4 Tage, über 100 Pferdebegeisterte, ein Brainpool zum Thema Schulschritt und ein packender Vortrag über equine Zahngesundheit, Diskussionen, Spaß und richtig gutes Essen – das war die Sommerakademie 2014.

Wenn einer eine Reise tut…

plakat…dann tut er sie nicht alleine. Vergangenen Mittwoch brachen wir zu sechst (vier Damen aus Graz und zwei aus Salzburg) auf nach Dänemark. Nach einer langen Anreise (Start in Graz um 03:00 Uhr), etlichen Umwegen (gesucht wird eine grüne Wiese, eine Allee und eine übersichtliche Zufahrt „ganz in der Nähe von Idestrupp“) kamen wir pünktlich wie die Feuerwehr zur Öffentlichen Abendarbeit in Lindegaard.

Bent Branderup und Kathrin Tannous präsentieren hier die Arbeit mit ihren Pferden. Vom jungen Frederiksborger Indus (Kathrins Nachwuchspferd) bis hin zu Routinier und Herzensbrecher Hugin gab es viel zu sehen. Bent kommentiere zwischen oder während der Ritte mit, selbstverständlich konnten auch Fragen gestellt werden.

Der Abend klang gemütlich bei Pizza und Wein aus.

Brainpool: Schulschritt

Donnerstag konnten wir erneut bei Bents und Kathrins Training zusehen. Mich hat vor allem die körperliche Entwicklung der Pferde sehr beeindruckt. Und: Nobody is perfect. So erzählte uns Bent auch ganz genau, mit welchen Herausforderungen er bei der Ausbildung seiner Pferde zurecht kommen musste. Breitbeiniges Fußen, Verlust der Balance bis hin zum Katzenbuckel in der Schulparade – gerade durch diese kniffligen Aufgaben konnten wir uns durch Bents Erfahrungsschatz ebenso wieder bereichern.

Am Nachmittag wurde „gebrainpoolt“. Diesmal ging es, wie im Vorjahr um den Schulschritt. Der Schulschritt ist in vielen alten Stichen und Gemälden abgebildet und wirkt – auf den ersten Blick wie eine Piaffe oder versammelter Trab. Allerdings handelt es sich bei diesen Bildern um einen zweitacktigen Schritt mit diagonaler Beinfolge mit Schritt-Rückenschwung. Bent Branderup bringt die Herausforderung für das Pferd dabei in seinem Buch „Akademische Reitkunst“ auf den Punkt:

„Die größte Schwierigkeit für das Pferd besteht darin, in der Ruhe des Schritts die Balance auf dem diagonalen Beinpaar am Boden zu halten. Dies ist eine sehr gute Vorbereitung auf die Piaffe, bei der es dem Pferd wesentlich leichter fallen wird, sich auszubalancieren, weil es nicht so lange auf dem diagonalen Beinpaar stehen muss“.

In weitere Folge und mit gesteigerter Balance auf dem diagonalen Beinpaar, lässt sich auch die Entwicklung der Passage fördern.

Die Herausforderung für den Brainpool der Ritterschaft: Die alten Meister beschreiben den Schulschritt relativ vage – oder anders gesagt – beschrieben wird das Endergebnis, nicht aber der Weg zum Schulschritt.

In einer gemeinsamen Runde wurden daher viele Beispiele aus der Arbeit mit dem Schulschritt präsentiert. Das Fazit: Eine zu starke Konzentration auf das Diagonalisieren der Beinpaare kann dazu führen, das Pferd zu stark auf die Schulter zu bringen. Daher ist es ratsam die Versammlung im viertaktigen Schritt zu beginnen. Auch über die Arbeit mit Energie wurde diskutiert. Hier ist der Reiter aufgefordert nach der Versammlung zu überprüfen, ob das Pferd mental und physisch wieder entspannen kann. Einige Reiter konnten außerdem berichten, durch die Arbeit mit dem Schulschritt besser zu fühlen, was im Pferd bzw. in der Biomechanik vorgeht.

Wichtigstes Fazit: In der gesamten Ausbildung – egal ob Schulschritt oder Basisarbeit – wer sich zu sehr auf die Theorie versteift, übersieht vielleicht in der Praxis ein wichtiges Detail. Schließlich sind Pferde eigenständige Wesen und kein Pferd verhält sich wie die Theorie im Buch.

Auf den Zahn gefühlt…

gebissFreitag Nachmittag stand dann ein besonders spannender Vortrag auf dem Programm. Torbjörn Lundström, einer der führenden Zahnspezialisten für Pferde (übrigens auch in der Humanmedizin als Zahnarzt und Kieferchirurg tätig) ließ uns fast drei Stunden lang an seinem Wissen in einem packenden Vortrag teilhaben und stand dann noch den ganzen Abend für Fragen und Diskussionen zur Verfügung. Von den Mythen der equinen Zahnheilkunde (Pferdezähne wachsen eben NICHT ein Leben lang) bis hin zu den Folgen des Zahnabschleifens (wer die Zähne des Pferdes schleift, raubt Lebensjahre, Zahnspitzen sind 84 Tage nach dem Schleifen wieder spürbar) bis hin zu mysteriösen Narben auf der Zunge (verursacht durch Parasitenbefall) – Torbjörn Lundström „bewaffnete“ uns quasi mit vielen Fragen für unsere heimischen Tierärzte beim nächsten Zahncheck. Für den Reiter sei es seiner Meinung nach unerlässlich auch hier – nicht nur wie in der Reitkunst – immer zu reflektieren und ebenso nachzufragen, warum, welche Behandlung beim Pferd gerade notwendig ist. Hier bekamen einen wichtigen Merksatz von Lundström mit:

„Lasse dein Pferd niemals behandeln, ohne dir die Methode und Gründe erklären zu lassen!“

Spannend waren natürlich auch die Ergebnisse aus der Forschung: So ist der Unterschied bezüglich Verletzungen im Maul zwischen gerittenen Pferden und ungerittenen Pferden rund 50%. 70% der Erkrankungen des Pferdemauls stehen im Zusammenhang mit dem Gebrauch des Pferdes (Arbeitspferd, Sportpferd).

Hier entfachte natürlich eine Diskussion bezüglich gebissloser Reitkunst oder Reitkunst mit Gebiss. Lundström warnte beim Reiten mit oder ohne Gebiss vor der Quantität des Drucks, der auf Zunge oder Nasenbein ausgeübt wird. Egal welche Ausrüstung, wer permanent „dran“ ist, reitet zu Lasten der Gesundheit des Pferdes. Hier ergänzte Bent um das Wissen der alten Meister:

„Stop the aid, as soon as the horse reacts“!

Torbjörn Lundström plädierte in seinem Schlusswort an die Reiter, das Wohlbefinden der Pferde immer im Auge zu behalten, denn:

„The horse comes first!“

Eine Reise geht zu Ende…

Überreichung des Gertenknaufs

Überreichung des Gertenknaufs

Am Samstag stand noch der „Round Table“ der Ritterschaft am Programm. Hier durfte ich mich aufgrund meines Updates als Squire in das Buch der Ritterschaft eintragen und bekam den silbernen Gertenknauf. Meine liebe Freundin Silke Linhart erhielt für ihre bestandene Piaffeprüfung ihren ersten Goldring für den Gertenknauf. Gratulation an Silke und Lurko!

Schade, dass die Sommerakademie auch heuer viel zu rasch vorbei ging. Ich habe viel aus den Gesprächen mit allen Reitern mitnehmen können und mich sehr über den lebendigen Austausch unter den „Pferdesüchtlern“ gefreut und mir viele Anregungen, vor allem für die Arbeit mit Tabby mitnehmen können.

Besondere Vorfreude herrscht nun auch auf die letzten beiden Kurse mit Christofer Dahlgren und Jossy Reynvoet – denn das ist das schöne an der Ritterschaft: hier macht keiner ein Geheimnis aus der Reitkunst – jeder lässt jeden sehr gerne und offen an seinem Wissen und Erfahrungsschatz teilhaben.

Teilen wir also unser Wissen – dann Reiten wir Einfach 🙂

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PS: Und zum Abschluss noch ein kleiner Film von Bianca Grön über die heurige Sommerakademie: