Reitweise neu – alles neu?

Für viele Reiter, die erstmals mit der Akademischen Reitkunst in Berührung kommen, ist die Ausrüstung ein wenig befremdlich. Oftmals war man über viele Jahre hinweg ganz andere Bilder gewohnt. Ich möchte nun einige Antworten auf die meist gestellten Fragen geben.

Warum Reiten auf Kandare?

Die wichtigste Hilfe in der Akademischen Reitkunst ist der Sitz, nicht die Hand. Oberstes Ziel ist es, nach historischem Vorbild, einhändig mit blanker Kandare das Pferd über den Sitz zu führen. Dabei sollen die Zügel eine leichte Verbindung zwischen Pferdemaul und Reiterhand herstellen.  Die Reiterhand bekommt Informationen über den gesamten Pferdekörper – ist also das Info-Aufnahmezentrum.

Bis sich ein Pferd allerdings nur über den Sitz führen lässt, ist es ein weiter Weg der Ausbildung. Die Hilfen werden dem Pferd daher erst vom Boden mit Hilfe des Kappzaums erklärt. Ich selbst habe so begonnen, bin eine Zeit lang auf Trense kombiniert mit Kappzaum geritten, später dann auf Kappzaum kombiniert mit Kandare. Ein MUSS ist die Kandare allerdings auch keineswegs.

Und zur Schärfe?

Eines sei vorweg gesagt: Nicht das Werkzeug ist scharf, sondern möglicherweise die Hand die es benutzt.

Die Vorbilder der Akademischen Reitkunst – Pluvinel oder de la Gureniere – setzten zur damaligen Zeit nicht auf die Trense. Sie bevorzugten für die Seitenbiegung den Kappzaum, der das Pferdemaul schont und für die Bestimmung der Aufrichtung bzw. die Dehnung zur Hand hin –  die Kandare.

Die Trense ist und bleibt jedoch für den modernen Reiter das bekannteste Gebiss. Mit ihr beginnt beinahe jeder seinen reiterlichen Werdegang. Auf Trense gezäumt lässt sich das Pferd am einfachsten lenken. Historisch gesehen feierte die Trense genau deshalb ihren Triumphzug, als die großen Kavallerien im Krieg eingesetzt wurden und mehr Männer zu Pferd benötigt wurden, die eine weniger (zeit)intensive Ausbildung genossen. Schauen wir wieder weiter zurück in die Vergangenheit und zu Stichen der alten Meister. Bei Betrachtung der Bilder fragt man sich fast, wozu man denn eine Kandare benötigt, denn die Zügel hängen ja durch. Genau das gleiche Ziel verfolgt die Akademische Reitkunst noch heute: Dabei formt der Reiter das Pferd durch den Sitz. Allerdings ist es unabdingbar für jeden Reiter – egal ob unterwegs mit Trense oder Kandare, oder auch gebisslos – die Wirkungen der einzelnen Instrumente zu kennen.

KandareDer Vorteil des Stangengebisses, also der Kandare ist die Symmetrie im Pferdemaul und damit die Anpassung an die extrem feinfühlige Zunge des Pferdes.

Stichwort Babykandare: Ein langer Unterbaum verkleinert Handfehler, er wirkt sanfter. Die vermeintliche „Babykandare“ mit kürzerem Unterbaum verursacht eine deutlich größere Winkeländerung, wenn die Zügel angenommen werden. Fazit: ein langer Unterbaum verlangsamt und verkleinert somit die Bewegungen der Reiterhand. Ein Stangengebiss mit großer Auflagefläche verringert außerdem den Druck im Maul. Ein mit viel Zungenfreiheit angepriesenes Gebiss hingegen hat eine schärfere Wirkung durch den erhöhten Druck an den Zungenrändern.

Kommen wir zurück zur Symmetrie im Pferdemaul: Weil ein Kandarengebiss also keine Gelenke wie eine Trense besitzt, soll eine blanke Kandare niemals in beiden Zügelhänden geführt werden. Beidseitige Führung bedeutet ein Kippen der Kandare auf den Zungenrand, wobei eine schiefe Belastung im Pferdemaul entsteht.

Kitschige Kandaren, Kappzäume etc.?

Ebenso kein Muss. Wichtig ist auch hier: Die Ausrüstung muss zum Pferd und zum Ausbildungsstand passen. Der Rest ist einfach Geschmackssache 😉

Reiten mit aufgestellter Gerte?

Einhändig Reiten bedeutet: Zügelführung in der linken Hand, Gerte aufgestellt in der Rechten. Warum aufgestellt? Weil man das Pferd dort touchieren kann, bzw. die Gerte dort hinzeigt, wo man Verstärkung der Hilfen benötigt. Zum Beispiel als Unterstützung für den inneren Schenkel, oder auch mal den äußeren – genau dort, wo man deutlicher einwirken möchte. Oder zur Verstärkung des äußeren oder des inneren Zügels. Die Gertenhilfen kann man dem Pferd ebenfalls bereits vom Boden aus erklären. Für viele sieht die aufgestellte Gerte anfangs komisch aus, vielleicht weil in vielen Reitschulen auch nur der Klaps auf den inneren Pferdepo zu vermehrten Vorwärtstreiben gelehrt wird?

Akademische Sättel? Barocke Sättel? Ein Muss?

Nein. Grundsätzlich ist die Wahl des Sattels egal. Beim Akademischen Reiten geht es jedoch primär um die Hilfengebung aus dem Sitz, daher ist es unbedingt notwendig zu fühlen, wann zB welches Pferdebein gerade abfusst, wohin es fusst, hin oder weg zum Schwerpunkt, seitlich daran vorbei….daher ist es wichtig einen Sattel zu gebrauchen, der nicht nur einen optimalen Sitz unterstützt, der den Pferderücken nicht bei der Schwingung behindert, sondern auch das Fühlen ermöglicht. Die Wahl des passenden Sattels sollte daher gut überlegt sein– er muss beiden passen: Pferd und Reiter. Wer gerne mit einem Bareback Pad, Fellsattel oder Dressursattel reitet, sollte das auch weiterhin tun, wichtig ist nur, dass sich Reiter und Pferd wohlfühlen.

In diesem Sinne – Reite Einfach 😉

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