Mobilität, Stabilität und Kraft sind wichtige Komponenten in der Ausbildung und im Training meiner Pferde. Für mein eigenes Training hatte ich – zugegeben – in den letzten Jahren aber wenig Muse und Begeisterung. Laufen gehen ohne Pony dabei ist einfach nicht meins. Grundsätzlich bewege ich mich sehr viel, an manchen Tagen gehe ich im Unterricht 11 Kilometer mit. Trotzdem – mir fehlte so ein wenig die Freude an der Bewegung. Angeregt durch Annika Kellers Equestrian Movement Konzept wollte ich abseits vom Reiten wieder etwas finden, wo Bewegung Spaß macht und das Training sinnvoll ist. Daher geht es heute einmal primär um die Fitness des Reiters.
Fündig wurde ich auf meiner Suche bei Anna Urbas und Revolution Fitness. Ihr Motto: Entfessle deine Stärke. Das Interview mit Anna ist auch eine spannende Anregung für das Training mit dem Pferd.
Anna, warum sind Mobilität, Stabilität und Kraft so wichtige Komponenten?
Anna Urbas: Das ist wie bei einem Haus: Die Beweglichkeit (Mobility) ist das Fundament. Wenn wir für unsere Beweglichkeit nichts tun, nimmt sie immer mehr ab, wir entwickeln Fehlstellungen, einseitige Abnutzungen der Gelenke und fühlen uns steif und unwohl.
Ist das Fundament eines Hauses nicht fest gebaut, läufst du immer Gefahr, dass es in sich zusammenfällt. Deshalb muss die Basis stimmen, sonst kannst du keine stabilen Wände drauf bauen.
(Tiefen-)Stabilität (Stability) ist wie der Mörtel, der alle Ziegelsteine zusammenhält. Bei Stability trainierst du die tiefliegenden Muskeln rund um deine Gelenke, die dich im Bedarfsfall vor Verletzungen schützen und die Rumpfmuskulatur. Diese tiefen Muskelschichten kannst du nicht willentlich anspannen – das passiert in einem Bruchteil einer Sekunde, lange bevor die Skelettmuskulatur, das sind die Muskeln, die direkt unter der Haut sind, reagieren können. Je besser die Stützmuskulatur trainiert ist, desto besser bist du geschützt Verletzungen in Alltag, Beruf und Sport. Als Beispiel: Ist die Mitte nicht gestärkt, ist das erste, was du spürst Kreuzweh – der Klassiker, wer kennt das heutzutage nicht?! Stability trainiert aber auch die Koordination und das Balancegefühl. Das heißt, die Verbindung meiner Nervenbahnen zum Bewegungsapparat wird schneller – wie bei einer LTE-Verbindung. Je schneller die Verbindung, desto schneller kann ich reagieren. Im Winter macht das dann den Unterschied aus, ob ich auf der Eisplatte ausrutsche, oder mich drüberretten kann.
Die schlanke Taille gibt‘s da noch obendrauf. 🙂
Wenn also mal die Grundvoraussetzungen stimmen, brauche ich noch ein Dach über dem Kopf. Der letzte wichtige Baustein ist also Kraft (Strength). Ein wirklich zielführendes Krafttraining, das mir was fürs Leben bringt, mir Alltag, Beruf und meine Hobbies erleichtert, wird mir keine trägen, dicken Muskeln anzüchten. Krafttraining klingt immer so nach Arnold Schwarzenegger, aber da gibt es so viele Nuancen, dass dieses Vorurteil absolut unbegründet ist.
Mir geht es beim Krafttraining darum, für jede Situation, die sich mir stellen könnte, gerüstet zu sein. Ich möchte bei der Gartenarbeit ohne Probleme die großen Säcke Blumenerde tragen können, ich möchte einen großen Futtersack stemmen können – alles mit Leichtigkeit und einem guten Gefühl. Gerade für Frauen ist Krafttraining besonders wichtig. Es erhöht nämlich auch die Knochendichte und hat positive Auswirkungen auf den Hormonhaushalt. Abgesehen davon kann so ein Krafttraining auch sehr spielerisch gestaltet sein!
Warum verlernen wir eigentlich so ursprüngliche Bewegungskompetenzen, die uns als Kinder noch so leicht gefallen sind?
Anna Urbas: Als Kind bist du ständig herumgetollt, auf Bäume gekraxelt und hast am Boden gespielt. Das Stillsitzen auf Stühlen wird uns erst anerzogen. Spätestens mit dem Schuleintritt sitzen wir immer mehr und mehr und das wirkt sich natürlich auf unseren Bewegungsapparat aus. Wir werden mit zunehmendem Alter immer unbeweglicher, aber auch gleichzeitig unsicherer in Bezug auf unsere körperliche Leistungsfähigkeit. Ein kleines Kind denkt nicht viel darüber nach, ob es auf der Mauer balancieren kann, oder ob es runterfallen könnte – es hüpft einfach rauf und macht das. Wir Erwachsenen eiern rum. „Könnte ja gefährlich sein. Was, wenn ich runterfalle? Das ist zu hoch, ich trau mich nicht,…“ Damit schränken wir uns zusätzlich ein. Es muss ja keine Mauer sein, es reicht ja ein abschüssiger Waldweg mit feuchtem Laub und wir werden unsicher und vertrauen unserem Tritt nicht. Kinder machen einfach.
Für ein Kleinkind ist es auch selbstverständlich, mit kerzengeradem Rücken in der Hocke zu sitzen oder mit perfekter Körperspannung etwas Schweres vom Boden aufzuheben. Als Erwachsener wird oft schon ein heruntergefallener Kuli zur reinsten Plagerei für den Rücken. Aber genau zu dieser unbeschwerten, körperlich starken Leichtigkeit sollten wir alle wieder hin dürfen.
Viele verbinden Training mit großen körperlichen Anstrengungen, mangelnder Begeisterung, Überwindung des Schweinehunds. Wie kann man sicher stellen, dass man wieder Freude an der Bewegung hat?
Anna Urbas: Ich muss ja gestehen, dass mir das Fitnessstudio auch nie Spaß gemacht hat! Ist doch kein Wunder, wenn einem das Herumhampeln an komplizierten Gerätschaften, die dich einengen und so nichts mit den Bewegungen im echten Leben zu tun haben, nicht gefällt. Für mich war das immer stink fad! Ich bin sehr verspielt und genauso wünsche ich mir auch das Training. So macht‘s auch dem Schweinehund Spaß, wenn er immer etwas Neues machen darf. Die Variation hat aber einen ganz pragmatischen Grundgedanken – der Körper will von ganz vielen verschiedenen Winkeln aus gefördert werden. Natürlich trotzdem mit Blick aufs große Ganze bei der Trainingsplanung, aber viel Freiraum für Variation, um das Maximum rauszuholen. Eines meiner Mitglieder, eine Dame Mitte 40, hat das mal so schön formuliert: „Ich muss nicht zum Sport, ich darf mit meinem Freunden spielen gehen.“
Also im Vordergrund sichtbar ist das spielerische Krafttraining, im Hintergrund die ausgefeilte Trainingsplanung, damit du auch deine individuellen Ziele erreichst. Die gesteckten Ziele überprüfe ich natürlich auch regelmäßig, damit der Erfolg auch für jeden sichtbar wird.
Was sind heute in Punkto Mobilität, Stabiliät und Kraft die größten Stolpersteine – also woran hapert es den meisten Leuten?
Anna Urbas: Naja, Nichtstun ist natürlich am schlimmsten. Alleine regelmäßiges Spazierengehen, die Stiege statt dem Lift, so oft wie möglich barfuß gehen und, zumindest zu Hause, auch mal am Boden sitzen bringt schon viel an Lebensqualität.
Je weniger man sich bewegt, desto steifer und eingerosteter wird man. Aber auch die Muskulatur nimmt ab, wenn du sie nicht benutzt. Eine trainierte Muskulatur ist aber lebensnotwendig, um uns vor Verletzungen zu schützen. Je mehr wir uns in Watte packen und schonen, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass uns etwas passiert – ohne Sport nehmen neben der Beweglickeit auch Balance und Stabilität ab.
Wie viel Training braucht man tatsächlich um die drei oben genannten Komponenten zu verbessern?
Anna Urbas: Eigentlich gar nicht viel. Mit zwei bis drei Trainings pro Woche erreicht man sehr, sehr viel. Was langfristig zum Erfolg führt, ist die Regelmäßigkeit.
Manchmal sorgen sich gerade Frauen, wenn sie „Kraft“ hören, dass dies das falsche Training für sie wäre. Sind diese Befürchtungen berechtigt?
Anna Urbas: Da gibt es so viele Vorurteile! Ich betreibe seit Jahren Krafttraining und bin trotzdem schlank bzw. Genau deswegen schlank. Je besser die Muskulatur trainiert ist, desto höher ist nämlich der Kalorienverbrauch. Mit regelmäßigem Training schmilzt also das Körperfett wie Eis an der Sonne. Was noch dazu kommt, ist, dass Muskeln eine höhere Dichte haben, als Körperfett und so die Kleidung viel besser sitzt. Die meisten haben ja doch die knackige Bikinifigur als Ziel, aber an der führt kein Weg am Krafttraining vorbei. Körperfett schwabbelt, Muskeln sind straff.
Für mich persönlich ist es aber viel wichtiger, leistungsfähig zu sein. Ich möchte im Alter superfit sein, alles machen können, worauf ich Lust habe und so rumhüpfen wie ein Jungspund. Es sieht ganz danach aus, als ob ich das auch erreichen werde. 🙂
Vor allem finde ich es wichtig, mich wohlzufühlen. Sport gibt mir Selbstvertrauen – ich kann alles, ich schaffe alles. Ich fühle mich wohl im Bikini, ich kann Eis auch essen, nicht nur anschauen, mein Immunsystem ist tiptop beinander und ich bin ruhig, gelassen und ausgeglichen.
Wer möchte das nicht?!
Vielen Dank für das nette Gespräch und vor allem – das aufschlussreiche Training. Mehr über Anna Urbas und ihr Training findet ihr hier auf ihrer Website.
Spitzen Artikel mit Anregungen zum Nachdenken!