Spaßgesellschaft, diesen Ausdruck hat doch jeder schon mal gehört. Wir leben in einer Zeit, in der wir nicht reiten müssen. Wir dürfen. Und jene Pferde, die wir als Freunde halten, müssen weder in den Krieg ziehen, noch Äcker pflügen oder sonstige schwere Arbeiten leisten. Wir haben hier eigentlich einen ziemlichen Luxus. Warum macht der dann nicht immer Spaß?

Vor einiger Zeit habe ich einen Artikel über den magischen Knopf beim Reiten geschrieben. Den gibt es kurz gesagt nämlich nicht.

Wer etwas Punkt für Punkt innerhalb von wenigen Stunden zusammen setzen will, der ist bei Ikea sicher glücklicher, als auf dem Rücken eines Pferdes. Reiten nach dem Baukastenprinzip gibt es nicht. Wir sind Individuen, das Pferd auch.
Jeder bringt körperliche und geistige Stärken, aber auch Schwächen mit. Wie ehrlich sind wir hier in Punkto unserer Schwächen zu uns selbst? Und wenn`s keinen Spaß mehr macht – woran liegt das wohl?

Der Start ins neue Jahr ist immer ein guter Zeitpunkt, um ein neues Kapitel zu schreiben.

Das Zusammensein mit dem Pferd, Reiten, die Erarbeitung von Zielen macht weder Reiter noch Pferd Spaß? Ursachenforschung und kleine Projekte sind der erste Schritt zur Besserung:

  1. Projekt Schöner Wohnen. Ja, das gilt vor allem auch für Pferde. Und ja, zu wenig Auslauf, zu geringe Möglichkeit für soziale Kontakte, mangelnde Futtermenge und –qualität sorgen nicht für gute Laune. Wie oft steht hier die eigene menschliche Bequemlichkeit an erster Stelle? Es ist nicht DIE sensationelle Neuigkeit, aber scheinbar vielen Pferdehaltern noch immer nicht bewusst, wie sehr sie die Qualität des Zusammenseins mit ihren Pferden durch die Optimierung der Haltungsbedingungen verbessern können. Eine liebe Schülerin von mir kann ihr Pferd aufgrund der weiten Anfahrtszeit nicht täglich sehen, dafür hat ihr Pferd aber täglich das, was es als Pferd tatsächlich braucht. Und obwohl hier nicht täglich geübt werden kann, schütteln die zwei die Erfolge nur so aus dem Ärmel.
  2. Projekt: Mehr Denken. Womit wir wieder beim Visualisieren wären. Wie heißt es so schön? In der Reitkunst geht es darum nach und nach durch das Erlernen der einzelnen Hilfen mehr Werkzeuge zur Verfügung zu haben. Die eine Seite ist die Technik. Die andere Seite ist unser Geist. Wir erinnern uns:

    „Zwei Geister müssen wollen, was zwei Körper können“ (Bent Branderup).

    Ja das Wollen. Vom Wollen haben wir oftmals genug. Aber wissen wir überhaupt was wir wollen? Und haben wir davon nur eine vage Vorstellung oder ein sehr detailliertes Bild? Denken wir über künftige Handlungen und Bewegungsabläufe nach. Graue Flecken im Bild? Liegt vielleicht daran, dass wir noch kein Bild dazu haben. Wie kann man eine korrekte Rotation des Brustkorbs visualisieren? Knifflige Frage – vielleicht ist es aber noch kniffliger über einen Halt aus einer seitlichen Führposition nachzudenken. Schwarze oder graue Flecken zeigen uns, wo wir selbst Nachholbedarf haben.

  3. Projekt: Mehr Wissen: Wissen aneignen, wo immer es geht. Um unsere schwarzen Flecken zu visualisieren hilft es am besten sich tatsächlich mit der Materie auseinander zu setzen. Lesen ist tatsächliches Kopfkino. Und heizt die eigene Blickschulung ganz von innen an.
  4. Projekt Geduld. Ein Projekt für jeden Tag 😉
  5. Projekt: Sich Freuen. Ja wirklich. Wie oft freuen wir uns ehrlich über Fortschritte und wenn sie noch so klein sind? Wir sind ständig dran zu betonen und zu formulieren, was gerade nicht klappt und warum Fehler passiert sind. Einerseits geht es darum, unser Pferd durch echte Freude zu motivieren. Andererseits tut es uns selbst auch mal gut, auf die guten Dinge zu fokussieren. Und die passieren. Auch wenn wir sie vor lauter Selbstverständlichkeit nicht mehr sehen. Worüber ich mich neulich am Meisten gefreut habe? Über eine Tabby, die auf der Koppel angaloppiert kam, weil sie unternehmungslustig war.
    Eine kleine Übung für das tägliche Leben: Am Alltag die positiven Dinge öfter mal aussprechen.
  6. Projekt Vorbilder: Müssen’s immer reiterliche Vorbilder sein? Sicherlich lernen wir durch die Alten Meister. Sicherlich brauchen wir Vorbilder, die uns beim Erreichen unserer Ziele direkt oder indirekt unterstützen. Aber manchmal kann es auch helfen, Vorbilder an ganz anderen Ecken zu sehen. Ich erinnere mich gut an Theorieseminare in denen Bent Branderup Kung Fu Panda im Sinne der Pädagogik zitiert hat. So gesehen – wir finden überall Inspiration – auch zur Freude!
  7. Projekt Motivation: Wer sich nicht selbst freuen kann, der wird sich schwer tun, sich über die Fähigkeiten der Pferde zu freuen. Pferde lassen sich gerne motivieren, wir müssen uns in erster Linie klar sein, WAS wir loben und WIE wir das tun. Ich bin persönlich ein großer Freund von positiver Bestärkung. Wenn wir unser Pferd loben, dann sollten wir uns aber nicht nur Gedanken über die Ausführung einer Übung oder Lektion machen. Lernen wir unsere Pferde zu lesen. Wer mehr über Körpersprache weiß und gelernt hat den Ausdruck seines Pferdes zu deuten ist auch beim Aufbau der Anforderungen klar im Vorteil.
  8. Projekt: Bekanntschaft mit dem Pferd. Ja, auch wenn wir manchmal bereits jahrelang mit unserem Pferd zusammen sind hört die Beziehungsarbeit nie auf. Auf der zwischenmenschlichen Eben werden wir ja auch immer wieder überrascht durch Handlungen oder Äußerungen gerade von Menschen, die uns sehr nahe stehen. Warum denn nicht auch beim Pferd? Ein langer Zeitraum sagt nichts darüber aus, wie gut man sich tatsächlich kennt. So habe ich beispielsweise durch das Projekt „Schöner Wohnen“ eine völlig andere Tabby kennen gelernt. Eine, die im Übrigen motivierter und kommunikativer geworden ist.
  9. Das Nix-Projekt. Das krasse Gegenteil von viele Punkte auf der Liste beachten? Keinen beachten. Manchmal muss man einfach loslassen. Manchmal hilft es, sämtliche Ziele über Bord zu werden und nach dem Motto: „Es geht um nichts“ in den Tag mit dem Pferd zu starten. Wer immer etwas will und fordert landet rasch im ÜBERfordern. Eine Sache, die den menschlichen Alltag auch durchaus sehr bereichern kann: Nämlich einfach mal Nichts zu wollen. Wie ich mir das immer wieder in Erinnerung rufe kannst du hier nachlesen. Als Reiter sind wir dazu verpflichtet, für das Pferd eine Umgebung zu schaffen in der es sich wohl fühlt und gerne lernen kann. Diese Verpflichtung betrifft aber uns auch.

Achten wir auf uns, dann werden Spaß und Freude echt 😉