In der Akademischen Reitkunst beschäftigen wir uns mit Lehren aus vergangenen Tagen, die wir mit modernen Kenntnissen aus Lernpsychologie, Biomechanik, Pädagogik uvm. kombinieren.
Interessierte fragen sich oft: Kann man denn nur die klassische Reitkunst praktizieren und lernen, wenn man einen Spanier, oder einen Lipizzaner zu Hause im Stall stehen hat?
Nach dem Motto: Die Dressur ist für das Pferd da – kann natürlich jedes Pferd in der Akademischen Reitkunst – seinen individuellen Fähigkeiten entsprechend gefördert werden.
Ich bitte künftig Freunde der Akademischen Reitkunst zum Interview, die mit einer speziellen oder ganz besonderen Pferderasse Zeit schön verbringt.
Den Anfang macht Stefanie Niggemeier, die mir über ihre Morgan Horses etwas erzählen wird:
Stefanie, wie bist du auf diese Rasse gekommen und warum ziehen dich Morgan Horses bis heute in den Bann?
Stefanie Niggemeier: Ich bin durch Zufall in einem Buch über verschiedene Pferderassen, es hieß „Charakterpferde“ ( von der Leyen) auf die Beschreibung der Morgan Horses gestoßen. Neben Andalusiern, Berbern, Knabstruppern und etlichen weiteren, zum Teil auch nicht so bekannten Rassen sprach mich besonders der Ausdruck des Pferdes auf dem Foto, aber vor allem der Text an:
„ Das Morgan Horse kann alles und sieht dazu noch aus wie das Pferd, das kleine Mädchen sich malen, sobald sie selbstständig einen Stift halten können. Es gibt fast nichts, was der Morgan nicht kann…er ist hochintelligent und liebt die Abwechslung…hat viel Stolz und Temperament …gleichzeitig aber fabelhafte Nerven, weshalb er etwa im Gelände oder bei Hallenumbauarbeiten immer zuverlässig bleibt- Hauptsache, sein Mensch ist dabei.“
Diese Pferde wollte ich unbedingt in natura kennenlernen! Ich begab mich also auf die Suche im Internet und war über die Maßen erfreut, auch in Deutschland Züchter dieser hier noch eher seltenen Rasse zu finden. Ich begann also, mich zu informieren und schnell war klar: ich möchte ein Morgan Horse besitzen!
Was sind die Besonderheiten bei der Rasse „Morgan Horse“?
Stefanie Niggemeier: Morgans, das sei hier mal verraten, sind eigentlich gar keine Pferde- zumindest dann, wenn man sie fragt. Sie sind an allem interessiert, lernen extrem schnell und sind ihrem Menschen so zugetan, dass sie, wie ein Hund, lieber mit auf das Sofa kämen, als im Stall zu bleiben. Sie sind aufmerksam, sehr sanft im Umgang mit dem Menschen, eigentlich kann man schon sagen: liebevoll. „The horse, that chooses you“- so heißt der Slogan des amerikanischen Dachverbandes. Wenn ein Morgan sein Herz einmal verschenkt hat, dann gibt es nichts, was zusammen nicht geht.
Warum eignet sich das „Morgan Horse“ für die Akademische Reitkunst?
Stefanie Niggemeier: Morgans sind ausgesprochen intelligente Pferde mit von Natur aus guter Balance in den Grundgangarten. Sie lernen Neues atemberaubend schnell und haben ein überragendes Gedächtnis. Selbst Dinge, die man mehrere Jahre nicht mehr mit dem Morgan geübt hat, sind, einmal verstanden, ein Leben lang abrufbar. Das entspricht ganz dem Gedanken Pluvinels, immer den Geist es Pferdes schulen zu wollen, der Körper folgt dann. Genau das beobachte ich auch bei meinen Morgans Finn und Nyx: beide haben unfallbedingt zum Teil große körperliche Schwierigkeiten, die ihnen immer wieder Probleme bereiten. Sie verstehen jedoch, dass ihnen mit der Arbeit geholfen werden soll und überwinden wieder und wieder Grenzen, eben weil sie es wollen.
Man darf sie um alles bitten, aber zwingen lassen sie sich nicht. Gerade Finn, der sehr ehrgeizig ist, reagiert auf Druck ausgesprochen empfindlich; er möchte alles selber können und zeigt mir genau, wo es mir erlaubt ist, Hilfen zu geben, ich mich nicht konkret ausdrücke oder anders formulieren muss. Das ist für mich unendlich wertvoll, denn schließlich kann man als Mensch über Pferde nur lernen, indem man ihr Feedback bekommt und sich selber reflektieren lernt. Da sind Morgans sehr ehrlich: sie sind kommunikativ und wollen, dass man sie versteht. Immer sind sie absolut sicher im Umgang, wenn sie jemanden mögen; dann sind sie ein Leben lang echte Partner.
Wir beschäftigen uns ja auch mit der Geschichte der Reitkunst, kannst du uns etwas über die Geschichte des Morgan Horse erzählen?
Stefanie Niggemeier: Alle Morgans gehen auf einen einzigen Hengst zurück, der um 1790 in Massachusetts bei seinem Besitzer Justin Morgan geboren wurde. Kurze Zeit später zog Morgan nach Vermont um, sein Pferd im Gepäck. „Figure“- so hieß der nur 1,42cm große, dunkelbraune , kräftige Hengst , wurde schnell regional bekannt, weil er unermüdlich auf dem Feld und im Wald arbeitete, schwerste Lasten zog , in Trab-und Galopprennen nahezu unschlagbar war- noch heute gibt es die berühmte „Morgan Mile“ in Vermont- dabei aber immer ausgesprochen angenehm im Umgang , leichtfuttrig und gesund . Schnell avancierte „Morgan`s Horse“ zum begehrten Deckhengst. Nach einem arbeitsreichen Leben, in dem er durch mehrere Hände ging, starb er 42-jährig an einer unversorgten Weideverletzung.
Die Besonderheit an ihm: er vererbte seinen Charakter, wie auch seine körperlichen Vorzüge ausgesprochen durchschlagend an seine Nachkommen weiter und wurde so Gründervater einer eigenen Rasse. Auch sie zeichnen sich bis heute durch Leitungsbereitschaft bei einem gleichzeitig sehr dem Menschen zugewandten Wesen aus: „Willing to please“ nennt man das in der Morgan Horse Gemeinschaft.
Um 1820 beherrschten Morgans die amerikanische Galopp-und Trabrennszene, machten Land urbar, waren mit den Siedlertrecks gen Westen aufgebrochen und halfen, Farmen zu bestellen, waren geschätzte Soldatenpferde- der einzige Überlebende der Schlacht am Little Big Horn war ein Morgan namens Comanche- vor allem aber waren sie immer geliebte Familienmitglieder, die auch von Damen und Kindern zu reiten und zu fahren waren.
Morgans gelten heute noch als Kulturgut in den USA, sie sind die einzige Pferderasse, deren Zucht staatlich gefördert wurde und wird: „The pride and product of America“. Alle nordamerikanischen Pferderassen gehen auf den Morgan zurück oder sind mit seinem Blut veredelt, er gilt als erste rein amerikanische Pferderasse und ihm wurde nicht nur von Künstlern wie Nicholas Evans ( „ Der Pferdeflüsterer“) und Robert Vavra ein Denkmal gesetzt.
Gerade die Blutline, aus der meine Morgans stammen, sind von einem Reitkünstler für die Reitkunst gezogen: als die Wiener Hofreitschule 1963/64 unter Oberst Podhajsky durch die USA tourte, begleitete Dr. Brad Starr , durch mehrere Besuche in Europa zwecks Unterricht bei Nuno Oliviera und in der Wiener Hofreitschule mit der Reitkunst bekannt, die Tour. Als er sah, dass der Morgan Horse Hengst „Parade“ und sein Sohn „Broadwall Drum Major“ eingeladen wurden , die Tour als „farbiges Maskottchen“ zu ergänzen, war ihm schnell klar, als er sah, wie angetan die „Wiener“ von den beiden Amerikanern waren: das sind genau die Pferde, die er züchten wollte! So gründete er seine Morgan Horse –Zucht und über Susen Fischer-Henkel, Ritterin der Akademischen Reitkunst, kamen genau diese Pferde dann vor fast 30 Jahren nach Deutschland. Ihrer Zucht entstammen auch meine Pferde, erkennbar am sogenannten „Prefix“, dem Farmnamen: „Glenmorgan“.
Die Begeisterung für Morgan Horses ist bei dir deutlich zu spüren. Logisch, dass man etwas gerne weitersagt oder empfiehlt, was man selbst sehr gern hat. Aber ist denn das Morgan Horse ein Allrounder, der für JEDEN geeignet wäre? Oder gibt es da Ausnahmen?
Stefanie Niggemeier: Tatsächlich gib es kaum so ein vielseitiges Pferd wie den Morgan. Sie können sich für alles begeistern und freuen sich immer über neue Ideen und Abwechslung. Man muss kein Profi sein für solch ein Pferd, was es aber unbedingt braucht ist Sensibilität und Gefühl im Umgang und der Wille, den Morgan als das wahrzunehmen, was er ist: eine echte Persönlichkeit. Wenn man mit Respekt und Zuneigung auf diese Pferde zugeht, dann erhält man das, wovon jeder Pferdebesitzer träumt: ein Pferd, das nach völliger Einheit mit dem Menschen sucht, wenn man es lässt. Das mit den Morgans ist wie mit einem Virus: einmal diesen Pferden verfallen, lässt es einen nie mehr los.
Gibt es ein Erlebnis, oder eine Geschichte, wo du sagen würdest: das war typisch Morgan Horse?
Stefanie Niggemeier: Ich glaube, da könnte ich hunderte Geschichten erzählen: vom Einfallsreichtum meiner Pferde, die sich zum Beispiel für alle Arten von menschlichem Werkzeug begeistern können , gerne mit Feuer und Krach, oder bei der Stallarbeit „helfen wollen“, indem sie Mistboy und Besen an sich nehmen und „benutzen“. Oder vom Nachhausekommen nach einem Arbeitswochenende, wenn meine Pferde auf Zuruf angaloppiert kommen und sich zwischen mich und die Tür stellen und mich gar nicht gehen lassen mögen, weil sie noch mehr Streicheleinheiten haben wollen- immerhin haben wir uns ja mindestens einen Tag nicht gesehen! Von Nasen, die aus Versehen enthaart wurden, von meinen Morgans noch schnell zwischen Zettel und Klebeband gesteckt , wenn ich meinem Stallteam Infos an die Boxentür kleben wollte. Wie sie ihre leere Futterschüssel zum nochmaligen Befüllen hinter mir hertragen, wie sie schon an die Seite gehen, wenn ich hinter oder unter ihnen fegen möchte, damit meine Arbeit erleichtert wird, wie eifrig sie sind, wenn es gilt, Neues herauszufinden. Kleine Kinder, die einen Deckhengst reiten, Fohlen, die an Menschen mehr interessiert sind als an Artgenossen, Stuten, die so viel Vertrauen zum Menschen haben, dass der gerade geboren Nachwuchs dem Menschen noch vor den anderen Herdenmitgliedern stolz präsentiert wird, ihre Lust an Bewegung, ihre Freude an sich selbst, ihre Schönheit, ihr Herz: für mich sind sie ganz besonders und ich habe unzählige einmalige Momente mit ihnen erlebt.
Wer weiterlesen mag, ist herzlich willkommen unter www.germanmorganhorse.de oder Stefanie Niggemeiers Webseite www.barocke-pferdeausbildung.de Interessantes rund um das Thema Morgan Horse zu erfahren. Ein Facebook Album zu den Morgans findet ihr unter diesem Link.
Vielen Dank an Stefanie Niggemeier für diese Einblicke in die Welt der Morgans. 🙂
Diesen Ausführungen ist nichts hinzuzufügen. Bin selber seit 20 Jahren stolzer Besitzer von Morgan Horses