Letztes Wochenende war ich in Norwegen. Nicht wirklich aber doch. Meine liebe Kollegin Celina Skogan hat beinahe vom Nordpol ausgehend einen internationalen Kurs mit Bent Branderup zum Thema Seitengänge veranstaltet. Teilnehmer aus Deutschland, Schweden, Norwegen, der Schweiz, Südafrika waren mit dabei. Ich habe das kleine Österreich mit zwei waschechten „Steirerbuam“ vertreten – Konrad und Amena haben mich in der Praxis unterstützt. 

Seitengänge – wie ein internationaler Kurs funktioniert

Celina hatte mich zum Kurs eingeladen und nachdem ich mir den ersten Kurs, den Celina im Dezember organisiert hatte angeschaut habe, saß ich damals schon ungeduldig auf der Couch und hätte am liebsten gleich mitgemacht. Eindeutiges Pro: Man sitzt bequem auf der Couch oder – wie ich das in der dazu passenden Facebook Gruppe gesehen habe am original Kurs-Stuhl – und lässt so etwas Live Atmosphäre aufkommen. Live kann man sich freilich die gesamte Übertragung ansehen – und wenn man etwas verpasst oder sich dazwischen die Beine vertreten möchte – die Aufzeichnung bleibt noch eine Zeit lang verfügbar. So kann ich, während ich diese Zeilen schreibe auch nochmal die Aufnahmen von Sonntag ansehen, die ich gar nicht live mitverfolgen konnte. 

Mit den pünktlich zugeschickten Links kann man wunderbar Bents Ausführungen folgen – und ist die Flut an geballtem Wissen zu groß, dann lässt sich die Aufzeichnung nochmal in aller Ruhe ansehen. Celina hatte auch eine ganze Menge Zeit für direkte Fragen an Bent mit eingeplant – nachdem ich selbst live Kurse mit Bent organisiere, denke ich, die Hemmschwelle komplexe Inhalte zu besprechen ist via Internet nicht so groß – die Fragen können in aller Ruhe ausformuliert und an die Moderation geschickt werden. Perfekt organisiert! 

Seitengänge – Sidemovements or Lateral Moments? 

 Celina geht gleich in Medias Res und eröffnet den Kurs mit der Diskussion rund um das letzte Buch der Akademischen Buchserie. Sollte der Titel Sidemovements oder Lateral Moments lauten? Hier greift Bent den Ball auf und erklärt den Zuschauern gleich mal den Unterschied: 

„Wir können Wörter als Ausbilder beeinflussen. Grundsätzlich sind Wörter leere Hülsen, wir können ihre Bedeutung aber beeinflussen. Wenn wir auf ängstlich unterrichten, dann müssen wir beachten, was lateral movement überhaupt bedeutet. Lateral bedeutet, das sich ein gleichseitiges Vorder- und Hinterbein in der Luft befinden – das wäre dann auf englisch eigentlich „amble“ also Pass. Biomechanisch ist es daher nicht korrekt von lateral movements zu sprechen.“

Bent Branderup

In den weiteren Theorieeinheiten wird Bent darauf eingehen, warum wir überhaupt Seitengänge machen und wofür sie letztlich gut sind. 

Seitengänge – Aller Anfang ist die Kommunikation

Warum machen wir überhaupt Seitengänge und wofür sind sie gut? Hier betont Bent Branderup die Notwendigkeit einer gemeinsamen Sprache. Wir haben ja keine natürliche Sprache zwischen Mensch und Pferd. Pferde kommunizieren in der Natur sehr selten mit Rehen und Rehe treffen sich auch nicht mal so eben auf einen Schwatz mit Wölfen. Man muss sich also immer fragen – wer spricht mit wem und warum? 

Wenn es um die Kommunikation mit dem Pferd geht, dann müssen wir eine künstliche Kommunikation zwischen Mensch und Pferd erschaffen, die beide Gesprächspartner verstehen. 

Daher benutzen wir auch Seitengänge, um dem Pferd eine Sprache – oder anders gesagt Hilfen beizubringen. Zuerst nutzen wir also die Seitengänge, um eine Kommunikation zu entwickeln. 

Seitengänge – von Anfang an alles richtig machen – oder sagen!

Kommunikation bezieht sich auch auf „richtig“ oder „falsch“. Hier betont Bent Branderup die Bedeutung einer korrekten Schulung. Es macht ja schließlich keinen Sinn, dem Pferd eine seitliche Bewegung durch Ausfallen der Hinterhand beizubringen, um diese dann später erst recht wieder zu korrigieren. Wenn das Pferd bereits eine „Meinung“ hat über eine bestimmte Hilfe, wird es schwer, die Hilfe neu beizubringen. Anders gesagt: Wenn wir einem Kind das Alphabet beibringen, dann ist es wichtig, dass jeder Buchstabe gleich bleibt. Ich kann nicht ein A auf die Tafel schreiben und Montag sagen: „Das ist ein A“. Am Dienstag schreibe ich ein „B“ auf die Tafel und sage – das ist ein A. 

Als Ausbilder unserer Pferde müssen wir uns zum Ziel setzen, die Pferde und ihre Fähigkeiten zu verbessern – wenn wir allerdings dem Pferd beibringen, einen Hinterfuß zur Dysfunktion zu bringen, also zu einer biomechanisch inkorrekten Bewegung, dann schädigen wir freilich auch das Pferd. Daher müssen wir auch verstehen, was ist ein richtiger und was ist ein falscher Seitengang. 

Als Ausbilder müssen wir freilich verstehen, wann welcher Seitengang welchem Pferd helfen kann. Seitengänge müssen auch immer individuell betrachtet werden. Jedes Pferd ist mental und vor allem physisch anders. Ein versammeltes Pferd kann mehr seitwärts gehen, ohne die Balance zu verlieren – ein junges Pferd, das gerade die Seitengänge lernt, darf die seitliche Bewegung nicht übertreiben, da es mit Sicherheit auch die Balance verlieren wird. 

Ein Pferd kann seinen Schwerpunkt in verschiedene Richtungen bewegen. Es kann seine vier Beine unterschiedlich belasten. Ist das Pferd mit dem Reiter in Balance, dann müssen die Hinterbeine genau unter den Reiter treten können. 

Jetzt spricht Bent Branderup von Beschleunigung und Entschleunigung – für die Hinterhand ist es entscheidend, ob sie an der Entschleunigung teilnehmen kann – denn wenn die Vorhand dazu gezwungen wird zu bremsen – dann geht uns die Balance und auch die Tragkraft verloren. 

Wenn Pferde bergab Pass gehen, ist dies ein typisches Zeichen, dass Pferde die Fähigkeit einer gesunden Entschleunigung auf der Hinterhand verloren haben sowie den erforderlichen Vorgriff der Hinterhand unter den Reiter. 

Der französische König, Ludwig XIII fragt seinen Lehrmeister Pluvinel: „Warum arbeiten wir diese Seitengänge“. Und Pluvinel antwortet: „Damit wir das Pferd geradebrechten können“. 

Bent Branderup

Und hier sind wir wieder bei der Interpretation der Bedeutung von Wörtern. Bent Branderup betont an dieser Stelle, was gerade richten bedeutet: Es bedeutet jeden einzelnen Körperteil so aufeinander auszurichten, dass Balance und funktionelle Bewegung möglich sind. 

Wenn die Körperteile nicht zusammen passen, dann entsteht Disharmonie und ein Verlust von Beweglichkeit. 

In seinem Vortrag führt uns Bent also immer wieder darauf zurück, was es eigentlich bedeutet, die Hinterhand zu einer bestimmten Funktion zu bringen. Kann die Hinterhand keine Last aufnehmen, dann wird das Pferd mit der Schulter tragen – und das hat eben auch weitreichende Konsequenzen für unser Pferd als Reitpferd und dessen Gesundheit. 

Seitengänge und Tragkraft

Kein Kurs ohne die Zeichnungen von Bent. Das obligatorische Flipchart ist mitdabei und nun zeichnet Bent Wirbelsäule, Rippenbogen, Hüfte und Beine ein. Wenn wir auf dem Pferd sitzen und das Pferd greift mit den Hinterbeinen genau unter diesen Punkt – dann sprechen wir von einem Ideal. Wer aber ist schon von Beginn an ideal? Seitengänge sollen dem Pferd also beibringen, die Hinterbeine unter den Schwerpunkt zu bringen. 

Im Schulterherein sprechen wir den inneren Hinterfuß an – das ist aber nur die Hälfte der Geschichte. Denn das Pferd kann natürlich auch auf die äußere Schulter fallen. Die äußere Schulter wird in ihrer Leichtigkeit nicht nur beeinflusst vom Vorgriff des inneren Hinterbeins. Ein wesentlicher Mitspieler ist das äußere Hinterbein – denn wir müssen das Gewicht zum tragenden äußeren Hinterfuß bringen, der ganze Arbeit leisten muss, wenn das innere Hinterbein in der Luft nach vorne greift. 

Ein häufiger Fehler ist jedoch, dass das äußere Hinterbein ausfällt, das Pferd also anstelle von Schulterherein ein Kruppeheraus durchführt. Wenn das äußere Hinterbein ausfällt, dann bekommen wir ein Schulterheraus. 

Woran man das erkennt? Von vorne betrachtet erscheint die äußere Schulter, respektive das äußere Buggelenk tiefer. 


„Was wir Biegung nennen, ist in der Realität eine Rotation des Brustkorbes, wenn das Pferd aber schwer ist in der Schulter, dann müssen die Schultermuskeln das Pferd tragen. Die Konsequenz ist, dass Schulterblatt und Oberarm an den Brustkorb gepresst werden. Die Schultern werden steif und gebunden, der natürliche Schwung der Wirbelsäule wird gehemmt. 

Wer hat die Schwingung der Wirbelsäule eigentlich geprägt? In der Literatur führt kein Weg vorbei an Friedrich von Krane, der 1864 über die dreidimensionale Schwingung der Wirbelsäule publiziert. Wenn die Vordergliedmaßen an die thorakale Muskelschlinge gepresst werden, dann wird Schwung reduziert.“ 

Bent Branderup

Seitengänge aus der Hüfte geschüttelt

Die Tätigkeit der Hüfte ist an die Tätigkeit des Brustkorbs gebunden – beide bedingen sich gegenseitig. Ein Vorwärts, das aus der Hüfte kommt beeinflusst somit auch eine positive Schwingung des Brustkorbes. 

Ein korrektes Schulterherein ist also bedingt durch die Lastaufnahme des äußeren Hinterbeins, im Kruppeherein gilt die Aufmerksamkeit dem inneren Hinterbein und der Frage, wie dieses die Last aufnimmt. Im Kruppeherein könnte es allerdings auch ein doppeltes Problem geben – wenn der Hinterfuß weder nach vorne schwingt, noch dann die Last aufnimmt. 

Und das haben Hinterbeine so an sich – das eine tritt breit, das nächste schmal – es gibt unzählige Möglichkeiten und eben deswegen ist es so schwer nach dem Lehrbuch zu arbeiten – denn es gibt nur ein Pferd im Lehrbuch und das unterscheidet sich doch oft elementar von dem Pferd, das bei uns im Stall steht. 

„Daher versteht man, warum Schulterherein die Basis für ein Kruppeherein ist und umgekehrt. Theoretisch starten wir die Ausbildung vom Vorwärts des inneren Hinterfußes. Wenn ein Pferd dann aber mit der Hinterhand ausfällt, dann wird es nicht verstehen, was es soll“

Perfekt vorbereitet sind verschiedene Beispielbilder über die einzelnen Seitengänge. Celina und ihr Team haben ganze Arbeit geleistet. 

Seitengänge in der Praxis 

Ich bin um 13:15 Uhr dann dran mit meinen beiden Lipizzanern Conversano Aquileja und Maestoso Amena. Mit Konrad arbeiten wir in der Frontposition sowie in der Handarbeit von innen geführt. Konrad nimmt mir einiges vorweg, er ist mir oft zwei Schritte voraus und vergisst dann auf die so wichtige Basis. Durch die Wechsel der Positionen gelingt es mir, die Konzentration und Aufmerksamkeit zu behalten. 

Ein sehr guter Tipp ist bei Konrad für die Leichtigkeit der äußeren Schulter an ein ganz kleines bisschen Krupperaus zu denken, dabei aber achtsam das äußere Hinterbein zu observieren bezüglich der korrekten Lastaufnahme. Dann wechselt meine Gerte in die Position des indirekten äußeren Zügels und ich füge auch noch die Arbeit mit den Paraden hinzu, pariere dann etwas aufwärts wenn das äußere Vorderbein abfusst. Die Sache klappt sehr gut. Ich nehme mir auch noch den Hinweis mit, immer wieder auf das vorwärts der Hinterfüße zu achten. Wieder einmal denke ich mir – ein Leben reicht niemals aus, um alles zu lernen und die Woche hat auch zu wenige Wochentage, um alle Stundenpläne umzusetzen – die freilich nicht auf Kosten der gemeinsamen Genusszeit gehen dürfen. 

Mit Amena prüfe ich auch Front – Handarbeits- und Longenposition. Amena ist wie immer einfach nur brav. Mein kleiner grauer Streber, der immer alles versteht und richtig macht. Ich lasse mich trotzdem nicht zu einem Vergleich meiner Pferde hinreißen. Vergleiche tun nicht gut. 

Alle Reiter hatten sich vorab vorgestellt – auch ich mit dem Amena:

Zum Schluss sei aber ein Vergleich doch noch erlaubt:

Ein Kurs mit Bent Live oder Online. Ich bin wie gesagt in der Früh zu Hause am PC eingestiegen und habe mir die Theorie angeschaut und die ersten Teilnehmer – dann habe ich natürlich ein bisschen Inhalt verpasst, als ich in den Stall gefahren bin und meine Pferde geputzt habe (bei Schimmeln dauert es tendenziell länger, wenn es taut – Celina hat es da mit dem Schnee sicher noch einfacher). Die verpasste Zeit konnte ich wunderbar nachholen und nachsehen. Da ich ein paar organisatorische Dinge in eigener Sache bewältigen musste, konnte ich an einem Abendmeeting der aktiven Teilnehmer online nicht teilhaben. Das ist der einzige Wermutstropfen. Ansonsten muss ich zu meiner Überraschung sagen. Eine Kursatmosphäre ist auch online möglich. Man hatte zwar keine vielen Gesichter, die man gesehen hat, aber ich hab trotzdem gespürt, dass die Zuschauer wohlwollend und unterstützend mit dabei waren! 

International mitmachen 

  • Ist mein Englisch gut genug? Hör doch mal rein beim Podcast mit Bent zu den Alten Meistern.
  • Seminar Übergänge international und weitere geplante Seminare von Celina findest du unter folgendem Link.
  • Online Kurs Bodenarbeit