…oder du kannst ein Einhorn sein. Dann sei ein Einhorn. Über diesen lustigen Spruch bin ich im letzten Jahr immer wieder gestolpert. Könnte man jetzt sagen, eine Begleiterscheinung des Einhorn Booms. Warum aber ein Einhorn sein, wenn man einfach man selbst sein kann? 

Zen und die Kraft des Loslassens

Vor zwei Wochen habe ich mir wieder eine wirklich gute Auszeit für mich gegönnt. Ich habe erfahren, warum Menschen, die Zen praktizieren in Wahrheit zu den ausgesprochenen Genießern gehören. Und wie wichtig es ist, man selbst zu sein. Aber alles der Reihe nach. 

Wie und warum ich meditiere, das habe ich ausführlich in diesem Artikel zusammen gefasst. Ich gestehe ich komme nicht so regelmässig, wie ich mir das aktuell wünschte dazu, mich auf meinen Meditations-Schemel zu setzen und einfach zu „sein“. Wenn es aber nicht klappt – immerhin: Ein ähnliches Gefühl geben mir die Pferde im Zusammensein. Sie bringen mich ganz strikt dazu im Hier und Jetzt zu sein. Mein Lipizzaner Konrad ist da mein Zen Meister schlecht hin. Er merkt tatsächlich sogar wenn meine Gedanken abschweifen und beschwert sich in indem er sein linkes Vorderbein hebt und damit in der Luft herumfuchtelt. Das tut er im Übrigen auch, wenn ich mich ablenken lasse und mitten in unserer gemeinsamen Zeit mit einem Menschen ein paar Worte wechsle. Wie kann das sein? Schließlich verbringe ich ja gerade eine gute Zeit mit ihm? 

Konrad möchte also unbedingt, dass ich die Anna bin. Die Anna, die ihr Handy weg legt. Die Anna, die nicht an die letzten Termine denkt. Wenn ich nicht gut drauf bin, dann ist das auch okay. Ich bin schließlich auch „echt“ wenn ich nicht gut drauf bin. Aber wenn wieder alles in Ordnung ist, dann habe ich tatsächlich das Gefühl, mein kluger Schimmel erkennt den Unterschied. 

Ich habe also ein paar Tage in Stille verbracht. Stille. Meditation. Gedanken lassen sich wie Wolken weiter schieben. Bewusst atmen, bewusst aufnehmen. Bewusst sein. Es war wunderbar. Und manchmal gab es vor Beginn der Meditations Sitzungen auch eine schöne Einleitung, in der unser Seminarleiter ein paar Gedanken mit uns teilte. Gedanken zum Leben. Zu Beziehungen. Zu Erinnerungen. Zum Loslassen. 

Eine Einleitung ist mir in Punkto Pferde ganz fest im Kopf geblieben:

Sei immer du selbst – dann wirst du erfolgreich! 

Ja, das klingt so einfach. Man selbst sein. Man ist doch eigentlich eh immer? Oder nicht? 

Ja wir sind. Aber sind wir auch frei von Konventionen und Erwartungen? Von Druck, der uns von außen auferlegt wird? 

Unsere Pferde erwarten, dass wir ganz bei uns sind, wenn wir mit ihnen zusammen sind. Wenn wir vielleicht auch einen gemeinsamen Inhalt erarbeiten. Nächstes Wochenende ist es soweit. Conversano Aquileja I aka Konrad und ich werden unsere erste gemeinsame Kursreise antreten. 

Gerade die Kurssituation ist so eine, in der wir nicht „wir selbst“ sein können. Manchmal scheitern wir an uns selbst – wir sind nicht konzentriert, wir sind aufgeregt und nervös, wir wollen glänzen und unser Können präsentieren. Wir spüren beinahe schon den Atem der Zuschauer in unserem Nacken. 

Ich sag mal ganz gerade heraus: Als ich mich mit Pferden selbstständig gemacht habe, ist auch mir eine Folge von Druck untergekommen. Ich war schließlich nicht mehr privat mit meinen Pferden auf einem Kurs. Ich fühlte mich unter Beobachtung. Sicher. Das ist auch Teil meines Jobs. Aber es ist schwer, dann unter Beobachtung einfach „man selbst“ zu bleiben. Ich habe mich immer wieder dabei ertappt, dass ich nicht mehr für meine Augen, sondern auch mal für die Augen des Publikums ritt. 

Wie ich aus der Falle getappt bin? 

Ich habe mir das Pferd für Kurse ausgesucht, mit dem ich tatsächlich grad ein Thema hatte.

Nächstes Wochenende werde ich Konrad mit nach Ainring zum Kurs mit Bent Branderup nehmen. Wir waren noch nie auswärts auf einem Kurs unterwegs. Konrad und ich sind grundsätzlich ein sehr gutes Team.
Wir waren aber eben noch nie ein Wochenende für uns und das soll für uns das Thema an diesen Tagen sein. Es geht mir weniger um eine perfekte Performance als um eine gute Zeit. Ich bin einfach sehr gespannt darauf zu sehen, wie unsere gemeinsame Kommunikation vor Publikum funktioniert. Ob alle Hilfen auch noch in einer fremden Halle „sitzen“ und wir trotz Anleitung von außen den Spaß an der Sache nicht verlieren. 

Wenn es nicht klappt? 

Was soll denn nicht klappen? Wenn Konrad und ich aneinander vorbei reden dann reden wir aneinander vorbei. Meine Challenge für mich: Herausfinden, wie sich Konrad in der Fremde fühlt, ob ich Zeichen von Unwohlsein oder vielleicht sogar einer Hyper-Übermotivation (wie es Konrad gerne tut) übersehe oder trotz Ablenkung von außen (auch für mich) wahrnehme und darauf korrekt reagiere.

Es kann nichts schief gehen. Außer das Heu geht aus. Aber das wird nicht passieren. 

Mit Konrad fühlt sich alles prinzipiell immer ganz leicht an. Er ist mein kleiner Strahlemann. Wesentlich schwieriger ist es dafür manchmal mit meinem roten Feuerpferd

Tabby und die Sache mit dem Loslassen

Wir hatten Leichtigkeit und es fühlte sich super an. Es fühlte sich auf dem richtigen Weg an. Wir haben manchmal dann eine Sackgasse eingeschlagen, sind mal falsch abgebogen und mal haben uns rückblickend Verletzungen auf die falsche Fährte geführt. Mit Tabby bin ich aktuell (im Oktober 2018) auf dem Weg zurück zur Leichtigkeit. Es wäre durchaus „fluffiger“ Pina zu satteln, wenn Christofer Dahlgren am 20. und 21. Oktober 2018 nach Graz kommt. Ich könnte relativ easy mit ihr an den Galoppwechseln feilen, ein bisschen mit den Schwingungen im Trab spielen – mal in Richtung Piaffe, mal in Richtung Passage. Wäre easy. Und jeden Moment würde ich genießen. Diesmal ist aber Tabby dran. Mit ihr muss ich in den Momenten sehr genau hinfühlen. Noch fühlt es sich „eckig“ an und nicht immer so „rund“. Tabby gibt sich riesige Mühe, es kann aber auch sein, dass sie sich überfordert fühlt, glaubt eine Herausforderung nicht so zu schaffen und sich dann verweigert. 

Recht hat sie. Sie darf schließlich auch sie selbst sein. Natürlich darf Tabby sagen: „Das trau ich mir nicht zu“. Und natürlich werde ich drauf einwirken und sagen: „Ich weiß ja selbst nicht immer, was der Typ aus Schweden meint, aber ich weiß, gemeinsam können wir es versuchen“. Und dann sind da die Momente, wo wir etwas gemeinsam schaffen. Die Versammlung, der Galopp – was immer es war. Ich möchte diesen Moment gerne länger haben, ausdehnen, darin baden und genießen. Und prompt fällt mir hier aus Beispiel aus der Meditation ein, wo unser Seminarleiter die Geschichte einer Biene erzählt, die mitten in den Honigtopf fällt, mitten ins Zentrum der Begierde und natürlich nicht mehr aus der süßen Falle herauskommt. Hätte sie sich doch am Rand mit weniger zufrieden gegeben. Kann es sein, dass ich manchmal zu viel am Thema Versammlung gefeilt habe? Ja. Das kann absolut sein. Kann sein, dass ich am „Rand“ zur Versammlung bereits zufrieden sein hätte können. Ja absolut. 

Tabby lässt mich so sein wie ich bin. Aber sie wird mir auch sehr deutlich sagen, was sie davon hält. Wir sind aktuell wirklich am Tüfteln und Basteln. Wir arbeiten uns mühsam nach vielen Verletzungen und einer ohnehin biomechanisch schwierigen Ausgangslage (Vorne zeheneng, O-beinig, hinten ebenso breitbeinig, drehend in den Gelenken durch eine schwankende und instabile Hüfte) zurück. Und wir fühlen uns momentan sehr wohl miteinander. Wir geben mal im Galopp zünftig Gas, wir traben auch mal über Stangen oder nehmen sie im Galopp. Wir feilen aber auch daran Hankenbiegung und Vorwärtsbewegung miteinander zu verknüpfen. Ich habe losgelassen und eingesehen, dass ich Ergebnisse, die ich vor ein paar Jahren mit Tabby erarbeitet hatte – SO nicht mehr spüren werde. Das ist auch in Ordnung. Vielleicht sind manche Sachen besser, andere schlechter geworden. Insgesamt sind wir heute anders. Aber wir sind wir und gemeinsam sind wir gut.

Reiten ist mein Beruf. Und oft ist es nicht so einfach eine Grenze zu ziehen – eine Grenze zwischen Beruf und eigener Weiterentwicklung, dem eigenen Sein. Ich habe meine Ziele – für mich und für meine Pferde. Ich habe beschlossen, dass ich mir selbst aber – trotz allem – nicht mehr untreu werden möchte. An erster Stelle steht das Ich sein – das Wir-sein. Tabby ist Tabby und ich bin ich. Wir lassen uns inspirieren und anleiten. Wir gehen an unsere Grenzen und vielleicht können wir diese verschieben. Wichtig ist jedoch: Wir bleiben uns treu und verbiegen uns nicht. 

Ich freue mich jedenfalls auf die kommenden zwei Wochenendkurse. Für Kurzentschlossene  gibt es Zuschauertickets unter folgenden Links: 

Kurs mit Bent Branderup

Kurs mit Christofer Dahlgren 

Zurück in die Stille 

Ich meditiere inmitten einer Gruppe von Menschen, die ich nicht kenne. Freilich, man ist neugierig und fragt sich: Warum sind die anderen hier? Woher kommen sie? Welchen Beruf üben sie aus? Im Grunde ist das alles aber ganz egal. Es ist egal, wer woher kommt, wer was macht und warum er gerade hier ist. Wir sind gemeinsam. Wir achten einander, wir nicken uns höflich zu und begrüßen einander wohlwollend zur Meditation. Diese Höflichkeit erlebe ich als äußerst angenehm und bereichernd. Jeder lässt jeden so sein wie er ist. 

Diese besondere Achtsamkeit und Höflichkeit möchte ich gerne in die Reithallen mitnehmen. Wenn die Kritik an der Bande immer lauter wird. Wenn Vergleiche gemacht werden, wenn man einfach nicht so sein darf, wie man ist. Ja, mancherorts ist es gut den Finger in die Wunde zu  legen und sich für Tiere einzusetzen, wenn Kritik gerechtfertigt ist. Allerdings handelt es sich bei vielen Reitern um Lernende, die gerade dabei sind etwas besser zu machen. Dieses Thema ist alles andere als still. Und je lauter die Sache wird – vor allem in den sozialen Medien – umso weniger losgelassen, durchlässig, taktvoll, in Balance, geradegerichtet und gesammelt sind wir. Spannend, wie viele Parallelen wir für das Reiten aus der Meditation ziehen können. 

Bleiben wir losgelassen bei uns selbst, dann Reiten wir Einfach 😉