Rücken-Schwung. Was bedeutet eigentlich korrekter Schwung? Wann geht das Pferd über den Rücken?

  • Was muss der Hinterfuß tun, damit er die Kraft korrekt übertragen kann und der Schwung vorne ankommt? 
  • Welchem Pferd fällt es schwer und wie kann man daran arbeiten? 

    Diese und weitere Fragen beschäftigten uns beim Seminar rund um den korrekten Rückenschwung mit Bent Branderup Anfang Juli am Horse Resort am Sonnenhof in Hart bei Graz

Rücken-Schwung – oder ich seh, ich seh, was du nicht siehst….

Bent Branderup ging in der zweiten Theorieeinheit darauf ein, wie man erkennen kann, ob es im Schritt eine Passverschiebung gibt und wie man diese auch im Galopp sehen kann. 

Gerade für die Zuschauer, die zum ersten Mal bei einem Kurs mit Bent Branderup dabei waren, war es schwer zu erkennen, was bereits mit den Pferden erarbeitet wurde, die schon seit einigen Jahren mit dabei sind.

„Es gibt Dinge, die können nur durch Kommunikation erarbeitet werden und dies kann jahrelange Kleinarbeit bedeuten, wenn man dem Pferd keinen Schaden zufügen möchte.“

Bent Branderup

Jedes Detail zählt, so konnte man bei einem Pferd in der Praxis gut erkennen, dass die sehr steilen Fesselköpfe in der Bewegung zu schaffen machen. Rein optisch wären diese kein Problem, jedoch möchte man diese durch einen Reiter belasten, braucht es viel Zeit. Einfühlsam erklärte Bent Branderup, warum Zeit der wichtigste Partner in der Ausbildung ist:

„Würde man sie von jetzt auf gleich belasten wollen, würde man alles kaputt machen, denn die Sehnen und Bänder können nicht im Handumdrehen mitfedern und würden durch zu große Belastung Schaden nehmen. Durch ein Ausweichen kann sich dieses Pferd der Last entziehen und wird aber mit der Zeit mehr und mehr Last aufnehmen können, wenn man ihr diese Zeit lässt. „

Bent Branderup

Amadeus, ein 23-jähriger Gidran mit Kissing Spines, konnte sich trotz seiner Diagnose leichtfüßig durch die Halle bewegen. Hier zeigt sich was Zeit und liebevolle Arbeit hinsichtlich der Bewegungsqualität eines Pferdes ausmachen können.

„Es passiert gerne, dass man vor einem schönen Pferd steht und sagt: Warum geht das nicht? Dann wird man auch leicht ungerecht. Wenn man dies aber mit einem Legastheniker vergleicht, den man anschreit, weil er nicht richtig schreiben kann, dann wird man erkennen, dass dies ziemlich sinnlos ist.“

Bent Branderup

Rücken-Schwung: Es geht immer um Kommunikation

Stellen wir uns vor unser Pferd und arbeiten vorsichtig an der Parade, dann werden wir erkennen, dass jedes Pferd nicht schlechter ist, als dass es von alleine stehen kann. Somit kann es jede Hilfe erlernen. 

„Pferde, die nur reagieren, wenn sie mit den Beinen in der Luft sind, da sie keinen Widerstand leisten können und diese bei der Arbeit im Stehen nicht reagieren, dann haben sie nicht verstanden worum es eigentlich geht. Durch Widerstand erzeugt man den größten Verschleiß an Gelenken, den es gibt. Meistens entsteht die größte Problematik an der Wirbelsäule. In dieser Region kann man den Schmerz leicht wegspritzen, aber nur weil das Symptom verschwunden ist, ist die Ursache noch lange nicht weg.“

Bent Branderup

Bleibt die Ursache vorhanden, so wird der Verschleiß voranschreiten und irgendwann wird die Beweglichkeit der Wirbelsäule so eingeschränkt sein, dass auch der Schwung nicht mehr vorhanden sein kann und übertragen werden kann. 

Rücken-Schwung: Vom Suchen und Finden der Balance

In der Akademischen Reitkunst geht es um das Finden des Balancepunktes, besonders, wenn wir auf dem Pferd sitzen.
Ein Pferd kann seinen Balancepunkt sehr großzügig verschieben, was wir als Reiter oben drauf nicht können. Das Ziel ist es, den gemeinsamen Balancepunkt zu finden und zusammen zu verschmelzen, sodass die Schwingung der Wirbelsäule des Pferdes in uns übergeht und das Pferd den Hinterfuß in den Balancepunkt stellt. Dann erst ist der akademische Sitz möglich. 

„Davor können wir vielleicht hübsch sitzen, aber den Sitz so zu verwenden, wie wir es bei den alten Meistern beschrieben sehen, das geht nicht.“

Bent Branderup

Hat ein Pferd die Fähigkeit nicht, den Hinterfuß an den Balancepunkt zu stellen, kann es jedoch trotzdem jede Hilfe erlernen. Dazu müssen wir wissen, wozu wir welche Hilfe benötigen und diese auch verstehen. Verstehen weder das Pferd noch der Mensch die Hilfe nicht, dann kann man das Pferd nicht korrigieren und der Mensch wird das Maul des Pferdes durch die Hand zerstören, ohne zu wissen was er dabei tut. 

Dabei erzählt Bent Branderup von einer Dame, die alles für ihr Pferd tat, jedoch nicht wusste, was ihre Hand für einen Schaden anrichtet. Die Backenzähne des Pferdes waren durch das Gebiss komplett abgerieben und deformiert.
Den Schädel dieses Pferdes zeigt Bent gerne um vor den fatalen Folgen der Hand zu warnen. 

Daraus resultiert, dass wir zuerst die Kommunikation brauchen, bevor man eine Hilfe beibringen kann. 

„Es ist eine der größten Katastrophen in der Reitkunstgeschichte, dass es legal ist Gewicht am Unterkiefer zu erzeugen. Dafür sind Unterkiefer nicht gebaut“ 

Bent Branderup

Möchte man die Schultern frei bekommen, dann ist der Weg über das Heben der Hand der falsche, denn:

„Man kann den Stuhl nicht heben auf dem man sitzt“ 

Bent Branderup

Kann die Hand das Pferd heben?

Es muss ein anderer Weg gefunden werden, um eine Freiheit der Schultern zu erzeugen. Kann das Pferd die Hinterhand so einsetzen, dass es die Beine gut unter den Körper setzt und den Schwung korrekt nach vorne überträgt, dann wird ein Heben der Schultern von ganz alleine kommen. 

Wenn wir am Kopf des Pferdes arbeiten, wird es die Schultern nicht freier bekommen, wir können es aber durch leichte Hilfen dazu auffordern. Das Heben selbst muss jedoch durch das Anheben des Brustkorbes entstehen, was nur durch eine korrekte Rotation der Wirbelsäule geschehen kann.  Manche Pferde können dies von Natur aus, für andere ist es ein Jahrelanger Prozess.  

Rücken-Schwung: Welchen Sitz verwenden wir? 

In der Akademischen Reitkunst unterscheiden wir zwischen dem physischen Sitz, dem statischen Sitz und dem Sitz als Schwung. 

Wie jedes Jahr, darf ein Isländerreiter den Tölt in seinem eigenen Körper simulieren. Daraus kann man ablesen, ob das Pferd einen reinen Tölt, einen Pass-Tölt oder einen Trab-Tölt geht. Dieser Isländer zeigt einen Trab-Tölt. 

Dabei gibt Bent den Tipp: 

„Der Reiter kann die Schwungbewegung des Pferds beeinflussen. Zuerst wird man die Bewegung des Pferdes mitmachen und dann die Bewegung im eigenen Körper verändern. So könnte man aus einem Trab-Tölt einen reinen Tölt machen, wenn das Pferd gelernt hat, sich auf die Bewegung des Menschen einzulassen.“

Bent Branderup

Wenn man am Körper des Menschen die Gangart ablesen kann, dann ist es auch wirklich die Gangart. 

Ein Pferd kann mit den Beinen Trab machen und aber im Rücken tölten oder Pass gehen, dann ist es kein Trab und der Rücken des Menschen wird auch keinen korrekten Trabschwung zeigen. 

„Ein Pferd kann zwar mit den Füßen traben, aber es ist erst eine Gangart, wenn der Rücken auch trabt…“

Bent Branderup

Deswegen ist es wichtig, dass man das Schwungbild des Pferdes am Reiter ablesen kann.

Rücken-Schwung – mit den Augen die Bewegung lesen

Also wo sitzt im Körper der Trab? Wo sitzt der Tölt? Wo sitzt der Linksgalopp, wo der Rechtsgalopp? Wie geht der Schwung hoch am Rücken bis in die Schultern? Oder blockiert der Reiter durch sein nicht vorhandenes Schwungbild den Rücken des Pferdes? Es muss der Schwung durch den Körper durchgehen.

Durch den Sitz kann man die Schwungrichtung der Vorder- und Hinterbeine beeinflussen. 

So kann man, wenn man den inneren Sitzknochen näher an die Wirbelsäule nimmt, dass innere Hinterbein dazu einladen, besser unter den Schwerpunkt zu treten und das äußere Vorderbein frei nach vorne schwingen zu lassen. Wenn man den inneren Sitzknochen weiter weg von der Wirbelsäule nimmt, dann ladet man das äußere Hinterbein mehr dazu ein unter den Schwerpunkt zu treten. 

An dieser Stelle geht Bent wieder auf die 6 wichtigen Komponenten der Akademischen Reitkunst ein: 

  • Tempo
  • Takt
  • Schwung
  • Losgelassenheit
  • Formgebung
  • Balance

Bent betont, dass der Schwung vor Takt und Losgelassenheit erfolgen muss, denn ohne Schwung ist weder ein korrekter Takt noch Losgelassenheit möglich. Daher muss zuerst immer ein korrekter Schwung ausgebildet werden, um auch einen richtigen Takt zu erlangen und das Pferd zur Losgelassenheit zu bringen. Dann kann man mit einem kleinen Schwung und kleinen Schritten oder einem großen Schwung mit großen Schritten arbeiten. 

Pluvinel schrieb bereits: „Mein Ziel ist es, das Pferd alleine durch die Hüfte zu dirigieren“ 

Antoine de Pluvinel

Das bedeutet, dass man es durch die Verschiebungen im eigenen Sitz, in alle Richtungen führen kann, ohne Einfluss auf den Kopf und Beine durch die sekundären Hilfen zu nehmen. Man kann ohne Balance im eigenen Körper keinen Hand- oder Schenkelunabhängigen Sitz erreichen. Genauso ist es beim Pferd. Ohne Balance kann es keine Losgelassenheit finden und Herr über seine Gelenke sein. 

Arbeitet man gegen die Bewegung des Pferdes, macht man nicht nur den Körper des Pferdes kaputt, sondern auch seinen eigenen. 80% der Sportreiter haben mit 32 Jahren bereits Folgeschäden durch das Reiten, aber nicht, weil sie runterfallen. 

„Wie viel Ausbildung braucht ein Pferd also um ein gutes Reitpferd zu werden? Das Hängt vom Schwierigkeitsgrad des Pferdes ab. Ist es das geborene Reitpferd, wird es nicht lange dauern. Ist es das nicht, dann braucht man die Kunst, um es zu einem guten Reitpferd zu machen. Hat man die Kunst nicht, dann wird man ein prächtiges Pferd nur mittelprächtig reiten können.“

Bent Branderup

Wenn wir statischen und physischen Sitz kombinieren könne, dann können wir die Schwungrichtungen der Beine beeinflussen. Mit dem physischen Sitz müssen wir der Rotation des Brustkorbes folgen, mit dem statischen Sitz beeinflussen wir die Schwungrichtung der Beine und reiten so unsere Seitengänge. 

Rücken-Schwung und Seitengänge

Seitengänge sind aber nicht zu verwechseln mit seitwärts im Sinne von Kreuzen der Beine. 

Bent zeigt hier, dass das Kreuzen der Beine mit der Hüfte zwar möglich ist, für Knie und Sprunggelenke ist dies jedoch Gift. 

Im akademischen Sinne ist ein Seitengang eine Verschiebung der Balancerichtung, die durch die Schwungrichtung gespiegelt wird. Alle 4 Füße folgen der Schwungrichtung.

Dreht man den eigenen Oberkörper in eine Richtung, so folgen ihm alle Gelenke. So ist der Körper aller Lebewesen konstruiert. 

Als Beispiel nennt er hier, wenn man einen Mann zum Mond schickt, dann verliert er bei seiner Rückkehr an Knochenmasse. Denn die Knochenmasse lebt von der Erdanziehungskraft und Knochen werden gestärkt durch eine korrekte Belastung. Belastet man die Knochen und Gelenke falsch, dann wachsen sie auch, aber das nennt man dann Arthrose. Daher ist es wichtig, die Gelenke richtig zu belasten.

Und genau darum ging es in den nächsten Praxiseinheiten am Nachmittag. 

Wie können die Körper der Reiter die Schwungrichtung der Pferde beeinflussen? Kann man die Gangart im Körper der Reiter ablesen? Wie reagieren die Pferde auf neue Einflussnahme? Werden die Gelenke korrekt belastet? 

Alle Pferd und Reiterpaare haben die Theorie in der Praxis gut umsetzen können und konnten das Gelernte in ihren Köpfen in ihren Körper übergehen lassen. 

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