Der Vergleich macht sicher 

In der Werbung heißt es – der Vergleich macht sicher. Muss ich aber immer vergleichen? In unserem Alltag lieben wir den Vergleich. Wir vergeben Noten in der Schule, um Kinder miteinander zu vergleichen. Es gibt so viele Situationen im Alltag, wo es besser ist schneller, höher, weiter, klüger, talentierter, schöner und vieles mehr zu sein. 

Ist ein Vergleich zwischen meinen Pferden möglich? 

Tabby ist nicht mehr da. Seit 20. November 2020 wird sie schmerzlich vermisst. Tabby ist nicht wie Pina und Pina ist nicht wie Tabby. Tabby ist auch nicht wie Konrad und Konrad freilich nicht wie Tabby. Die Liste ließe sich endlos fortsetzen. Kein Pferd hat jemals ein anderes ersetzt. Kobold war ein zarterer Trakehner als Tabby, Tabby hatte viel mehr Schub – beide Pferde vermisse ich fürchterlich. Kobold hatte ich bis 1997, Tabby bis 2020. Kann ich meine Pferde überhaupt vergleichen oder sollte ich mich selbst hier genauer unter die Lupe nehmen? 

Der Vergleich: Ich als Ausbilder von 1993 bis 2021

1993 kam der zweijährige Trakehner Wiesenkobold in mein Leben und eroberte mein Herz. Ich hatte damals eine versierte und strenge Grundausbildung – zum Glück. Wenn ich mein Können und Wissen von einst vergleiche, dann bin ich rückblickend sehr stolz auf das gesamte Wissen, das ich seitdem angesammelt habe. Vielleicht ist es daher nicht gerecht, die einzelnen Pferde zu vergleichen, vielleicht sollten wir eben einen kritischen Blick auf uns und unsere Fähigkeiten werfen, schließlich bin ich vor zehn Jahren ein ganz anderer Ausbilder gewesen, als ich es heute für meine Pferde sein kann. 

Der Vergleich: Pina und Tabby 

Was haben mich meine Stuten Pina und Tabby gelehrt. Ist es möglich, von den Pferden zu erzählen, ohne einen Vergleich anzustellen? Beide Damen sind von ihrem Charakter grundverschieden, Pina ist introvertiert und sensibel, auch ein bisschen unsicher. Tabby war unsicher, dabei aber extrem extrovertiert. 

Pina – unfallbedingt hat sie eine Skoliose und einen Beckenschiefstand – bemerkt ihre physischen Schwierigkeiten nicht und geht immer die eigene Grenze. Tabby – von Natur aus sehr breitbeinig und damit auch zufrieden musste immer liebevoll davon überzeugt werden, über sich hinaus zu wachsen. 

Tabby 2019 bei einem Kurs mit Christofer Dahlgren am Horse Resort am Sonnenhof in Hart bei Graz: 

Beide Pferde haben mir Flügel verliehen. Wenn auch physisch grundlegend verschieden haben sie mich durch unzählige Fortbildungen getragen. Spannend war hier besonders die vermeintliche Stabilität, die man auf Tabby spürte, obwohl die Hüfte schwankte und die Hinterbeine Anfangs so gar nicht zum Schwerpunkt wollten. Auf Pina hat sich hingegen alles so unglaublich beweglich angefühlt – hier auch natürlich eine tolle Sache von so unterschiedlichen Pferden mit so unterschiedlichem grundlegendem Muskeltonus zu lernen. 

Pina 2016 bei einem Kurs mit Bent Branderup in Ainring bei Salzburg 

Das Pas de deux der Lipizzaner 

2016 habe ich mich ganz schwer in einen Lipizzaner verliebt. Und schön langsam Ausschau gehalten, bis ich mich 2017 nicht mehr von „Konrad“ lösen konnte. Conversano Aquileja wurde in Piber gezogen. Dort werden die Hengste für die Spanische Hofreitschule gezüchtet. Warum waren mir die Lipizzaner nicht schon viel früher aufgefallen? 

Als Österreicher wächst man ja freilich mit einem gewissen Nationalstolz zu den weißen Rössern auf. Trotzdem empfand ich sie als Kind immer recht – Pardon an dieser Stelle – langweilig. Das lag natürlich daran, dass Kinder begeistert sind von Persönlichkeiten, die herausstechen, wie Black Beauty, Bille und Zottel oder Blitz, der schwarze Hengst. So oder so ähnlich hießen sie wohl, die Idole der Kinderbücher und Verfilmungen und direkt neben einem Trakehnergestüt groß geworden war es freilich auch eine gewisse Prägung und Liebe zu diesen Pferden, die mir eben beinahe in die Wiege gelegt wurde. Ich kannte alle Stuten aus der Zucht und unverkennbar waren die Fohlen gewisser Anpaarungen. Die Lipizzaner sahen in der „Spanischen“ alle gleich aus. Spätestens beim Neujahrkonzert passagierten sie über die heimischen Bildschirme. Alle gleich. Alle perfekt. Alle weiß. Alle barock. Keiner stach so richtig heraus. 

So erkläre ich heute meine kindliche Unkenntnis – viel zu viele Jahre später sollten mich aber die Lipizzaner in den Bann schlagen. Uniformität und ein gewisser Rassestandard sind noch heute Pflicht – von daher ist es mein Glück, dass ich zwei wundervolle Buben aus Piber in meinem Team habe. Konrad wurde aussortiert, weil zu wenig im Hengsstyp stehend und zu klein.

Den „Hengsttyp“ kann Konrad wunderbar auspacken, wenn es darum geht diverse Mädchen zu beeindrucken oder sämtliche Buben in der Männer WG zu erziehen. 

Maestoso Amena war zu groß und der Kopf zu „arabisiert“. Gerade wegen seinem Kopf fallen aber hier sämtliche Damen in Ohnmacht. Amena ist einfach ein unheimlich lieber Kerl. 

Anbei ein Video vom Frühjahr 2020 von Konrad und Amena, beim Ausprobieren von Bewegung und damit verbundener Freude

Der Vergleich: Konrad oder Amena? 

Jeder liebt den Amena. Mit seinen weißen Haaren um die Augen hat er mit seiner Brille freilich viele Herzen höher schlagen lassen – aber nicht nur das – Amena ist einfach unfassbar brav und lieb. Aber das ist Konrad auch. Konrad ist meine große Stütze. Soeben sind wir umgezogen und haben meine zwei Lipizzaner mit Lusitano Mandrake „fusioniert“ in einer WG. Und ohne Konrad würden die zwei vierjährigen sicherlich nur Flausen im Kopf haben. 

Konrad kam im Mai 2017 zu mir und Amena im Dezember 2018. Die Ausbildung hat also nicht zugleich gestartet und obwohl sich die beiden im Exterieur sicher unterscheiden – Konrad hat die kürzeren Beine, dafür perfekte Stellung, was Beine und Hufe anbelangt. Konrad ist außerdem etwas kürzer als Amena, er hat weniger Schub, dafür hat Amena ein unglaubliches Taktgefühl und die längeren Beine. Amena war so lange ein Lulatsch mit Fellüberwurf, eher dünn und schlaksig, Konrad von Anfang an rassentypisch barock. Und ich? Ich habe mich freilich auch in der Ausbildung der beiden unterschieden. Konrad war so unglaublich motiviert, das nahm ich bei Amena dann später freilich nicht selbstverständlich, aber ich habe bei Amena nochmal einen Ticken gründlicher gearbeitet, weil ich natürlich auch nochmal dazu gelernt habe. 

Die Frage ist also sicher nicht – Konrad oder Amena, sondern Anna 2017 oder Anna 2018. 

Ja, auch zu Beginn dieses Blogs habe ich mein Ich von 1992 mit dem Ich von 2010 verglichen. Der Vergleich ist unmöglich. Und das ist das Wichtigste, was ein Reiter lernen kann. Denn er lernt nie aus! Nichts bleibt in Stein gemeisselt. Es ist meiner Meinung nach daher unsinnig Pferde zu vergleichen – sondern viel klüger herauszufinden und zu hinterfragen, wie und warum man in der Vergangenheit welchen Ausbildungsschritt gesetzt hat und was man daraus für die Zukunft lernt. 

Vergleiche sind allüberall in der Reiterei populär – und da wird eben gerne immer nach außen hin reflektiert, weniger aber nach innen. Der Vergleich macht möglich – nämlich uns selbst zu den bessern Ausbildern, wenn wir unser gestern reflektieren und das Beste von uns in Morgen mitnehmen. 

Gewidmet meinen Pferden und größten Lehrmeistern Stieglitz, Kobus, Kristall, Barilla und Tabby! 

Vergleichbares zum Weiterlesen und Tüfteln