mandrake und freue mich inzwischen über jedes Update von ihm, das ich von Lisa bekomme. Nach der Kastration, die direkt in Portugal durchgeführt wurde, habe ich auch laufend Videos von ihm bekommen, genaue Infos über den Heilungsprozess und auch Videos und Bilder mit allerhand Schabernack – so lässt sich Mandrake sehr gerne mit einem Besen kraulen und „fängt“ den Besen auch allzu gerne.
Ich freue mich auch sehr auf ein neues Kapitel in meinem Leben – vor einem Jahr hätte ich niemals gedacht, was 2020 alles passieren wird.
So hat mir Tabby als Vermächtnis hinterlassen, immer auch sehr genau darüber zu reflektieren, was ich in meinem Leben haben möchte – und was nicht. 2020 hat mich freilich auch innehalten lassen – es gab „Zwangspausen“, die sich aber auch als Jungbrunnen für Ideen und Projekte entpuppt haben. Nicht alles was traurig und nicht alles war schlecht- ich empfange also nicht nur das neue Jahr, sondern auch meinen neuen „Schneedrachen“ neugierig und blicke positiv ins Jahr 2021.
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