Piff-Paff und Blamage oder die Sache mit der Piaffengeilheit. Ist man Piaffegeil, wenn man einen schönen Moment erlebt? Oder geht es eher um ehrgeizige Ziele und so genannte Nicht-Ziele?
Wann schießen Wünsche übers Ziel hinaus und warum lohnt es sich, am Inhalt orientiert zu bleiben. Ein paar Gedanken dazu in diesem Blogartikel:

Momentegeil versus Piaffegeil

Wer kennt das nicht. Man erlebt einen wunderbaren Moment mit seinem Pferd. Plötzlich war es da. Dieses lang herbeigesehnte Gefühl. Wenn die kopflastige Sache von einem Gefühl der Harmonie überrollt wird. Beim Reiten heißt es, sollen wir im Hier und Jetzt sein. Schon allein das verlangt Konzentration und Achtsamkeit. Dann geht es darum seinen Sitzknochen zu spüren. Blöd nur, dass wir den ganzen Tag die längste Zeit eher mit unseren Händen beschäftigt sind. Ob im Beruf oder im Studium, es wird getippt, sortiert, gezählt, gegessen, geputzt. Ein großer Teil unseres Alltags lastet auf unseren Händen und dann sollen wir auf dem Pferd plötzlich nicht mehr drastisch „eingreifen“, sondern unsere Sitzknochen wahrnehmen, Schiefen im eigenen Körper spüren und zusätzlich noch analysieren, beurteilen und beeinflussen, was da unter uns passiert. Der Kopf hat alle „Hände“ voll zu tun, den eigenen Körper zu koordinieren und noch dazu viel aus der Theorie in die Praxis umzusetzen. Und dann das. Der heiß ersehnte Moment ist da. Annika Keller hat in einer Diskussion auf einer Sommerakademie Harmonie als das schöne Gefühl von „Nichts“ beschrieben. Bent Branderup sagt, eine Parade ist die Abwesenheit von jeglichem Widerstand. Harmonie wird ganz individuell empfunden. Aber eines ist ganz sicher – wir hätten alle gerne ein Stückchen mehr davon.

Ich würde sagen, wenn ich einmal einen sehr schönen Moment mit meinen Pferden hatte, dann würde ich gerne auf die STOPP Taste drücken und wieder zurück spulen, um den Moment immer wieder zu erleben. Vielleicht sogar noch etwas bewusster, als beim ersten Mal.

So. Jetzt lassen sich Momente aber nicht so einfach reproduzieren. Für den einen mag es der Moment absoluter Versammlung sein, für den anderen kann der besondere Moment schon darin liegen, wenn das Pferd sich in der Bodenarbeit von vorne, wie von der Seite führen lässt, ohne seinen Menschen zu überholen oder zu bedrängen und ohne sich dabei zu verspannen.

Momente bzw. der Wunsch nach einem besonderen Moment entwickeln sich natürlich ständig weiter. Und wenn es am Anfang lediglich um einen schönen Zirkel ging. Einen Zirkel, den das Pferd mit seinem Reiter beschreiten kann, ohne über die innere oder äußere Schulter zu laufen – dann kann mit gesammelter Erfahrung und gewachsener Kompetenz schon auch der Wunsch nach etwas mehr reifen.

Piaffegeil?

Gestern noch der Zirkel, das Schulterherein oder einfach eine Haltparade ohne die Hand zur Hilfe nehmen zu müssen – morgen schon Piaffe? Ab wann meldet sich der Ehrgeiz, der den Weg zum Ziel ausklammert und nur das Ziel selbst im Fokus hat?

Ohne Basis geht nichts. Wir wissen genau, was heute dran ist, wenn wir unseren Pferden genau zuhören. Dafür brauchen wir aber in allererster Linie eine gute Kommunikation mit dem Pferd. Wie man hier zur Leichtigkeit kommt, darüber erzählt Kathrin Tannous in einer speziellen Podcast Folge zum Thema. Schließlich erzählt uns unser Pferd ganz genau, was am Stundenplan stehen könnte und was nicht. Im Internet kann man sich wunderbar austauschen – da gibt es schon die eine, oder andere Frage nach dem Erlernen der Schulparade, oder einer Piaffe.

Klar, ein schönes Ziel, wenn der Reiter das Pferd aber nicht einmal führen kann, Stellung und Biegung lediglich im theoretischen Vokabular, der praktischen Ausführung aber nicht vorhanden sind, dann bleibt so manches Ziel wohl nur ein Traum.

So manch einer hat vielleicht die letzte Seite vom spannenden Buch voraus gelesen – und somit auch eine Menge spannender Dinge verpasst. Der Weg darf uns auch Freude bereiten.

Darf ich keine Ziele haben?

Doch. Natürlich. Unbedingt! Jeder sollte Ziele haben. Vielleicht ist nicht jedes Ziel unbedingt realistisch und vielleicht sollte man es wie bei einer gut durchdachten Diät in Etappen angehen. Dann lässt sich auch die Zielerreichung genauer definieren.

Die Frage ist nur – möchte ich eine Lektion, einfach nur um der Lektion Willen lernen, oder möchte ich darüber hinaus wissen, warum dieser Inhalt meinem Pferd gut tut. Wer sich mit dem Inhalt beschäftigt wird vielleicht auch durch die Beschäftigung mit der Biomechanik Grenzen, Potenziale und Möglichkeiten seines Pferdes überdenken. Die Dressur ist für das Pferd da, nicht das Pferd für die Dressur.

Und dennoch. Wir bleiben einfach beim Piaffebeispiel: Wer eine schöne Piaffe bewundert hat, der möchte seinem Vorbild möglicherweise nacheifern – und wenn man selbst an eine Etappe kommt, dann ja, dann darf man sich natürlich auch freuen.

Wer kennt das nicht? Ich gebe zu, es gibt Momente, da hätte ich es gerne einfacher. Da frage ich mich, warum ich wieder alles Behirnen und genau Erfühlen muss. Wo sich Fehler eingeschlichen haben. Warum es Sonntag spitze lief und Dienstag darauf meine Harmonie vom Sonntag in der Vergangenheit blieb und nicht mitgekommen ist. Vielleicht weil ich mich Sonntag ehrlich überraschen ließ und am Dienstag reproduzieren wollte?

Ich denke es ist auch okay zu sagen, die Reset Taste, die uns wieder „back to Basis“ holt, ist manchmal wirklich zum Verzweifeln. Aber sie bringt uns auch umgekehrt am Meisten bei. Mich lehrt sie immer wieder noch deutlicher für mein Pferd zu formulieren, was ich gerne hätte und wenn wir uns missverstehen neue Fragen und Antworten zu finden.

Ehrgeiz muss nicht per se eine schlechte Sache sein. Oft sogar ein guter Motor, um die Motivation aufrecht zu erhalten. Die Frage ist eben nur: Die Piaffe um jeden Preis? Die Piaffe als Lektion, oder bekomme ich die PIaffe, weil ich mich mit dem Inhalt gründlich auseinander gesetzt habe.

Schießen wir also mit unserem Ehrgeiz nicht übers Ziel hinaus, dann reiten wir Einfach 😉

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