Möge der Keks mit dir sein. Oder möge der Keks im Futterbeutel. Oder möge der Keks überhaupt im Regal. bleiben?
Es liegt nicht an dir – es liegt an mir. Ein berühmter Satz, wenn man eine Beziehung (egal ob lang oder kurz) beendet. Und ich beende gerade für ein Experiment die Beziehung zu meinen Keksen. 

Es liegt an den Keksen? 

„Es liegt an den Keksen, dass das Pferd schnappt, daher belohne ich mein Pferd nicht mit Keksen“. 

Aussage diverser Pferdebesitzer in Bezug auf Futterlob

In Unterrichtsstunden geht es freilich nicht alleine um das Training, um die Inhalte, die vermittelt werden oder um Technik – es geht um Pädagogik und um so vieles mehr. So kommt auch häufig das Thema auf: Loben mit Leckerli oder nicht? 

Häufig höre ich von Schülern, dass sie sich entschieden haben, nicht mehr mit Keksen zu loben, wenn Schnappen und Unruhe beim Pferd Überhand nehmen. 

Liegt es also wirklich an den Keksen oder an der Art und Weise wie wir Kekse füttern? 

Möge der Keks nicht mit dir sein? 

Wenn wir Pferde mit Futterlob bestätigen, dann müssen wir uns schon auch fragen, wie wir loben und vor allem wann. 

Ich habe häufig schon folgende Situationen beobachtet: 

Das Pferd bekommt irgendwann mal einen Keks. Es gibt kein adäquates Timing und für das Pferd auch keinen ersichtlichen Grund. Ein Beispiel: Das Pferd bewältigt eine Aufgabe grandios und weiß, dass es gut war. Der Reiter sagt: Nein, jetzt gibt es noch keinen Keks. Die Übung wird wiederholt und irgendwann gibt es ein Zucki am Ende der Stunde. Kann so eine Verknüpfung stattfinden? 

Das Pferd bekommt irgendwann einen Keks. Der Ausbilder stellt eine Frage, das Pferd beantwortet sie „irgendwie“. Der Ausbilder ist sichtlich unsicher, ob das jetzt richtig war, oder doch noch an der Ausführung gehakt hat, lobt aber dennoch mit Keks. 

Geteilte Freude verdoppelt sich – Sonja und Stormy freuen sich über die bestanden Boden- und Longenprüfung 2017

Das Pferd bekommt zum falschen Zeitpunkt einen Keks: Das Pferd löst zwar, wie vom Ausbilder gefragt brav abwärts, reißt danach aber den Kopf hoch und konnte sich somit eigentlich nicht ehrlich abwärts strecken. Die gewünschte Übung wurde eigentlich gar nicht richtig wahrgenommen. Trotzdem gibt es einen Keks. Was wurde nun belohnt? 

Möge der Keks mit dir sein, oder gehst du auch gratis arbeiten? 

Bei uns in Österreich geht man „hackeln“ oder man „schöpft“ was. Man ist also fleissig. Und das auf keinen Fall gratis, also ohne Lohn. Würden wir ohne Lohn arbeiten gehen? 

Dazu ein kurzer Exkurs: 

Ich habe den wohl sichersten Job der Welt eingetauscht gegen die Unsicherheit der Selbstständigkeit. Und ich habe es keinen Tag bereut. Was ich aber eigentlich wirklich sagen möchte – Ich habe sehr gut verdient und selbst wenn ich das doppelte bekommen hätte, wäre ich nicht glücklich gewesen. Ich habe seit meiner Selbstständigkeit, obwohl ich mich wirklich in Punkto Arbeit ständig bremsen muss nie mehr das Gefühl gehabt „zu hackeln“ oder „zu schöpfen“. Würde ich im Lotto gewinnen und müsste ich nie mehr arbeiten, ich würde trotzdem meine Schüler begleiten. 

Die spannende Frage ist also: 

Möge der Keks mit dir sein oder die Freude? 

Ich hätte gerne, dass meine Pferde mit mir zusammen sind: 

  • Weil sie sich besser fühlen
  • Weil sie selbstbewusster werden
  • Weil sie sich mit mir über ihre Fähigkeiten freuen
  • Weil sie stolz sind 
  • Weil sie Freude haben an den gestellten Aufgaben 
  • Weil sie wissen, dass ich in unserer Beziehung nicht nur nehme, sondern auch gebe
  • Weil sie sich geliebt fühlen
  • Weil sie sich kompetent fühlen
  • Weil sie sich gemeinsam mit mir gerne bewegen
Lob macht süchtig – Stormy holt sich auch noch Bestätigung aus dem Publikum, dass das jetzt alles wirklich richtig gut war! 

Möge der Keks mit dir sein – wie ich lobe

Ich lobe bislang wahnsinnig gerne mit Keksen, ich bin ja selbst auch der Typ, der sich dann gerne mal was Süsses zur Belohnung „gönnt“. Was vermutlich auch nicht immer eine tolle Sache ist. 

In letzter Zeit habe ich jedenfalls gezweifelt und mir die Frage gestellt, wie das so mit Keksen und Lob sein sollte. 

Möge der Keks mit Konrad sein 

Mein Konrad kannte keine Kekse und keine Leckerli. Es hat sehr lange gebraucht, bis er überhaupt ein Keks ins Maul genommen hat. Und wenn ich zurück denke, dann war er in den ersten Wochen unseres Zusammensein, wo er noch konsequenterweise nichts annehmen wollte höchst motiviert. Er ist noch immer motiviert. Dennoch hatte ich den Eindruck, dass Konrad vor den Keksen einfach etwas achtsamer war. Diesen Eindruck hat mir auch eine wunderbare Tierärztin bestätigt, die zur Cranio kam. 

Sie meinte bei ihrem ersten Besuch, dass Konrad sich schlecht konzentrieren könne. Wie, mein Konrad? 

Ich reagierte zunächst mal ein bisschen empört. Mein Konrad weiß alles, kann alles und macht alles. Wie soll er sich da nicht konzentrieren können? Aber letztlich hatte die kluge Frau Doktor Recht. 

Konrad hat einen irrsinnigen „Will to please“ – er möchte unbedingt gefallen und alles richtig machen. Gleichzeitig ist er auch ein Typ der sich sehr sorgt, wenn er eben nicht alles richtig machen kann. 

In der Ruhe liegt also eindeutig die Kraft – ich habe  mir daher bereits in der Vergangenheit das Ziel gesetzt den übereifrigen Konrad mehr in die Achtsamkeit zu holen. 

Ein Beispiel: 

Konrad macht eine Sache richtig, ich bleibe stehen, lobe und gebe einen Keks. Konrad wird bei der Wiederholung versuchen über sich hinauszuwachsen aber gar nicht zuhören. So erinnere ich mich an eines der ersten Male, wo wir geritten sind. Ich wollte die Basis, die wir vom Boden erarbeitet haben mitnehmen in den Sattel. Ich habe irrsinnig gelobt, weil Konrad die Arbeit im Stand so gut verstanden hatte und tatsächlich von einem leichten Schulterherein-Dehnenlassen zu einer kleinen Kruppeherein-Parade wechseln konnte. Was ist als nächstes passiert? 5 „Leviten“ oder Schulparaden im Akkord. 

Das klingt nach einem Luxusproblem – ich weiß – aber ich möchte schon gerne die Fragen stellen dürfen und nicht einfach wahllos Passagier sein. 

Woran wir also jetzt arbeiten? An der Entspannung. Den Fokus zu verschieben hat nichts mit einer mangelnden Futtermanier zu tun, sondern mit mangelnder Entspannung und Achtsamkeit. 

Ich möchte weiterhin, dass Konrad unheimlich stolz ist darauf, was er tut. Aber ich möchte, dass er auch bewusst in eine Übung „nachspürt“, gerade weil er so übermässig bemüht ist, möchte ich nicht, dass er seine eigenen Grenzen überhört und sich überarbeitet. 

Wir testen das seit mehr als 20 Tagen und Konrad kann sich tatsächlich immer besser konzentrieren und freuen. Gerade was das Zuhören anbelangt ist er voll da. Und das meine ich nicht nur wörtlich, denn ich habe mir auch vom Sattel aus angewöhnt viel mehr meine Stimme zu benutzen. In der Bodenarbeit hatte ich auch immer das Gefühl auf Augenhöhe eine gute Emotion rüber zu bringen, wenn ich mich über eine Sache gefreut habe. Das ist vom Sattel aus schwerer – wenn es jedoch gelingt, hatte ich wirklich ein gutes Gefühl, was die Entspannung innerhalb der Arbeit anbelangt. 

Möge der Keks mit Amena sein

Alle Pferde lernen bei mir Höflichkeit. Amena konnte mit Kekslob immer sehr bescheiden umgehen. Er wartet höflich, aber ganz wichtig ist trotzdem die Emotion, da Amena die Aufgaben stets sehr bescheiden umsetzt. So freut es mich bei ihm umgekehrt sehr, wenn wir beide wissen – das war jetzt besonders gut und Amena sogar ein bisschen in den Konrad Modus schwenkt und stolzer und energetischer wird. Man könnte nun sagen – was will sie nun? 

Möge der Keks mit Mandrake sein

Mandrake ist ein „happy Horse“. Er ist immer sehr im Moment und auch unglaublich gerne am Tüfteln und Denken. Er hat wirklich Freude bei den Aufgaben. Und ich muss sagen, dass es ihm sehr hilft, wenn ich zum Lob zur Schweifrübe gehe und dort kratze. Denn dort hat es Mandrake wirklich am liebsten. Er kann dann stehen und entspannen. Wir kommen einander in der Entspannung nicht in die Quere – somit kann das iberische Krokodil gut durchatmen und wir genießen die Pausenmomente. 

Möge die Pause mit dir sein

Stichwort Pausenmomente. Nicht immer ist die Pause auch gleich in einer Trainingseinheit als entspannende Pause annehmbar. Es gibt ja auch den Typ „Hausmeister“. Solche Pferde, die immer gerne alles unter die Lupe nehmen, gerne auch im Außen sind können vielleicht mit dem Menschen gemeinsam entspannen üben in einer Atmosphäre, wo man sowieso „chillt“. Bei Konrad nutze ich also das Waldbodenbett im Offenstall. Hier kann ich mich gemütlich hinsetzen und Konrad lässt sich zuerst genüsslich kratzen und dann dösen wir gemeinsam miteinander. Das gemeinsame Atmen hat sich so auch sehr gut in den Alltag übertragen lassen. 

Die Psychologen Dough Rohrer und Harold Pashler haben optimale Lernkurven untersucht und dabei auch die Macht der Pausen studiert. Bei Pausen von 5 Minuten bis hin zu zwei Wochen: 

Dabei haben die Studenten am besten abgeschnitten, die sich zwischen den Lerneinheiten einen Tag frei genommen hatten. 

Möge das Lob mit uns sein. Und die Emotion

Lob ist immer anders. Ich habe gemerkt, dass ich mit meinen Stuten immer viel „strenger“ und genauer war – hier hatte ich auch aus gesundheitlichen Gründen eine andere Dringlichkeit bei der Arbeit verspürt. Bei Konrad hatte ich erstmals ein absolut gesundes Pferd im Klassenzimmer, das noch dazu nur eines wollte: Gefallen. Ich bin dann freilich ganz oft in Ohnmacht gefallen und konnte viel emotionaler loben. Man macht da schon aber auch instinktiv richtig. Pina – die ruhige – mag auch ruhiges Lob am liebsten. Flippt man da regelrecht aus bekommt sie ein entsetztes Gesicht. Tabby wollte bei der Arbeit am liebsten ein kollegiales Verhältnis. Und wehe man spricht lobend mit einer hohen Stimme. Ging gar nicht. 

Konrad mag es, wenn ich in Ohnmacht falle – künftig jedoch eben mit weniger Hysterie, dafür meditativ nachspüren. 

Wichtig ist, dass man selbst auch eine Freude am Loben selbst empfindet. Ich erwähnte ja bereits, dass ich selbst auch zu den Typen gehöre, die sich gerne nach harter Arbeit etwas „gönnen“. Eiscreme steht an erster Stelle. Die kann ich mir total emotionslos „gönnen“. Wäre aber vielleicht manchmal gesünder, wenn man sich selbst auch die eine oder andere emotionale Streicheleinheit gönnt. Zumindest habe ich mich nach einem tollen Eis nicht unbedingt kompetenter und stolzer gefühlt – wohl aber, wenn ich ein gutes Feedback erhalten habe. 

Möge die Bildung mit dir sein..