Warum ist das Nachgeben für uns Menschen so schwer? In unserer Serie rund um die Reiterhand kommen wir am „Nachgeben“ nicht vorbei. Schon Francoise Robichon de la Guérinière hat in seinem Werk beschrieben, dass das Nachgeben eine der schwierigsten Hilfen überhaupt ist.

Der richtige Zeitpunkt für das Nachgeben ist der, wenn man eine halbe Parade gegeben hat, und fühlt, dass das Pferd die Hanken biegt. Jetzt gibt man sanft nach oder lässt die Hand sinken. Dieses Nachgeben zum richtigen Zeitpunkt ist eine der feinsten und nützlichsten Hilfen in der Reitkunst. Da das Pferd in dem Augenblick, in dem man nachgibt, die Hanken biegt, muss es zwangsläufig leicht in der Hand bleiben, da es nichts hat, worauf es seinen Kopf stützen könnte. Allerdings muss der richtige Zeitpunkt sehr genau getroffen werden, was sehr schwierig ist. 

Nachgeben: für den Reiter

Was ist eigentlich die nachgebende Zügelhilfe? 

Gehen wir davon aus, wir reiten in Anlehnung. Das bedeutet, wir haben bereits an einer feinen Verbindung zwischen Reiterhand und Pferdemaul gearbeitet. Eine Anlehnung kann nur dann stetig und weich entstehen, wenn das Pferd mit den Hinterbeinen gleichmässig unter den Schwerpunkt tritt. Alles was man in der Hand zu viel (oder auch zu wenig) an Gewicht spürt, hat die Hinterhand nicht getan. Wir empfangen also im Grunde in der Hand immer Mitteilungen aus der Vergangenheit, die uns über die Qualität der Tätigkeit aus der Hinterhand Aufschluss geben.

Wenn die Hand in einem ersten Descente (in Anlehnung an Guérinière) nachgeben wollen, dann möchten wir die Anlehnung leichter gestalten, sprich die Nase des Pferdes soll sich nach vorne, oder anders gesagt, nach vorwärts abwärts dehnen. Im besten Fall erfolgt das Dehnenlassen durch das Öffnen der Hand bzw. das Sinkenlassen der Hand oder ein leichtes Vorgehen der Hand.

Viele Schüler reagieren im Unterricht sehr prompt auf die Anweisung des Trainers, mal nachzugeben. Die Folge: Die Hand fällt förmlich nach vorne, das Pferd, das sich noch nicht selbst trägt  „fällt“ quasi ins Leere. Beim Nachgeben muss also eine leichte Zügelverbindung bestehen bleiben, damit der Zügel nicht zum springen – oder wie ich es nenne „ziepen“ kommt.

Das Nachgeben geht dann schief, wenn das Pferd plötzlich „auseinaderfällt“, im Tempo ungleichmässig wird, schneller wird, sich über den springenden Zügel durch Kopfschlagen „beschwert“ oder schwer auf der Hand bleibt.

Das richtige Nachgeben ist eine Aufgabe, die sowohl Reiter, als auch Pferd erlernen müssen. 

Das Suchen nach Vorwärts-abwärts ist der Schüssel für diesen Ausbildungsschritt. Die Hilfe dazu wird allerdings nicht von der Reiterhand eingeleitet, sondern muss dem Pferd in der Bodenarbeit bereits durch Körpersprache, wie auch Sekundarhilfe Gerte beigebracht werden – der Schlüssel zum Vorwärts-abwärts ist also nicht die Hand, sondern das Bein und in weitere Folge die Primärhilfe Sitz. Sitz und Schenkel müssen dafür sorgen, dass das Pferd seine innere Hüfte durch den Vorgriff des inneren Hinterfußes korrekt platziert. Das Pferd dehnt nun seine äußere Oberlinie, der Brustkorb rotiert zur inneren Seite nach unten, während er sich in der äußeren Oberlinie etwas hebt. Nun würde das Pferd im Idealfall zur nachgiebigen Hand hin dehnen. In diesem Fall wäre auch der Rückenschwung korrekt, der Reiter würde im Genick einen „nach unten-vorne“ nickenden Wackeldackel wahrnehmen. Fehlerhaft wäre ein „nach hinten-oben“ Nicken hinter den Ohren des Pferdes.

Öffnet der Reiter im zweiten Fall die Hand und gibt nach, wird das Pferd auseinander fallen und schneller werden. Das Rezept für den korrekten Rückenschwung findet sich also erneut in der korrekten Tätigkeit der Hinterhand, die wiederum für die Energieübertragung an die Stationen:  Becken-Wirbelsäule-Vordergliedmaßen-Hals-Genick zuständig ist. Während der innere Hinterfuß zum erneuten Vorgriff animiert wird, darf die innere Hand freilich nicht am Zügel fest werden. Dies würde erneut die korrekte Schwungübertragung aus der  Hinterhand verhindern. Das Pferd verspannt dann in der äußeren Oberlinie. Die äußere Hüfte kommt anstelle der inneren Hüfte nach vorne.

Die innere Hand, die leicht und vorsichtig für ein wenig Stellung nach innen sorgt, hat aber auch immer dafür Sorge zu tragen, der Bewegung des Pferdes zu folgen (dem berühmten Wackeldackel) um quasi dem vorgreifenden Hinterbein Platz zu machen, unter den Schwerpunkt zu treten.

Nachgeben: für das Pferd

Natürlich gibt es noch einige andere Schwierigkeiten. Im Grunde lernt das Pferd ja bereits in der Bodenarbeit die wichtigsten Sekundarhilfen kennen, die später auch dem Sitz assistieren werden.

Ein Pferd kann auch hinter der Hand sein und sich sehr leicht anfühlen – in diesem Fall ist es notwendig, dass der Reiter dennoch zum Treiben kommen kann. Bei einer solchen Problematik beschreiben Reiter oft ihr Pferd als sehr flott oder zackelig, selten aber „triebig“. Die Schenkelhilfen in einem solchen Fall gänzlich weg zu lassen, kann jedoch nicht der Weisheit letzter Schluss sein, schließlich brauchen wir den Schenkel ja nicht nur treibend, sondern auch um sich herum biegend, von sich weg biegend, verwahrend, versammelnd, auf das gleichseitige oder gegenüberliegende Hinterbein einwirkend usw. Mehr über die Schenkelhilfen gibt es unter folgendem Link.

Wenn das Pferd nicht nachgibt, dann beschreiben Reiter ihre Pferde auch gerne als steif oder faul. An dieser Stelle gerne auch der Ratschlag von Bent Branderup, zum Thema faule Pferde:

Ein Pferd, das faul scheint, ist dies selten tatsächlich, sondern meistens eher steif. Auch in diesem Fall empfiehlt sich ein Schritt zurück zur Basis und zur Bodenarbeit, um dem Pferd Stück für Stück die einzelnen Hilfen zu erklären und zu mehr Geschmeidigkeit zu verhelfen.

Ist diese Hürde geschafft, dann kann sich die Hand weiter auch mit den Paraden beschäftigen.
Hier gibt es auch einen Podcast zum Weiterhören.

Lernen wir also die Fehler aufzuspüren, dann verstehen wir, warum das Nachgeben Pferd und Reiter so schwer fällt und Reiten Einfach 😉