Wie kann man sein Pferd abseits des Trainings dem jeweiligen Muskeltyp entsprechend unterstützen?

Am Sonntag stand beim Kurs mit Annika Keller das Thema „Massage“ im Vordergrund. 

Von Muskeln und Mäusen…

Herbert ist 22 Jahre alt, grundsätzlich könnte er ein athletischer Typ sein. Er lebt gemütlich mit seiner Familie, nennen wir sie mal Bindegewebe im Ort Körper, genauer im kleinen Dorf Gluteus. 

Auf Herbert werden wir später in der sehr anschaulichen Theorie mit Annika noch zurück kommen. 

Bewegung ist aller Anfang

Bevor wir uns aber in der langen Theorieeinheit am Sonntag dem Thema Massage widmen, beantwortet Annika Fragen der Teilnehmer. Beispielsweise wird anhand einer Frage zur Hyperflexion das Erlernen eines Bewegungsmusters diskutiert. Bewegungsmuster können, so schildert es Annika über einen langen Zeitraum antrainiert sein, sie können aber durch Nutzung verschiedener Verhaltensmuster oder unter Zwang erzeugt werden. Der Körper reagiert auf die Bewegungsmuster entweder durch Ausweichmechanismen oder durch Kompensation. 

Eine Bewegung, die erzwungen und nicht durch Eigendynamik entwickelt wird, wirkt sich negativ auf den gesamten Körper aus. 

Wir Reiter haben daher einen wichtigen Job: Vereinfacht gesagt bedeutet das, wir müssen den Inhalt reiten und nicht die Lektion. Biomechanisch betont gesagt: Werde dir als Reiter immer bewusst, warum du überhaupt welche Bewegungskompetenz beim Pferd ausbilden möchtest. 

Wertschätzung bis in die Zelle

„Alles wird gut“. Tatsächlich? Rund um die Akademische Reitkunst haben wir das Glück mit vielen Menschen zu tun zu haben, die sich mit dem Wohlbefinden des Pferdes auseinander setzen.

Gesundheit ist unschätzbar wertvoll. Ich habe irgendwo mal aufgeschnappt, dass es für Springpferde eine gewisse Anzahl an Sprüngen in ihrem Leben gibt – wird dann quasi über die Kilometerleistung geritten, dann wirkt sich das negativ auf den Körper (und oft auf den Geist aus). Damit soll jetzt nicht das Springreiten kritisiert werden, sondern die Frage erörtert werden, ob Schäden tatsächlich durch beispielsweise ostheopatische Behandlungen oder den Chiropraktiker „wieder gut“ gemacht werden können. 

Annika erklärt an dieser Stelle, dass sich Zellen nach einer bestimmten Zeit an ein Bewegungsmuster erinnern können, – gute wie schlechte. Auch eine für den Körper „schlechte“ Bewegung, die 17 Jahre lang trainiert wird, kann vom Pferd in diesem Fall als Überlebensnotwendig interpretiert werden. 

Wie kann man also die Negativspirale durchbrechen. Training, das der individuellen Biomechanik und der Geschichte des jeweiligen Pferdes entspricht ist eine Seite der Medaille, die andere ist mit Sicherheit Zeit. Heilung bedeutet demnach nicht: „Plötzlich ist wieder alles gut“. 

Heilung mit ostheopatischer Unterstützung bedeutet dem Körper bei dessen Neuordnung Hilfestellung zu geben. Und dadurch zum Beispiel mit Verletzungen und deren Auswirkungen umgehen zu können.

Warum können wir eigentlich reiten? 

Nachdem wir über mögliche Verspannungen, Schutzmechanismen usw, beim Pferd diskutiert hatten und auch die Frage erörtert hatten, ob Dehnungshaltung bei einem festgehaltenen Rücken überhaupt sinnvoll ist, wenn das Pferd sich mental und physisch nicht lösen kann, kam natürlich die Frage auf: Wie ist es überhaupt möglich, dass wir auf einem Pferd sitzen und es reiten können? 

Beim Reiten wünschen wir uns auf keinen Fall eine negative Umkehr des normalen Bewegungsempfindens. Wir möchten nicht, dass das Pferd kompensiert noch eine Schutzhaltung für unser Vergnügen einnimmt. 

Ein gutes Privatleben steht an erster Stelle

Für Pferde bedeutet das – jede kleine Blockade oder Festigkeit kann sich leichter lösen, wenn das Pferd in einer möglichst artgerechten Haltung leben darf. Auch wenn das Pferd nicht geritten wird, kann es zu Blockaden oder einer Steifheit kommen, allerdings lösen sich bei einem guten Privatleben die meisten Probleme von selbst – auch so wie bei uns. 

Es heißt im Leben nicht umsonst, man darf sich nicht zuviel aufladen. Umgekehrt bedeutet das – wir müssen dem Pferd zeigen, wie es sich mit uns Menschen auf dem Buckel zurecht findet. 

Ein Pferd, das nicht geritten wird, hält sich anders als ein Reitpferd. Die Haltung des Reitpferdes ist etwas, das wir aktiv mit dem Pferd verändern können – das ist auch der einzige Grund, warum wir Pferde reiten können – weil sie sich eben als Reitpferde anders halten können. Und wie wir diese Haltung kommunizieren – das ist Sache der Reitkunst. 

Die Wirbelsäule – ein Jungbrunnen

Alle ursprünglichen Aktivitäten wie Yoga, Pilates oder Heilmassage beschäftigen sich mit der Beweglichkeit der Wirbelsäule. Und das nicht umsonst – denn von der Beweglichkeit der Wirbelsäule hängt viel ab, wie der Rest unseres Körpers später funktioniert. Jedes Organ wird von der Wirbelsäule aus ange“funkt“ und alle Extremitäten werden von ihr aus gesteuert. Verletzt sich ein Pferd am Bein hat dies eben auch eine Auswirkung auf die Wirbelsäule. 

Wir brauchen also eine dreidimensionale Bewegung in der Wirbelsäule damit wir überhaupt reiten können. Und dann brauchen wir natürlich eine entsprechende Bewegungsqualität. Und an Bewegung sind auch immer Muskeln beteiligt. 

Die Sache mit Herbert

Der gesamte Körper besteht aus Bindegewebe, aber jedes Bindegewebe hat seine ganz eigene Form und Aufgabe. Die Muskelfaser Herbert hat letzten Sonntag also zwei Stunden Yoga gemacht. Und plötzlich schrecken alle Zuhörer, die gebannt gelauscht hatten hoch. Herbert? Wer ist nun Herbert? 

Annika hat ein sehr bildhaftes Beispiel für uns parat. Herbert ist eine Muskelfaser, die eben letzten Sonntag zwei Stunden Yoga gemacht hat. Herbert war beim Training echt am Limit. Nun gut, das ist noch untertrieben: Das Yoga hat Herbert getötet. Eine massive Überanstrengung von Fasern kann zu deren Absterben führen. Diese Muskelfasern bleiben als Abfallprodukte zurück. Nun grübelt das ganze Auditorium. Was ist der Unterschied zwischen einem kleinen und einem großen Muskelkater. Und wer sollte auf wen hören? Der Mensch, der als Personal Trainer sein Pferd motiviert und anfeuert oder sollte sich das Pferd mehr Gehör verschaffen, wenn der „Trainer“ nicht hört, dass es einfach nicht mehr kann? Und ist es zum Zeitpunkt dieser Message bereits zu spät für „Herbert“, die kleine Muskelfaser. 

Bewusst gesund

Gesundheit und gute Bewegung hat also, einmal mehr mit viel Achtsamkeit und Bewusstsein zu tun. Annikas Theorievortrag hat sich mit sämtlichen Fragen beschäftigt, vor allem aber, wie wir aus einem Pferd ein Reitpferd machen – und wie wir die Ausbildung durch Massage begleiten können. 

Dass Massage kein Kraftakt sein muss, das haben wir dann in der Übung der verschiedenen Druckstufen an uns selbst ausprobiert. Dann ging es an die Pferde, denen wir auch hier gut zuhören müssen. Magst du diese Druckstufe? Wo und an welcher Körperzone bist du empfindlich? Entspannt standen unsere Pferde in der Halle und ließen sich durch Annikas Erklärungen nicht stören. Für jedes Pferd hatte sie auch einen individuellen Vorschlag für die Massagegriffe bereit. Fazit: ein sehr gelungenes Kurswochenende!

Irgendwie war es dann ganz komisch, die Frau Kollegin zum Flughafen zu bringen, schließlich hatten Annika und ich eine intensive Arbeitswoche. Zum Glück nicht unser letztes Treffen – schließlich wollen wir für euch etwas ganz spezielles basteln 😉 

Meine Empfehlung: Wer die Gelegenheit hat, bei einem Kurs mit Annika teilzunehmen, lasse sich die Chance nicht entgehen! 

Mehr Informationen über Annika gibt es auf ihrer Website

Einen Podcast zum Nachhören gibt es hier

Denke an die Zellen – besonders an Herbert, dann Reitest du Einfach 😉