Schenkelhilfen. Was fällt uns dazu ein? Das Pferd soll vor den Triebenden Hilfen sein? Das Pferd muss sich um den Schenkel biegen. Soll das Pferd vom Schenkel weg weichen? Der Schenkel treibt, der Schenkel verwahrt – wie sieht es mit den Schenkelhilfen tatsächlich aus?
Den heutigen Blogbeitrag kann man lesen – oder man schaut sich das Video dazu an:
Am Anfang war der Schenkel….
Wie sieht es aus mit unseren Erinnerungen an die allererste Reitstunde? Wir saßen auf dem Pferd und fragten nach vorwärts – schließlich wollten wir Bewegung. Ohne es manchmal zu wissen, versuchen wir dem Pferd durch unsere Beine „Beine“ zu machen. Wir drücken, puffen und vibrieren mit dem Schenkel – und das unausgebildete Pferd macht…im besten Fall…nichts.
Vor dem Schenkel ist die Kommunikation
Bevor wir ans Reiten denken, geht es immer um eine Etablierung einer gemeinsamen Kommunikation. Am einfachsten ist es daher immer am Boden der Tatsachen zu bleiben und sich über die Funktionsweise der Schenkelhilfen zu einigen – und das ist für Pferd und Ausbilder eine kniffelige Angelegenheit, denn die Schenkelhilfen sind einerseits sehr ähnlich – und andererseits gibt es da in der Bodenarbeit gar keinen „wirklichen“ Schenkel, sondern nur eine zeigende oder berührende Gerte.
Welche Schenkelhilfen gibt es überhaupt?
Wir unter scheiden zwischen Schenkelhilfen, die
- ..um sich herum biegen
- …von sich weg biegen
- …direkte (treibende) Schenkelhilfen
- …verwahrende Schenkelhilfen
- …rahmende Schenkelhilfen
- …versammelnde Schenkelhilfen
Die Schenkelhilfe, die um sich biegt
Im Grunde träumen wir von Leichtigkeit und Harmonie mit dem Pferd. Wenn wir eine entsprechende Formgebung der Oberlinie erarbeiten möchten, dann passiert dies freilich durch die Übertragung gewisser Kräfte aus der Hinterhand über den Rücken an die Hand des Reiters heran. Zu Beginn halten wir uns jedoch noch am Boden auf und formen das Pferd am Kappzaum in der Frontposition vor dem Pferd oder seitlich neben dem Pferd. Zunächst werden wir dem Pferd die abwärts lösende Handeinwirkung erklären. Wir arbeiten an Nachgiebigkeit und Verständnis – schließlich wollen wir eine Hergabe des Genicks und keinen Zwang – denn Zwang steht dem Verständnis immer im Weg. Sobald das Pferd die abwärts lösende Hand gut versteht, fügen wir den inneren, um sich herum biegenden Schenkel mit der zeigenden Gertenhilfe hinzu. Der innere Schenkel wird in der Position der inneren Wade eingesetzt. Die Gerte kann das Pferd berühren, die Gerte kann ein bisschen fächern oder sie kann auch zeigend eingesetzt werden – je nach Sensibilität des Pferdes. Manche Pferde sind so sensitiv, dass ein Fingerzeigen quasi ausreicht.
„Für mich persönlich ist der innere Schenkel nicht nur eine formgebende Mitteilung an das Pferd, ich erarbeite mir durch den inneren Schenkel auch Fokus und Konzentration, ich prüfe die Biegung und die Losgelassenheit, sowie das Dehnen zur Hand hin“.
Der innere, um sich herum biegende Schenkel ist auch maßgeblich an der Formgebung in allen Seitengängen beteiligt – im Travers arbeitet er eng zusammen mit der nächsten Schenkelhilfe:
Die Schenkelhilfe, die von sich weg biegt
Der äußere Schenkel wird dem Pferd mit der Gerte beigebracht, die wir nun zeigend oder berührend über den Rücken diagonal einsetzen. Wir tippen das Pferd an und möchten, dass die Hinterhand zur Seite tritt. Dabei ist die Herausforderung, dass die Biegung um den inneren Schenkel bestehen bleibt, das äußere Hinterbein nicht zu weit übertritt und das innere Hinterbein zum Ausfallen bringt. Die Formgebung soll erhalten bleiben und freilich auch die Balance. So übe ich das Kruppeherein mit jungen Pferden, wenn diese gelernt haben geduldig zu stehen und über meine Frage nachzudenken gerne im Stand. Dass dies nicht so einfach ist, können wir uns auch im Video weiter unten ansehen.
Die Schenkelhilfe, die direkt mit dem Hinterbein kommuniziert
Diese Schenkelhilfe hat ein klares Ziel – nämlich den Vorgriff der Hinterhand zu beeinflussen. Der direkte Schenkel kommuniziert das Abfussen genau im Moment, wenn das jeweilige Hinterbein den Boden verlässt. Manchmal kann es notwendig sein, dass wir das Pferd mit der Gerte zweimal kurz aufeinander antippen – wir sichern uns so entweder die Biegung – oder wir teilen dem Pferd mit: „Jetzt abfussen und die Fußungsrichtung unter die Masse beibehalten“.
Die direkte Schenkelhilfe können wir in der Bodenarbeit mit der Gerte oder aber auch mit der Stimme unterstützen.
Die Schenkelhilfe, die verwahrt
Wie der Name schon sagt – fliegt unser äußeres Hinterbein beispielsweise im Schulterherein nach außen von der Masse weg – kann es also nicht unter die Masse treten – dann brauchen wir einen verwahrenden Schenkel. Passiert uns dieses Malheur im Schulterherein würde einfach die von sich weg biegende Schenkelhilfe gerade richten – oder wir reduzieren einfach die innere Schenkelhilfe, wenn diese zu stark war.
Die Schenkelhilfe, die rahmt.
Stellen wir uns vor, das innere Hinterbein tritt nicht genügend nach vorne unter die Masse sondern zu stark seitwärts – dann könnten wir in der Standbeinphase des äußeren Hinterbeins, das innere Hinterbein zu mehr Vorgriff animieren. Diesmal aber nicht vom inneren Schenkel – denn dieser wird missinterpretiert – das Pferd steigt zu stark nach innen unter die Masse, kreuzt also fast am äußeren Hinterbein vorbei- der äußere Schenkel kommuniziert dann mit dem inneren Hinterbein.
Die Schenkelhilfen und die Schwierigkeit der Kommunikation
Ich bin, besonders was den inneren, um sich herum biegenden Schenkel anbelangt sehr penibel in der Ausbildung. Mir ist wichtig, dass mein Pferd die Frage versteht und nachdenkt. Ich möchte keine „Hauruck – Irgendwie“ Antwort – die Schenkelhilfen sind sich manchmal so ähnlich, dass eine Verwechslung leicht möglich ist. Wer viel Wert auf eine detaillierte Ausbildung mit Genauigkeit legt, der wird großen Lohn für seine Mühen erhalten – für den direkten Schenkel jedoch auch wichtig – wenn das Pferd nicht vorwärts geht, dann ist es entweder steif oder es fehlt die Gehlust – und diese fördert man beim jungen Pferd auch gerne draußen!
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