Schulterherein ist Tausendsassa, Aspirin der Reitkunst, Kruppeherein oder Travers ein wahrer Alleskönner, aber auch Renvers und Traversalen sind wahre Multitalente. Im Renvers bleibt die Hinterhand des Pferdes an der Bande, während die Vorhand nach innen auf drei oder vier Hufschlägen geführt wird – daher kann man den Renvers auf gerader Linie geritten – auch als Spiegelbild des Kruppeherein bezeichnen.
Die Bezeichnung „Hufschlag“ bezieht sich nicht auf den ersten oder zweiten Hufschlag, der in der Bahn die Linienführung bezeichnet, sondern auf die Linien, auf denen das Pferd seine Hufabdrücke setzt. Bei einem gerade gehenden PFerd spricht man von einem Hufschlag, bei einem Pferd, das einen Seitengang geht, spricht man von zwei oder mehr Hufschlaglinien, auf denen sich die Beine bewegen.
Das äußere Hinterbein wird quasi zum neuen inneren Hinterbein. Das neue äußere Hinterbein (im Renvers auf der linken Hand wäre dies dann das linke Hinterbein) soll somit vermehrt zum Schwerpunkt hintreten (vergleiche Kruppeherein).

Ein anderes Bild zur Vorstellung: Der Renvers ähnelt auch dem Schulterherein, allerdings wird das Pferd beispielsweise auf der linken Hand nicht nach links, sondern nach rechts gebogen und gestellt.
Gustav Steinbrecht bezeichnet den Renvers als
„in allen seinen Abstufungen ebenso schöne als wirksame Übung für das Pferd. Es findet seine vollständige Erklärung durch die Bezeichung Konter-Travers und ist dem Schulterherein insofern verwandt, als bei beiden die Hinterhand auf den äußeren Hufschlag gerichtet ist, insofern aber entgegengesetzt, als die Biegung im Renvers in der Fortbewegung des Pferdes genommen wird, wodurch sie der Seitwärtsbewegung der Kruppe entgegenwirkt.“
Gustav Steinbrecht
Was verbindet nun die Seitengänge-Drillinge?
- Im Schulterherein tritt das innere Hinterbein in Richtung Schwerpunkt, die äußere Schulter wird frei.
- Im Kruppeherein und Renvers fußt das äußere Hinterbein in Richtung Schwerpunkt
- Wichtig für alle Seitengänge ist das Überwachen der jeweils äußeren Schulter durch eine leichte Idee Schultervor, da nur so durch die Hinterbeine Last aufgenommen und Tragkraft entwickelt werden kann. Überholt die Kruppe, ist das ein Zeichen für zu viel Schub aus der Hinterhand weg vom Schwerpunkt.
- Viele Wechsel zwischen den „Drillingen“ machen die Mehrfachbedeutung der Hinterbeine klar – mal wird ein Hinterbein als inneres Hinterbein, mal wird es als jeweils äußeres Hinterbein zum Schwerpunkt geführt.
Eine Pirouette entsteht, wenn man den Zirkel im Kruppeherein verkleinert. Zirkel verkleinern im Renverns hat eine Wendung um die Vorhand zur Folge. Diese Wendung ist allerdings nicht mit der modernen Vorhandwendung zu verwechseln, die lediglich im Schritt geritten werden kann. Renversalwendungen können auch im Galopp geritten werden. Wer zwischen Travers- und Renverswendungen wechselt fördert dadurch Durchlässigkeit und Aufmerksamkeit des Pferdes.
Wie der Renvers vom Boden aus gelingt
Wie schon bei Schulterherein und Kruppeherein wird empfohlen, dem Pferd die Hilfen vom Boden aus beizubringen. Das Pferd sollte die Hilfen des Schulterherein bereits sehr gut kennen, so dass der Reiter lediglich die Biegung und Stellung aus dem Schulterherein (Anfangs beispielsweise im Stehen) ändert. Ist er dabei in innerer Führposition beispielsweise auf der linken Hand neben dem Pferd würde er sozusagen Biegung und Stellung von sich weg verändern. Die Linke Hand hat nun bei beidhändiger Zügelführung den Außenzügel zu überwachen, die rechte Reiterhand den inneren Zügel. Aus dem Schulterherein führt der Ausbilder sein Pferd in eine Traversale. Voraussetzung dafür ist ein Verständnis für die Sekundarhilfen und Primärhilfen. Das Pferd folgt dem Menschen, spiegelt dessen Bewegung in Bezug auf die Schultern und beantwortet die Frage der über den Rücken zeigenden Gerte mit einem korrekten Fußen des äußeren Hinterbeins in Richtung Schwerpunkt. Die Hinterhand darf im Travers die Schultern nicht überholen, bei der Führung über die Diagonale kommen Mensch und Pferd automatisch im Renvers in der Ecke an. Nun ist es wichtig, dass der Mensch nicht zu stark über das Pferd lehnt, genau in dieser Ecke ist eine sichere Führung in der Frontposition hilfreich, wenn das Pferd nicht überbiegen und auf die äußere Schulter fallen soll. Diese muss leicht bleiben und im Renvers über das innere Vorderbein kreuzen. Da aller Anfang schwer ist begnügt man sich unbedingt auch beim Renvers mit ein paar guten Schritten, vor allem wenn dieser Inhalt für Ausbilder und Pferd noch neu ist.
Anfangs genügen ein paar gute Schritte, wie auch Egon von Neindorff betont:
„Auch für das Pferd ist jede neue Lektion oftmals eine große Umstellung. Man fange also auch jetzt wie beim Schulterherein mit kurzen Reprisen und viel Loben für richtige Schritte und Tritte an“.
Egon von Neindorff
Wie der Renvers vom Sattel aus gelingt
Auch hier empfiehlt es sich, aus dem Schulterherein zu beginnen. Auf der rechten Hand wechselt der Reiter schließlich von seinem „Rechtssitz“ auf den „Linkssitz“ – belastet also den linken Sitzknochen als neuen inneren Sitzknochen vermehrt. Der vormals an der Gurte liegende rechte Schenkel, der das innere Hinterbein zum Schwerpunkt holte, wandert nun etwas hinter die Gurte, das vormals innere Hinterbein wird nun zum äußeren Hinterbein, der äußere Reiterschenkel fordert nun das neue äußere Hinterbein vermehrt auf zum Schwerpunkt zu treten. Der linke Zügel überwacht die neue Stellung nach links, linker Sitzknochen und linker Schenkel sorgen für die Biegung nach links.
Alois Podhajsky fasst zusammen: „Bei Renvers wird auf der rechten Hand mit dem linken Zügel eine mäßige Kopfstellung bei gleichzeitigem Vortreiben des Pferdes verlangt. Um den linken Schenkel an der Gurte wird die Biegung des Pferdes nach links ermöglicht. Der Reiter sitzt vermehrt auf dem linken Sitzknochen im Sattel und muss die rechte Schulter genügend mitnehmen. Der rechte Schenkel hinter der Gurte sorgt für die Linksbiegung des Pferdes und den Seitengang“.
Nicht schief – seitwärts!
Wie bei jedem Seitengang ist darauf zu achten, dass das Pferd nicht nur verstärkt den Hals biegt, sondern die Biegung durch den gesamten Körper lässt. Wenn die innere Hüfte des Pferdes nicht nach vorne kommt, entsteht von oben gesehen eine S Kurve im Rücken des Pferdes (anstatt des gewünschten Cs). Um dem Pferd die Hilfengebung und das Verständnis für das Renvers zu erleichtern empfiehlt es sich daher den Renvers aus dem Schulterherein einzuleiten.
François Robichon de la Guérinière warnt hier nicht auf frisches Vorwärts zu verzichten: „
So hervorragende Übungen auch das Schulterherein und das Kruppeheraus sind, die immer zusammen gehören, um einem Pferd Gelenkigkeit, eine richtige Biegung und korrekte Stellung zu geben, in der ein Pferd gehen muss, wenn es mit Eleganz und Leichtigkeit arbeiten soll, so darf man deswegen doch nicht versäumen es weiterhin sowohl auf gerader Linie, als auch auf dem Zirkel im Trab zu üben……Man muntert damit ein Pferd auf und verschafft ihm Erholung von dem engen Rahmen, in dem man es in der Stellung des Schulterhereins und Kruppeheraus halten musste“.
François Robichon de la Guérinière
Guérinière empfiehlt Anfangs drei Übungsteile für die tägliche Gymnastizierung, sobald das Pferd die Seitengänge verstanden hat:
„….muss die erste (Übung) im Schritt im Schulterherein gemacht werden. Nachdem man zweimal die Hand gewechselt hat, führt man es auf beiden Händen im Kruppeheraus und hört im Schritt auf einer geraden Linie auf dem Hufschlag weg von der Wand auf. Die zweite Reprise wird in einem beherzten entschlossenen Trab auf einem Hufschlag gemacht, und man hört in dieser Gangart auf der Linie in der Mitte des Reitplatzes auf, ohne dabei Kruppeheraus zu üben. In der dritten und letzten Repreise wird es wieder im Schritt im Schulterherein geführt dann im Kruppeheraus, und beendet die Reprise gerade gerichtet weg von der Wand. Wenn man in dieser Weise die drei Übungen Schulterherein, Kruppeheraus und Trab miteinander verbindet, wird man erleben wie das Pferd von Tag zu Tag an Biegsamkeit und Gehorsam zunimmt“.
Gustav Steinbrecht betont hier die Überwachung der Vorhand:
„Der Reiter richte daher im Renvers seine Hauptaufmerksamkeit auf die Führung der Vorhand, damit er diese stets in gleicher Entfernung von der Bande halte, und richte die Hinterhand mit seinen Schenkeln entsprechend gegen die Schultern.“
Gustav Steinbrecht
Auch Evon von Neindorff empfahl besondere Sorgfalt bei den Seitengängen – wenn sich das Pferd verwirft oder ein Hinterbein ausfällt, rät er:
„Wieder auf den Hufschlag zurück, geradeaus betont vorwärts reiten, nach Bedarf auch in freierem Tempo“.
Bent Branderup attestiert in seinem Buch „Akademische Reitkunst“ dem Renvers eine besondere Bedeutung für den Außengalopp bzw. die fliegenden Galoppwechsel:
„Um Ihrem Pferd die Absicht zu verdeutlichen, empfehle ich Ihnen beim Außengalopp immer ein Minimum an Renversstellung beizubehalten. So vermeiden Sie, dass das Pferd unbeabsichtigt den Galopp wechselt. Der Renversgalopp ist als Grundlage für den fliegenden Galoppwechsel unersetzlich“.
Bent Branderup, Akademische Reitkunst
In der Traversale gilt: Weniger ist mehr
Sie sehen spektakulär aus und gerade bei Turnierübertragungen setzen manche Frontalaufnahmen Zuseher in Staunen. Die Rede ist vom weiten Kreuzen der Beine in der Traversale. Wird dabei jedoch vom Schwerpunkt weggetreten – da hätten die alten Meister eher geringen Beifall gezollt.

Die Traversale wird analog zum Kruppeherein bzw. der Traversbewegung beschrieben, allerdings bewegt sich hier das Pferd nicht seitlich vorwärts entlang der Bande, sondern seitlich – vorwärts auf der Diagonale.
Die Einleitung des Travers beginnt am besten aus einem Schultervor – ebenso wie im Renvers gilt: Überholt die Kruppe die Schulter, geht dies zu Lasten der Tragkraft, da das Pferd mehr vom Schwerpunkt wegschiebt, als zum Schwerpunkt hin zu fußen. Der „Brownie-Point“ der Versammlung geht somit verloren – erkennbar wird die Fehlerquelle der übermäßigen Schubkraft durch das Starke Kreuzen und Übereilen.
Eine zu starke Halsbiegung in Bewegungsrichtung bringt das Pferd ebenso nur auf die innere Schulter. Die Folgen: Das Pferd wird schwer in der Hand, die Pferde fallen, da es an Vorwärts fehlt auf die Schulter. Das bedeutet aber auch, dass die Schultern gerade in der Traversale immer die „Führung“ übernehmen, also vor die Kruppe bzw. Hinterhand gestellt sein müssen.
Zur Überprüfung dieses Ziels hilft folgendes Rezept: Die Vorrichtung der Schulter ist dann korrekt, wenn ein Übergang in ein Schulterherein direkt aus der Traversale zu jedem Zeitpunkt gut möglich ist. Abwechselndes Reiten von Schulterherein und Traversale ist hier generell eine gute Übung, um Balance, Tragkraft und Durchlässigkeit zu fördern.
Gustav Steinbrecht schrieb in seinem „Gymnasium des Pferdes“:
„Die Traversstellung wird dadurch gewonnen, dass der Reiter die Hinterhand seines zuvor im Schulterherein wohl gebogenen Pferdes mit dem äußeren Schenkel nach innen richtet, während die Vorhand auf ihrer Linie erhalten wird.“
Hilfengebung vom Boden aus
Wer das Kruppeherein mit seinem Pferd bereits bei der Bodenarbeit, unabhängig von der Wand beherrscht, kann die Bande allmählich in kleinen Schritten verlassen. Egal ob später dann auf der Diagonale, aus der Mitte, oder einem Zirkel – Kruppeherein auf der Diagonalen wird zur Traversale, auf dem verkleinerten Zirkel geführt nach und nach zur Pirouette.
Hilfengebung vom Sattel aus
Die Traversale wird am leichtesten aus dem Schulterherein oder aus deinem Zirkel heraus eingeleitet, um die Vorhand in Bewegungsrichtung vor die Hinterhand zu führen. Bent Branderup legt hier ein besonderes Augenmerk auf das „zum Schwerpunkt hintreten“:
„Wie bei allen anderen Übungen sehe ich auch in einer Traversale nichts Vorteilhaftes, wenn das Hinterbein nicht zum Schwerpunkt greift, oder gar davon wegschiebt. Auch wenn es ganz hübsch aussehen mag, wenn die Beine weit überkreuzen, so greifen so gehende Pferde am Schwerpunt vorbei“.
Bent Branderup
Auch Egon von Neindorff schlägt in dieselbe Kerbe: „Besondere Sorgfalt erfordern schließlich die sehr lehrreichen Übergänge von einem Seitengang in den anderen und die so genannten Zickzack-Traversalen. Beim hierbei notwendigen Wechsel der Seitenbiegung ist es ein erster Fehler, die Hinterhand wie in einer Vorhandwendung herumtreten zu lassen. Dadurch wird aus einem versammelnden Seitengang eine lösende Übung, also das genaue Gegenteil des Gewollten…..Keinesfalls provoziere man aber selbst versehentlich noch ein anderes Übel: Durch zu starkes Verkürzen des inneren Zügels den Hals mehr seitlich einzurunden als die Rückenwirkbel. Der äußere Zügel soll vielmehr, etwas voller anstehend, den Hals gerade aus der Schulter heraustreten lassen und ihn an ihr in gleicher Biegung wie das Rückgrat erhalten“.
Beispiel auf der rechten Hand geritten: Der äußere, linke Zügel überwacht die äußere Schulter und richtet diese vor die Hinterhand. Der rechte, innere Zügel überwacht die Stellung. Der linke Schenkel des Reiters kommt vermehrt hinter dem Gurt zum Treiben – vor allem dann, wenn das Pferd mit dem äußeren Hinterbein abfußt. Der innere belastende Sitzknochen, sowie der innere, rechte Schenkel überwachen die Biegung. Gleich wie im Kruppeherein wird der Schwerpunkt des Reiters – aus dem Bauch heraus – ein wenig in Richtung inneres Vorderbein verlagert.
Wenig überraschend, ;-): Auch hier bleiben Reiterschultern parallel zu Pferdeschultern, Reiterhüfte, parallel zu Pferdehüfte.
Steinbrecht fasst dies folgendermaßen zusammen:
„Das Pferd gibt seinem Reiter im richtigen Travers denselben sanften Hang nach innen wie im Schulterherein wegen der gleichen stärkeren Belastung des inneren Hinterbeins. Es richtet aber die innere Hüfte des Reiters mehr vor in dem Grade, wie seine eigene innere Hüfte mehr vorgerichtet ist. Hier verfalle nun der Reiter wiederum nicht in den gewöhnlichen Fehler, die Schultern der Richtung der Hüften folgen zu lassen, sondern stelle diese übereinstimmend mit den Schultern des Pferdes. Der Reiter beachte daher weniger seine innere Schulter, sondern stelle die äußere so, dass er den äußeren Zügel bald wendend, bald sammelnd mit Erfolg wirken lassen kann“.
Hilfreich kann es auch sein, die Blickrichtung in Richtung Diagonale bereits vor dem Einleiten des Travers zu fokussieren.
Alois Podhajsky empfiehlt dem jungen Pferd die Traversale am besten aus dem „Umkehrtwechseln mit halbem Travers“ beizubringen und schließlich zu einem halben Travers aus der Mitte zu steigern. „Eine gute Übung und gleichzeitig ein ausgezeichneter Prüfstein für die Rittigkeit eines Pferdes ist es auch, eine halbe Verschiebung bis zur Mittellinie zu verlangen und auf dieser das Pferd einige Meter geradeaus gehen zu lassen. Dann wird entweder die unterbrochene Verschiebung fortgesetzt oder aber eine halbe Verschiebung zurück zur selben Wand, von der man gekommen ist, angeschlossen. So muss das Pferd dem Reiter die notwendige Beachtung schenken, weil es nicht wissen kann, nach welcher Seite der Seitengang seine Fortsetzung finden wird“.
Reiten wir den Travers also einfach mit ein wenig Schultervor – ohne viel zu Kreuzen und zu Übereilen 😉
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