Der Schulungssattel ist schlicht, praktisch und ein wahrer Dolmetscher zwischen Reitersitz und Pferderücken. Warum es keine fünf Minuten gedauert hat, also Liebe auf den ersten Sitz war, darum geht es im heutigen Blogbeitrag. Das schöne Titelfoto ist von Céline Rieck

Vom Schulungspad zum Schulungssattel

Es ist keine zwei Jahre her, da halte ich ein Paket von Ralf Schmitt – Barock Flair in der Hand. Aufgeregt packe ich das Schulungspad aus, das Leder ist weich und ganz fein. Es ist rotbraun. Passt perfekt für Tabby. Ich denke mir noch: „Jetzt will mich der Ralf mit der Farbe ködern – keine schlechte Idee“, aber werde wenige Minuten später eines Besseren belehrt. 

Ich spüre ganz markant Schambeinknochen und Sitzbeinhöcker. Noch nie war dieses Dreieck so präsent, selten saß ich so schmal auf meiner Fuchsstute, wie an diesem Tag. Das Gefühl zwischen Reiter und Pferd – himmlisch. Ich falle weder nach vorne, noch rücklings in einen Stuhlsitz, ich werde aufgerichtet und kann der Bewegung folgen. Mein Hüftgelenk wird in jedem andren Pad sehr überstrapaziert. Werde ich sehr breit gesetzt, wird es einerseits schwer, nicht in einen Stuhlsitz zu fallen, anderseits ist es freilich schwer, den Bewegungen des Pferdes korrekt zu folgen. 

Das Schulungspad – ursprünglich als Testsattel verschickt, bezog natürlich umgehend in meinem Sattelschrank einen Fixplatz und wurde auch von meinen Schülern begeistert getestet. 

Soweit eine glückliche Reiterin in der Steiermark, aber oben in Dänemark war man noch nicht zu 100 Prozent zufrieden. Die Rede ist von Bent Branderup – ein Tüftler, der in Sattlermeister Willy Meyer einen perfekten „Komplizen“ gefunden hat. 

Der Schulungssattel – die Geschichte

Pad ist Pad und Sattel ist Sattel. Bent Branderup und Willy Meyer arbeiteten mehr als ein Jahr an der Entwicklung des Schulungssattels. Der Sattel besitzt nun im Gegensatz zum Pad einen Lederbaum mit Kopf- und Eftereisen. 

„…großflächige Sattelkissen und einen per Einschubfach anpassbaren Sitz. Die Beinlage besteht aus weichem, dünnen Leder, wie man es vom Sattelsitz der Sattelkissen gewohnt ist. Das Kopfeisen ist austauschbar und/oder individuell umformbar (Kalt-mechanisch)..“

www.sattelgefühl.de 

So liest sich die Beschreibung auf der Website von Willy Meyer. 

Der Schulungssattel – der anpassbare Sitz?

Was das Schulungspad so speziell macht, ist die Möglichkeit, die Sattelkissen, als auch die Sitzeinlage zu verändern. Am Ende der Sitzfläche lässt sich diese leicht durch einen Klettverschluss öffnen. Die Sitzfläche besteht im Original aus zwei Filzeinlagen, die im Einschubfach platziert werden können. Sowohl mit Pad, als auch mit Sattel wird eine Kiste Wolle mitgeliefert, die der Reiter individuell zwischen die Filzeinlagen oder oberhalb einer Filzeinlage platzieren kann – je nachdem, was der individuelle Sitz erfordert. 

Lipizzaner Conversano Aquileja hat einen spektakulären Galopp – im Sattel fühlt man sich absolut wohl. Fotocredit: Katharina Gerletz Fotografie

Der Schulungssattel – die Vorteile

  • Wenn eine Reiter dazu neigt, das Becken nach vorne zu kippen und somit ins Hohlkreuz zu fallen, wird einfach mehr Wolle in den vorderen Bereich unter das Schambein des Reiters gestopft. Die Balance des Beckens kann wieder hergestellt werden. 
  • Was, wenn unser Reiter zum Buckel neigt und das Becken zu stark nach hinten kippt? Nun wird mehr Wolle in den hinteren Bereich des Sattels gegeben. Beim Schulungspad war hier der Tipp von Ralf Schmitt von Barock Flair, die eigenen Sitzbeinknochen zu markieren, um so direkt unter den Gesäßknochen die Balance zu beeinflussen. 
  • Wie weiß man aber über den Abstand und die Lage der eigenen Sitzbeinknochen Bescheid? Ganz einfach – das wurde beim letzten Trainermeeting ausführlich besprochen und ausprobiert. Der biomechanisch interessierte Reiter braucht dafür nur eine kleine, ganz weihe Styropor- oder Papp-Platte, auf der die Sitzbeinhöcker gut abgebildet sind, nachdem sich der Reiter zb auf einem Tisch auf der Platte niedergelassen hat. 

Vorteil 1: Der Schulungssattel schafft Bewusstsein

Wie sitze ich eigentlich auf dem Pferd? Neige ich dazu, mein Becken eher nach vorne oder hinten zu kippen? Wie könnte ich den Sitz verbessern? 

Der Schulungssattel ist ein bisschen ein Trainer vor Ort, er platziert den Reiter korrekt; Sitzfehler werden sofort spürbar. 

Genau wenige Tage nach Eintreffen des Schulungssattels machen mir meine Bandscheiben Probleme. Ein Sturz vor über 20 Jahren hinterlässt an meinem Rücken noch heute Spuren. Dienstag vor dem Kurs mit Bent Branderup kann ich nicht mehr laufen, der Bandscheibenvorfall in der Lendenwirbelsäule strahlt in die Hüfte aus. Mittwoch werde ich infiltriert und muss daher Ruhe geben. Es ist die zweite Infiltration für meinen Rücken und ich fürchte mich bereits vor dem nächsten Ritt. Gerne verspanne ich dann nämlich komplett in der Lendenmuskulatur. 

Entspannt im Trab – auch wenn ich in der Testwoche Schwierigkeiten mit meinem Rücken hatte – besser wäre ich wohl nirgends gesessen.

Doch diesmal ist es ganz anders. Der Schulungssattel erinnert mich nicht nur, nein er „fordert“ auch eine Aktivierung meiner Bauchmuskulatur. Mein Fazit: Top. 

Ich schaffe es sogar auf Youngster Konrad zwei Tage nach der Infiltration gemütlich zur reiten und dabei zu entspannen. 

Vorteil 2: Der Schulungssattel hat Steigbügel 

Wir waren mit dem Schulungspad unterwegs – der Konrad und ich. Hinter uns ein Wohnhaus. Das Fenster wird kraftvoll aufgerissen und eine Tischdecke ausgebeutelt. Oh ja, in diesem Moment hätte ich mir wirklich sehr gerne Steigbügel gewünscht. 

Ansonsten sind die Steigbügel ein bisschen Fluch und Segen gleichzeitig. Wer lange auf Pads oder Fellsätteln ohne Bügel geritten ist, wird mir eventuell zustimmen, dass bügelloses Reiten mit entspanntem Bein den Sitz zwar ungemein schult, jedoch die Handhabe oder „Beinhabe“ mit Steigbügeln vor eine neue Herausforderung stellt. Früher hatte man den Knieschluss und die Hacken unfassbar tief. 

Absatz tief bedeutet jedoch keinesfalls einen tiefen Sitz: wer den Unterschied ausprobiert stellt rasch fest: Entspannte Fußgelenke platzieren den Reiter bewusster im Sattel, „Abwärts tief“ drückt den Reiter sogar etwas weg vom Pferd. 

Es kann also beim Umstieg vom Pad auf den Sattel ungewohnt sein, wieder mit Steigbügeln unterwegs zu sein, jedoch gibt es auch hier eine individuelle Lösung: Drei Positionen werden dem Reiter für die Steigbügel vorgeschlagen. Am Testsattel ist die Lage der Steigbügel ruckzuck und Dank Inbus Schlüssel verändert. 

Durch die Steigbügeln wird Leichttraben für kurze Sequenzen möglich, der Bügeltritt hilft ebenso bei der Schwerpunktverlagerung und nicht zuletzt ist der Steigbügel für viele Reiter ein Sicherheitsaspekt. Daher gibt es auch eine Sicherheitsaufhängung für die Steigbügel auf Wunsch. 

Vorteil 3: Der Schulungssattel macht „schlank“

Auf rundrippigen Pferden, wie den Lipizzanern wird der Reiter so platziert, dass die Hüfte geschmeidig der Bewegung des Pferdes folgen kann.

Nein, der Schulungssattel macht freilich nicht schlank. Wer ein Seminar mit Bent Branderup besucht hat, der weiß auch, dass Leichttraben nicht leichter macht und die Oberschenkel bei den meisten Reitern eine größere Auflagefläche haben als ein durchschnittlicher Englischsattel. 

Was meine ich also mit schlank? Mein Conversano Aquileja, mein Lipizzaner Nachwuchs hat einen sehr breiten Brustkorb, typischer Hang zum Barock „bewohnt“ er auch eine Diätgruppe. Im Schulungspad war ich noch immer schmäler als in so manch anderem Pad gesessen, der Schulungssattel lässt mich jedoch gefühlt erschlanken. Ich sitze „höher“ aber nicht weiter weg vom Pferd, ich sitze definitiv schmäler und kann den Bewegungen von Konrad deutlich leichter folgen. Das macht sich vor allem im Galopp – seiner Lieblingsgangart bezahlt. 

Vorteil 4: Der Schulungssattel lässt sich verändern

„Dauert nur fünf Minuten“ erklärt mir Ralf Schmitt am Telefon. Ich bin heilfroh, dass ich den Sattel nicht verändern muss und er mit dem 33-er Kopfeisen sofort auf meinen Konrad passt. Bei Viktoria Portugals Amira sieht die Sache schon anders aus. Das Kopfeisen ist zu weit, wir müssen tüfteln. Ralf hat uns am Kurs mit Bent Branderup Anfang Juli eingeschult und siehe da – die Veränderung des Sattels zwei Kammerweiten kleiner ist wirklich Ruckzuck erledigt. 

Diese Selbstständigkeit ist für mich ein riesiges Argument. Erstens weiß ich, dass ich mich jederzeit wohl an den Sattelbauer selbst – Willy Meyer, als auch an Ralf Schmitt als Vertriebspartner wenden kann. Bent wirft zweimal im Jahr sein strenges Auge auf mich und kann mir freilich auch hier auf notwendige Veränderungen am Sattel hinweisen. 

Eine Kopfeisengröße rauf oder runter? Das klappt leicht. 

Ein Bezug auf Polsterung und Kissen habe ich persönlich jetzt zwei Jahre am Schulungspad „geübt“. Wirklich keine große Sache. Meine Pferde haben mir Veränderungswünsche mitgeteilt. Wo man stopfen und füllen kann, oder sogar Wolle rausnehmen – das ist optisch ganz leicht unter dem Sattelblatt zu enthüllen. 

Vorteil 5: Der Schulungssattel versteht das Pferd

Bent Branderup hat einen perfekten Dolmetscher zwischen Reitersitz und Pferderücken entwickelt. Willy Meyer hat das Gefühl von Bent Branderup in den Sattel gepackt.

In unserer Testwoche haben sechs Pferde und ihre Reiter den Schulungssattel getestet. 

Testpferd 1 neigte gerne dazu, sich in der Bewegung zu verhalten. Die Zwanglosigkeit, die sich etwa Waldemar Seunig noch vor der Losgelassenheit beim jungen Pferd wünscht war schwer zu erreichen. Das zeigte sich auch oft am eingeklemmten Schweif. Mit dem Schulungssattel wurde die Reiterin optimal platziert, der große Rückenschwung konnte vom Becken an die Reiterhand übertragen werden. Test bestanden. Der bestellte Sattel wird nun sehnsüchtig erwartet. 

Bei Testpferd 2 rutschte der maßgeschneiderte, eigene Sattel gerne auf die Schultern nach vorne. Eine Platzierung durch einen Schweif-Riemen kam nicht in Frage, schließlich sollte die Ursache, nicht das Symptom beseitigt werden. Der Schulungssattel lag optimal, rutschte in allen drei Gangarten nicht nach vorne, das Pferd zeigte seine Zufriedenheit bereits nach wenigen Minuten unter dem Sattel. 

Testpferd 3 und 4: Beide Pferde haben Probleme den Rückenschwung korrekt über die Hinterhand nach vorne an die Reiterhand zu übertragen. Mit dem Testsattel waren taktklare und raumgreifende Tritte möglich, die Nickbewegung der Pferde war deutlich „über den Rücken zur Hand hin“. 

Testpferd 5 und 6: Zwei Jungpferde, wobei die Reiter gerade im Galopp ein sicheres Gefühl wünschten. Der Schulungssattel überzeugte sowohl, was ein sicheres Gefühl im Sattel anbelangt, wie auch in der Übertragung der Hilfengebung. 

Der Sattelbaum des Schulungssattels ist aus Leder, es gibt den Baum für flachen oder höheren Widerrist, mit mehr oder weniger Taillierung. Die Sattelkissen können bei Pferden mit höherem Widerrist mit mehr Volumen im vorderen Bereich angepasst werden. 

Vorteil 6: Der Schulungssattel versteht den Reiter

Der Schulungssattel ist ein Adapter zwischen Reiter und Pferd. 

Ich habe in den letzen Jahren viele Modelle getestet. Bent Branderup hat in den letzten Jahren ebenso viele Ideen in Punkto Sattel in die Tat umgesetzt. Ich habe aber tatsächlich das Gefühl, dass es Bent und Willy in gemeinsamer Arbeit nun gelungen ist, Bents  Sitzgefühl, seine vielen Erfahrungen aus dem Unterricht und die Informationen, die die Pferde uns mitgeben in einem Sattel zu übersetzen. 

An dieser Stelle sei gesagt: Ich schreibe in meinem Blog ausschließlich über Produkte, die ich selbst auch teste und verwende – somit meinen Schülern besten Gewissens empfehlen kann, ich bekomme keine Produkte gesponsert, ich gebe daher meine ganz persönliche Ansicht wider. Produktplatzierungen und Werbung – solche Anfragen erhalte ich häufig, lehne ich kategorisch ab!

Der Schulungssattel – mein Fazit

Ja, auch diesen Testsattel hätte ich am liebsten sofort behalten. Leider musste ich den Sattel zu Ralf retour schicken. Aber mein eigener Sattel (diesmal in dunkelbraun – die übrigen Farben sind übrigens Rotbraun, Natur, Schwarz oder Farbkombinationen) ist bereits in Produktion. 

Der Sattel vereint für mich die Vorteile des Pads (Anpassung an den Reitersitz, optimale Anpassung zwischen schmaler Reiterhüfte und breitem Brustkorb des Pferdes), der Sattel kann freilich ohne und mit Steigbügel geritten werden. 

Ich hoffe inständig, die Herren im Norden sind mit ihrer Produktpalette durch 😉 Denn mittlerweile gibt es in meinem Sattelschrank keinen Platz mehr! 

Der Schulungssattel – Viktoria Portugals Testbericht: 

Ich hatte auch das Glück den neuen Schulungssattel testen zu dürfen und ich war vom ersten Augenblick begeistert. 

Zuerst hatte ich etwas Sorge wegen der Bügel, da ich jetzt so lange ohne geritten bin und ich dann meist Probleme habe wieder mit Bügeln zu reiten. Doch bei diesem Sattel hatte man sofort das Gefühl Zuhause zu sein.

Durch die Möglichkeit, schmal am Pferd sitzen zu können, hatte ich nicht einmal ein Problem oder unsicheres Gefühl mit den Steigbügeln. 

Ich war jetzt lange mit dem Schulungspad und dem Filzsattel unterwegs, was auch immer super gepasst hat. Mit dem Sattel hatte ich aber noch besser die Möglichkeit den Schwung von Amira unter mir durchzulassen und sie war auch sofort zufrieden mit diesem Tool. 

Ich denke, dass es Bent mit diesem Sattel wirklich gelungen ist, alles Wichtige für Reiter und Pferd zu vereinen! 

Ich freue mich schon riesig, wenn ich meinen eigenen bekomme! 

Der Schulungssattel zum Weiterlesen

  • Testbericht Schulungspad – Achtung – zum damaligen Zeitpunkt hieß das Pad noch Sattel – also nicht vom Titel verwirren lassen!