In der Mode ist der Stilmix oftmals ein Hit, aber trifft das auch beim Reiten zu? Immer wieder stolpere ich im direkten Gespräch, in Foren bzw. Internetdiskussionen auf folgenden Satz: „Ich möchte mir mit meinem Pferd einfach nur das Beste aus der Ausbildungsmethode xyz rauspicken“. Ein Satz der mich immer wieder mal zum Nachdenken angeregt hat.
Darf`s ein bisserl mehr sein?
„Ich pick mir mal das Beste raus“ hat für mich immer den Beigeschmack von:
Crème brûlée, ja bitte! Gesundes Grünzeug? Nein danke.
Vielleicht fußt dieser erste Gedanke ja streng gesehen auf meinem eigenen reiterlichen Werdegang. Aus einer Zeit, als ich es mir möglichst leicht machen wollte. So ritt ich quasi konzeptlos durch die Gegend, mal eine Abzweigung da, mal eine dort. Hauptsache, möglichst einfach zum Ziel.
Ist die Akademische Reitkunst beispielsweise eine Ansammlung des „Besten“? Grundsätzlich orientiert sich die Akademische Reitkunst ja an den Lehren der Alten Meister – wie beispielsweise Steinbrecht, Guérinière, Pluvinel oder Newcastle. Letzterer wird ja auch als der Erfinder des Schlaufzügels bezeichnet. Dass die Akademische Reitkunst den Einsatz von Hilfszügel und vor allem Schlaufzügel ablehnt, steht außer Frage.
Die Frage ist – wie „pedantisch“ oder „augenzwinkernd“ sollte man in der Ausbildung seines Pferdes sein. Eines meiner Lieblingszitate von Bent Branderup bezüglich der Pferdeausbildung lautet:
„Die Leute wissen eigentlich nicht, was sie wollen, aber sie wollen es jetzt“.
Wieder ein Blick in meine eigene Vergangenheit – wieder einmal kalt erwischt. Aber zum Glück habe ich dazu gelernt und tue es mit Freude weiterhin!
Ich denke, man kann sich in der Ausbildung seines Pferdes sehr wohl Anregungen und Ideen abholen, aber am Anfang muss ein klarer Weg stehen, ein klares Ziel, das man vor Augen hat und auch konsequent verfolgt.
Zwei lizensierte Bent Branderup Trainer – Jossy Reynvoet, der im April und wieder im Oktober zu Gast sein wird und Christofer Dahlgren, den wir im August in Graz erwarten, kombinieren Horsemanship mit Akademischer Reitkunst. Für alle, die partnerschaftlich mit ihrem Pferd arbeiten wollen, eine logische Konsequenz. Mit dem „Jungspund“ wird man ja am Anfang, bevor die an Biegung und Stellung feilende Bodenarbeit am Plan steht vor allem an der Beziehung, sowie an der Kommunikation durch Körpersprache arbeiten müssen.
Zunächst das Ziel, dann also der Weg.
Was, wenn ich mich in der Ausbildung mit meinem Pferd fühle wie Sisyphos? Geduld ist vor allem in der Reiterei eine Tugend. Kritisch hinterfragt: Vielleicht liegt es ja auch nicht am Ausbildungskonzept, sondern am Mensch dahinter, wenn Fortschritte ausbleiben? Vielleicht arbeiten wir an Zielen, die unserem Pferd nicht unbedingt (jetzt sofort) möglich sind?
Und vielleicht bringen wir nicht immer die so notwendige Geduld auf, mit kleinen Schritten am großen Ziel zu arbeiten. Eine geschulte Parade klappt schließlich auch nicht von Heute auf Morgen.
ICH pick mir das Beste raus – aber ist dieses „Beste“ auch gut genug für mein Pferd?
In einer Welt der Kommunikationsgesellschaft, wo täglich tausende Videos in sozialen Foren und Netzwerken gepostet werden, ist es leicht sich ein Bild zu machen. Aber habe ich mir dann auch wirklich ein umfassendes Bild gemacht?
Ein Bild sagt mehr als tausend Worte – aber umgekehrt wären manchmal tausend Worte notwendig, um ein Bild richtig interpretieren zu können. Was wir sehen ist eine Bewegung, Ausrüstungsgegenstände und einen Reiter, bzw., jemand der mit seinem Pferd arbeitet. Beispiel Zaum: Durch die Ausrüstung schließen viele Interpreten gerne auf das Handwerkszeug – ohne dazu passendes Hintergrundwissen ist das aber auch oft schwer. Auch über die Akademische Reitkunst habe ich Interpretationen gehört wie: „…die knallen jungen Pferden sofort eine Kandare rein“.
Nein das stimmt nicht. Wer das Konzept der Akademischen Reitkunst kennt, weiß, dass mit einem jungen Pferd lange und behutsam vom Boden aus gearbeitet wird. Auf blanke Kandare wird erst dann geritten, wenn die Primärhilfe – also der Sitz – Reiter und Pferd geläufig ist. Und sicherlich wird in der Akademischen Reitkunst nicht von „vorne“ nach „hinten“ gearbeitet. Die Reiterhand gehört zu den Sekundarhilfen.
Ein Bild kann uns also nicht sagen, ob ein Ausbildungskonzept das Beste für das Pferd ist. Selbst ausprobieren – und das am besten mit fachlich, kompetenter Unterstützung ist die Devise. Manchmal kann es aber passieren, dass sich das Pferd mit dem getesteten „Besten“ sehr wohl fühlt – der Reiter aber nicht mitkann.
Zu altbewährtem zurückkehren? Neues wagen? Einen Weg wagen, der ursprünglich nicht geplant war?
Und wenn wir aneinander vorbeireden?
Bildlich gesprochen? Wer schon einmal im Ausland war und die dortige Muttersprache schlecht beherrscht, weiß dass man dann gerne dazu neigt, seinen Worten mit Händen, Füßen, Grimassen und ähnlichem Nachdruck zu verleihen. Beim Pferd wollen wir flüstern, aber versteht es uns nicht gleich werden wir auch schon mal laut, oder schmeißen gleich die berüchtigte Flinte ins Korn. Ein Schuldiger wird schnell gefunden – „dieses Ausbildungskonzept war dann nichts für mein Pferd“.
Nun, vielleicht konnten wir es lediglich nicht gut genug „übersetzen“.
Der Fehler – das ist die grausame Wahrheit – sitzt leider immer im Sattel.
Fangen wir also damit an, zu wissen, was wir wollen, dann reiten wir einfach 😉
Du sprichst mir aus der Seele, vielen dank für diesen Artikel!
Ich denke, bevor man sich ein Urteil über eine bestimmte Lehre machen kann, muss man sie erst einmal stringend durchziehen, um überhaupt beurteilen zu können. Sich von vorneherein nur „das Beste“ herauszupicken, sprich: das, was in die eigenen Werte und Normen hineinpasst, verhindert, dass man sich weiterentwickelt. Kritisch zu hinterfragen ist, denke ich, immer wichtig, aber wer sich nicht auf eine Methode einlassen kann, um sie in der Ganzheit zu erfahren, nimmt sich selbst die Chance, neue Erfahrungen zu machen, seine Meinung ggf. zu ändern und auch, zu lernen. 🙂
Liebe Grüße
Marina
Liebe Marina,
vielen Dank für dein Feedback 🙂
LG Anna
PS: Ich glaube eine gute Basis (vor allem für Kinder) macht viel aus. Siehe: http://meinkindwillreiten.de
Worauf genau möchtest du hinaus? Das kommt bei mir nicht ganz an. VG! Nadja
Hallo Nadja,
Danke für dein Feedback.
Worauf ich mit meinen Gedanken hinaus möchte noch einmal zusammengefasst:
1. Ich habe oft erlebt, dass viele Menschen von Ausbildungskonzept zu Ausbildungskonzept, von Trainer zu Trainer wechseln, auf der der Suche nach Etwas, das sie selbst noch gar nicht genau definieren können. Hier geht es mir darum, dass man zuerst wissen sollte, welchen Weg man gern mit seinem Pferd einschlagen möchte, welche Ziele man erreichen möchte, dann findet man eher, ohne viele Umwege seinen Weg und Ausbilder.
2. Ausbildung kann immer nur ganzheitlich betrachtet werden. Beispielsweise gibt es in der Akademischen Reitkunst verschiedene Hilfen: Primärhilfe ist der Sitz, Sekundärhilfen sind Hand, Bein, Gerte, Stimme usw. Reiten sollte meiner Meinung nach immer ganzheitlich betrachtet werden. Wenn ich beispielsweise ständig nur die Verbesserungen an meinem Pferd im Fokus habe, aber nicht gewillt bin an meiner eigenen Hilfengebung, beispielsweise dem Sitz zu arbeiten, kommt man auch nicht weiter.
3. Der Blick über den Tellerrand ist gut – ein Blick kann manchmal aber auch sehr dürftig sein – um sich wirklich ein Bild von Ausbildungskonzepten zu machen, wird man nicht daran vorbei kommen, sich auch ein bisserl mit der Theorie zu befassen. Ich habe auf deiner Seite gesehen, dass du dich mit Horsemanship beschäftigst: Auch hier gibt es ja viele Ausbilder und Konzepte. Ich schätze, du stimmst mir zu, dass es vermutlich nicht ratsam ist, beispielsweise einfach loszulegen, nachdem man sich ein paar Youtube Videos von Ausbildern angesehen hat, ohne zu wissen, was dahinter steckt. Auch hier gibt es ja Bausteine in der Ausbildung – man kann sich aber auch hier nicht wahllos ein paar Übungen rauspicken?
4. Ich habe immer wieder Leute erlebt, die sich ein Fast-Food-Reitprogramm wünschen. So schnell lässt sich aber beispielsweise das „Mc Piaffe“ Menü nicht bestellen. Es hilft also nichts, sich einen Spitzentrainer zu holen, um sich das Beste – in diesem Fall „Piaffe“ zu bestellen. Ohne gefestigte Grundlagenausbildung kann man sich einzelne Bausteine nicht einfach so leicht wo rauspicken.
LG Anna 🙂
Hallo Anna, danke für deine Erläuterung! Ich denke auch, dass es wichtig ist, zu wissen, wohin die Reise gehen soll und auch mal dran zu bleiben, wenn es schwieriger wird und sich durchzubeißen. Ich glaube, dass das Horsemanship als Ganzes deutlich homogener ist als es akademisches Reiten und FN oder Schule der Légèreté sind. Nahezu jede Strömung im HS geht auf die Dorrance Brüder zurück, und die Interpretationen sind sehr begrenzt. Von daher schaue ich gerade im HS-Bereich sehr gerne bei verschiedenen Trainern herum und übernehme für mich, was ich schlüssig finde. Um ein Beispiel zu geben: Parelli fokussiert auf die sogenannten 7 Spiele, Buck Brannaman auf „feel“. Das beides in Kombination ist toll, aber Spiele ohne „feel“ sind Mechanik. Mir hat die Kombination da sehr geholfen (und meinem Horizont auch :)). Auf der anderen Seite kann ich es aber auch total nachvollziehen, dass man nicht die Sitzhilfe nach AR ausbilden kann, und die Zügelhilfe dann nach PK schult. Das sind geschlossene Systeme, die in Teilen anders vorgehen – da wäre die Pickvariante sicher nicht ratsam. VG!
Hallo Anna,
da sprichst Du wahre Worte.
Mich hat diese Aussage schon immer gestört, denn nach meiner Erfahrung geht man dann noch nicht mal einen Weg richtig. Das ist dann mehr wie „alles irgendwie, aber nichts richtig“.
Ebenso ist die Beurteilung (bzw. Aburteilung) einer Methode ohne Inaugenscheinnahme des Ursprungs, also des Urhebers z. B. einfach nicht aussagefähig. Vieles braucht Erklärung und selbst wenn man schon länger in einem System unterwegs ist, ist es immer ein Ringen um zu Verstehen was in der Essenz gemeint ist.
Für mich und mein Pferd war und ist es immer extrem wichtig, den richtigen Menschen als Ausbilder mit an Bord zu haben. Die Methode ist dann eher zweitranging, da ich es viel wichtiger finde meinen Ausbilder zu verstehen und wenn ich es noch nicht verstehe auf jeden Fall zu vertrauen, dass wir es noch verstehen werden.
Beste Grüsse
Andrea