Von der Boxenhaltung auf den Paddock Trail bzw. in den Bewegungsstall. Letzte Woche habe ich mit der diplomierten Pferde-Physiotherapeutin Laura Haitzmann und Schülerin Michaela Krautwurm über Pferdehaltung gesprochen. Laura hat ihre Pferde bereits 2014 in den hauseigenen Paddock Trail übersiedelt. Meine Pferde wohnen in einem ähnlichen Konzept seit August 2015. Michaelas „Jac“ ist seit seinen Fohlenjahren 2003 im Bewegungsstall auf dem Kraxenberg artgerecht groß geworden. Eine Box hat er noch nie gesehen. Meine eigenen Pferde wohnen seit August 2015 am Horse Ressort am Sonnenhof am Paddock Trail.
Anna: Wir haben uns bereits viel über die verschiedenen Haltungskonzepte und deren Vorteile unterhalten. Die Haltungsbedingungen tragen ja auch wesentlich zum Training der Pferde bei. Gibt es eigentlich eine beste Uhrzeit zum Reiten, wenn wir den Tagesablauf der Pferde unter die Lupe nehmen?
Laura: Ich denke eine gewisse Routine im Tagesablauf tut einem Pferd bestimmt gut, ansonsten meine ich, dass weniger die Uhrzeit und mehr die Stimmung oder die Verfassung des Besitzers ausschlaggebend für das Pferd sind.
Eine Ausnahme gibt es für aufgestallte Pferde, die bestenfalls drei Mal täglich gefüttert werden. Hier ist die schlechteste Zeit direkt nach dem Fressen. Auch wir Menschen würden direkt nach einer ausgiebigen Mahlzeit keinen Leistungssport betreiben wollen.
Michaela: Unter der Woche bin ich oft recht spät am Abend im Stall und im Sommer bin ich auch schon Mal um 7 Uhr in der Früh bei meinem Pferd um der Hitze zu entgehen. Eigentlich liegt es hier mehr an mir, komme ich aufgewühlt zum Pferd und kann mich weder konzentrieren noch fokussieren dann gehe ich lieber ausreiten. Komme ich jedoch voller Energie und freue mich über die freundlich brummelnde Begrüßung von ihm, hat er seine gute Laune schon auf mich übertragen. Er ist mit so viel Herz und Lebensfreude bei der Sache und bietet mir viele Antworten auf meine Fragen. Wenn wir etwas Neues erarbeiten, erkläre ich in kleinen Schritten was ich möchte und sobald er verstanden hat vergrößert Jac den Rahmen der Übung meistens selbstständig. Anna hat dies in einer Unterrichtseinheit auch miterleben dürfen. Wir waren bei den Basics der Bodenarbeit, ich wollte Anna zeigen wie er sich aufgrund meiner Körperspannung und Haltung ohne Gertenhilfe versammeln kann. Jac hat eins drauf gelegt und Anna gezeigt wie einfach er halbe Tritte aus dem Ärmel schütteln kann, obwohl ich bis zu diesem Tag diese „Lektion“ noch nicht erarbeitet oder jemals angefragt hatte. Dies ist mein persönliches absolutes Highlight, auf welches ich sehr stolz bin. Anna hat mich auch sanft darauf aufmerksam gemacht, dass man seine eigenen Grenzen im Kopf öffnen muss, und seinen eigenen Horizont mit den Fähigkeiten des Pferdes wachsen lassen darf. Ich war so sprachlos, dass ich nicht wusste ob ich heulen, hüpfen, Anna um den Hals fallen oder Leckerlis in den Jac stopfen sollte. Ich glaube es war von allem ein bisschen was. Anspruch darauf erheben, dass es beim nächsten Mal genauso einfach funktioniert darf man nicht. Es ist jedes Mal ein neues Geschenk, welches er mir sehr gerne macht, wenn ich bereit bin es anzunehmen. Will ich zu viel, kann ich auch ein „Nein“ akzeptieren und wir finden uns bei einem netten Ausritt wieder. Zu meinem Glück habe ich brav an mir gearbeitet und die Ausritte bzw. Wanderungen zu Fuß mit den Einheiten in der Halle so verschmelzen lassen, dass sie sich wunderbar ergänzen.
Anna: Vor dem Umzug meiner Pferde habe ich versucht dann zu reiten, wenn die Pferde eben nicht am befestigten Auslauf oder in der Schrittmaschine unterwegs waren. Nicht immer war dies aus beruflichen Gründen möglich. Begeistert waren meine Pferde definitiv nicht, wenn ich ihnen dann auch noch Koppelzeit abgezwickt habe. Pina hält sehr gerne zwischen 10 und 11 ihr Schläfchen, ausgestreckt auf der Weide. So wie ich gegen 15 Uhr generell zu einer kurzen Müdigkeit neige, ist Pina hier ebenso auf keinem hohen Energielevel. Tabby ist seit dem Umzug morgens wie Abends motiviert. Hier kommt es wie Michaela auch zusammenfasst sehr auf meine eigenen Launen an. Wehe ich bin gestresst oder abgehetzt. An solchen Tagen machen wir am liebsten Freiarbeit.
Gehen wir von der Reithalle zurück auf die Weide – was sagt ihr zur Ansicht, Pferde würden sofort auf der Weide fett werden?
Laura: In den meisten Fällen stimmt es leider, da auf unseren Wiesen Gras für Hochleistungsmilchkühe produziert wird und der Stoffwechsel eines Pferdes nicht darauf ausgelegt ist. Und selbst wenn, oder besonders dann, wenn Weiden stark abgefressen sind lauert eine erhöhte Gefahr, denn meist ist der Fruktangehalt hier besonders hoch und auch die Kleedichte, da hohe rohfaserhaltige Gräser fehlen.
Michaela: Jein, es gibt bei uns so viele unterschiedliche Pferde. Hier ist es jedoch wirklich zu empfehlen einzugreifen. Mein Jac bleibt aufgrund seiner Leichtfuttrigkeit im Frühling und im Herbst, wenn das Gras zu gehaltvoll ist, mit einigen anderen eher moppeligen Kumpanen länger im Bewegungsstall bzw. kommt er früher dorthin zurück oder er geht für eine gewisse Zeit auf eine Magerweide, um dort unter Kontrolle sein Gewicht mindestens zu halten oder besser noch zu vermindern. Eine hofeigene Pferdewaage ermöglicht dabei wöchentliche Gewichtskontrollen. Im Hochsommer darf er mit allen anderen Pferden die Weide genießen, wobei er sein Gewicht auch gut hält.
Zu unserem Glück muss ich auch sagen, dass die Pferde in der Abnehmtruppe Freunde sind und somit die Trennung aus der großen Herde kein großes Thema darstellt. Es war ein Prozess, der langsam gewachsen ist und jedes Jahr tüfteln wir aufs Neue daran, die beste Lösung für unsere Pferde zu finden. Auch wenn wir ein Auge auf deren Körpergewicht haben, so glücklich wie möglich zu machen. Und natürlich schadet es nicht, ein sinnvolles Fitness Programm für sein Pferd zu haben, das auch lange und anspruchsvolle Ausritte mit einschließt.
Anna: Zu meiner großen Überraschung haben meine Damen bislang nicht zugenommen. Im Gegenteil, die Figur wurde „sportlicher“. Und obwohl sie ständigen Zugang zu den Weiden hatten, waren sie nicht ständig mit der Aufnahme von Gras beschäftigt. Das hat mich am Meisten überrascht. Das konnte ich auch bei den rund 45 weiteren Pferden am Hof beobachten. Wenn Pferde die Auswahl haben stecken sie ihre Nüstern nicht ständig ins Gras.
Was, wenn aber die Bewegungsanreize fehlen?
Laura: Leider muss auch ich immer wieder feststellen, dass in den meisten Offenställen Bewegungsanreize fehlen, wodurch sich die Pferde zu wenig bewegen. Ein weiterer Grund kann eine zu
hohe Anzahl an Tiere und zugleich zu wenig Platz zum Bewegen sein. Offenstall ist nicht gleich Offenstall, wie schon zu Beginn unseres Gesprächs geschildert kommt es auf die Herdengröße, Konstellation, ausreichend Platz und eben auch Anreize Bewegung überhaupt zuzulassen an.
Michaela: Wenn man sein Pferd mit ausreichend Angebot für Bewegung hält stellt sich die Frage nicht. Ich kann mit ruhigem Gewissen behaupten, dass es bei uns keinen Bewegungsmangel für Jac gibt. Auch wenn ich mal 2-4 Wochen auf Urlaub bin und Jac sich im Bewegungsstall eben nur so viel bewegt wie er selbst möchte, kann ich nach meiner Rückkehr keinen großen Leistungsabfall feststellen. Natürlich steigere ich nach so einer maximalen Pause von 4 Wochen die Intensität auch wieder langsam, die gewohnte Leistungsfähigkeit ist aber sehr schnell wieder gegeben. Der Wille und die Freude, dass wir etwas zusammen machen sind in der Sekunde, wenn ich Ihn abhole da.
Anna: Und wie viel Schlaf braucht und nimmt sich eurer Meinung nach das Pferd?
Laura: Um die Frage im Detail zu beantworten, müssen wir folgendes unterscheiden:
–DÖSEN: jeder kennt die typische Döshaltung eines Pferdes: die Lippe hängt, die Ohren sind locker, beide Vorderbeine sind belastet, hinten wird im Wechsel entlastet(auch Schildern genannt).
-Vorstadium SCHLAFEN: das Pferd liegt, aber die Vorderbeine sind untergeschlagen, so dass es jederzeit bereit ist aufzuspringen(und zu flüchten)
-richtiger TIEFSCHLAF: Das Pferd liegt auf der Seite, die Beine sind meist vom Körper weggestreckt(ein wichtiger Grund warum Pferdeboxen eine bestimmte Größe haben müssen!)
Ein Pferd ist ein Kurz-bzw.Mehrmalsschläfer.10%-30% des Tages schlafen Pferde, davon verbringen sie 70-80% mit Dösen. Eine genaue Zeitangabe ist davon abhängig, was man alles zum Schlafen zählt, sie variiert von1,2h bis 5h.
Michaela: Es gab vor einigen Jahren bei uns im Stall eine Studie über die Schlafgewohnheiten von Pferden. Interessant für mich war, dass es sehr unterschiedlich ist. Jac z.B. macht kaum Unterschiede, ungefähr gleich auf Tag und Nacht verteilt gestaltet er seine Ruhe und Aktivzeiten. Er liegt sowohl tagsüber als auch nachts für einige Zeit im Tiefschlaf, meistens döst er im Stehen. Besonders wichtig ist hier einerseits die Gewohnheiten der Pferde zu beobachten und andererseits genügend Platz anzubieten um auf die besonderen Bedürfnisse der Pferde einzugehen, welche durchaus wechseln können.
Anna: Tabby döst ebenso wie der Jac immer wieder tagsüber. Pina hat ihr fixes Vormittagsschläfen und auch in der Nacht haut sich Pina gerne wirklich aufs Ohr.
Für mich ist noch immer sehr erstaunlich, wie sehr sich meine Pferde seit August 2015 verändert haben. Vor allem Tabby wurde ruhiger und ausgeglichener. Neigte sie früher gerne zum Granteln ist sie heute viel fröhlicher und vor allem leistungsbereiter. Seit dem Umzug ist die Freundschaft zwischen meinen Pferden auch noch viel intensiver geworden, während Tabby Pina gerne ständig um sich haben möchte, ist Pina von Anbeginn an sehr interessiert an neuen Freundschaften. Über das Sozialverhalten habe ich von meinen Damen in den letzten Monaten einiges gelernt. Wie sehr sie mit anderen interagieren hätte ich zuvor nie für möglich gehalten.
Pina hatte vor dem Umzug immer wieder mal gekoppt. Das kommt nun eigentlich nur noch Abends nach der Kraftfuttergabe vor. Auch wenn sie viele Möglichkeiten zum Aufsetzen im Trail hätte – sie koppt hier überhaupt nicht mehr. Pina war auch immer sehr wetterfühlig. Auch dieses Problem hat sich stark verbessert – die letzten Wetterkapriolen (Fast 15 Grad zu Weihnachten und danach ein Umsturz) haben ihr nichts anhaben können. Ich hoffe natürlich, dass dieser Trend weiterhin anhält. Die Bewegungsqualität beider Pferde hat sich außerdem stark verbessert – besonders bei Tabby waren die Veränderungen rasch sichtbar. Ihr breitbeniges Fußen wurde zunehmend besser, auch die Hornqualität hat sich verbessert.
Laura: Es gab für mich eine ganz krasse Veränderung bereits nach 2 Wochen in der neuen Haltungsform. Ich kenne meinen Haflinger Fritzi seit über 20 Jahren und ich konnte in keiner der bisherigen Haltungsformen sehen, dass er mit anderen Pferden Sozialkontakte gepflegt hätte wie beispielsweise Mähne kraulen. Im neuen Stall gehört das nun zu seiner Lieblingsbeschäftigung.
Was sich insgesamt bei allen Pferden gesteigert hat ist der Spieltrieb. Unsere Herde ist buntgemischt und jeder spielt mit jedem, was natürlich auch dazu führt, dass sich die Pferde mehr bewegen.
Was mir selbst außerdem sehr zugute kommt: mein Spanier, der durch seine Geschichte stark vorbelastet ist wurde viel ausgeglichener. Dabei spreche ich besonders von psychischer Ausgeglichenheit, aber auch seine körperlichen Voraussetzungen haben sich zum Positiven verändert.
Was in Bezug auf körperliche Veränderung besonders viel Glücksgefühl in mir auslöst, ist dass die Athroseschübe meines Haflingers Fritzi aufgehört haben. In der konventionellen Haltung hatte ich seit mehreren Jahren das Problem, dass er immer im Herbst stocklahm war. Seit er sich kontinuierlich bewegt und vor allem auch gerade Strecken zum Bewegen zur Verfügung hat, hat sich sein körperlicher Zustand stark verbessert und an manchen Tagen vergisst er, dass er schon 24 ist.
Michaela: Jac ist als Fohlen in diese Haltung gekommen, daher kann ich keinen Vorher-Nachher-Bericht für ihn abgeben. Aber ich berichte gerne über einen von Jacs Kumpels: Fire, ein Quarterwallach ist im Sommer krankheitsbedingt zu uns gekommen. Hatte einige Kilos zu viel auf den Rippen, war schwer lungenkrank (RAO bzw. COPD) und stand vorher in Wien in einem Offenstall. Von reitbar war er weit entfernt und sämtlichen Therapien brachten ihm, wenn überhaupt, nur kurzfristige Linderung. Die Besitzerin bekam von einer Tierärztin den Tipp das Pferd zu uns zu stellen. Kaum bei uns angekommen, verminderte sich die anfangs stark erhöhte Atemfrequenz deutlich innerhalb der ersten Woche. Gründe für diese schnelle Linderung sind die Höhenlage des Stalles, die staubarmen Futtermittel, die permanente Möglichkeit draußen an der frischen Luft zu sein und nicht zuletzt auch das Engagement der Stallbetreiber, die sich im Übrigen auch auf chronisch lungenkranke Pferde (=RAO bzw. COPD-Patienten) spezialisiert haben (ein Tierarzt wohnt am Hof, weitere Tierärzte haben Ihre eigenen Pferde bei uns eingestellt). Fire ist im Juli bei uns eingezogen und 3 Wochen später konnten wir schon den ersten gemeinsamen vorsichtigen Schrittausritt unternehmen. Seitdem sind er und seine liebe Besitzerin unsere Ausreitpartner und halten gut Schritt, mittlerweile auch auf zwei stündigen Ausritten. Er hat nicht nur mehr Lebensqualität gewonnen, sondern aufgrund der dauernden Bewegung auch ganz von alleine sein Gewicht reguliert. Er bekommt normale Futter-Rationen und spielt sehr viel. Natürlich ist es aufgrund der weiten Anreise eine Umstellung sein Pferd nicht mehr täglich zu sehen. Er hat in den vorhergehenden Ställen andere Pferde gejagt, anfangs hat er auch bei uns etwas aufgedreht. Jetzt ist er sehr glücklich Mitglied dieser Herde und hat das Bedürfnis andere zu dominieren verloren. Die Besitzerin freut sich natürlich enorm über diese Entwcklung und nimt daher eine Anfahrtszeit von 1,5 Std. gerne auf sich. Die tägliche Sorge: was wird mich wohl erwarten, wie geht es meinem Pferd, brauche ich einen Tierarzt, ist gewichen. Ich denke jeder Pferdebesitzer kann in Punkto Haltungsoptimierung die Vorstellung von Glück für sich neu definieren.
Liebe Michaela, liebe Laura ich danke euch sehr für dieses ausführliche Gespräch.
Wer Teil 1 nochmal nachlesen möchte findet hier den Beginn unseres Gesprächs.
Lassen wir unsere Pferde schöner wohnen, dann Reiten wir Einfach 😉
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