Bitte lächeln. Dieser Satz kommt häufig von Fotographen – oder von Trainern der Akademischen Reitkunst. Christofer Dahlgren aus Schweden lebt sein Konzept: Play, smile and practice. Und an oberster Stelle steht Entspannung. Im Interview erzählt der sympatische Schwede mehr über sein Konzept:
Wie bist du denn auf die Akademische Reitkunst gekommen?
Christofer: Vor 17 Jahren habe ich einen Araberwallach gekauft. Es war eine Freude ihn zu reiten, allerdings nur in der Reithalle. Zu dieser Zeit habe ich dann einen Artikel über die Akademische Reitkunst gelesen und war sofort daran interessiert. Um ehrlich zu sein hat das Pferd den Weg für mich gewählt, er war sofort von diesem Training begeistert und dank ihm habe ich also den Weg zur Akademischen Reitkunst gefunden.
Entspannung ist eines deiner wichtigsten Schlüsselworte. Warum ist es dir so wichtig zu überprüfen, ob das Pferd wirklich entspannt ist?
Christofer: Ohne Entspannung kann man nicht kommunizierten. Ein Pferd zu trainieren heißt immer mit Entspannung zu starten. So müssen wir uns als Trainer oder Reiter selbst fragen: Hilft Bewegung dem Pferd zu entspannen, oder ist es Arbeit im Stehen oder ist es ein gemeinsames Spiel, welches den Schlüssel zur Entspannung bereit stellt. Spiele und übe mit einem Lächeln. Finde heraus was dein Pferd gerne macht, dann lächle. Die Arbeit muss immer mit einem Lächeln beginnen. Warum das wirklich einen Unterschied macht? Nun, Lächeln kann mentalen Druck vom Pferd nehmen.
Dein youtube Video von dir und deinem Frederiksborger Saxo über fortgeschrittenes Longieren wurde rund 33.000 Mal gesehen, was ist denn das Geheimnis des fortgeschrittenen Longierens?
Christofer: Ich habe mit dieser Longenarbeit vor ca. fünf Jahren begonnen und wollte etwas neues dabei lernen. Ich hatte eine stabile und sichere Basis mit Saxo, aber ich wollte am Galopp und an den Pirouetten arbeiten. Und ich wollte das Pferd vom Boden aus mit einer größeren Distanz arbeiten, so musste ich also einen Weg an der Longe finden. In den nächsten drei bis fünf Monaten habe ich entdeckt, wie man die Schultern und wie man die Hinterhand des Pferdes während der Longenarbeit kontrollieren kann. Das Geheimnis ist quasi einen Rahmen um das Pferd zu legen, dann kann man um Versammlung anfragen. Ich wurde da auch sehr inspiriert von meiner Frau, die viel Dresssur-Freiarbeit macht. So habe ich einige Punkte aus ihrer Arbeit herausgenommen, die gut zum Longieren gepasst haben.
Following ist Christofers Konzept, bei dem das Pferd lernt dem Bauch des Reiters zu folgen ohne dass der Reiter am Zügel ziehen muss. Dabei fängt man an, rückwärts vor dem Pferd herzugehen und kontrolliert ob das Pferd in den Wendungen folgt ohne dass man am Zügel zieht und ohne dass es über die äußere Schulter fällt. Das ganze wird noch erschwert, indem man mit der Gerte zum Bauch des Pferdes zeigt und das Pferd sich um die Gerte biegt ohne mit der Hinterhand auszufallen. Das heißt das Pferd soll sowohl mit der Hüfte als auch mit der Schulter zum Reiter hin wollen und nicht von ihm weg indem es über die äußere Schulter fällt oder die Hüfte verliert – und das ist gar nicht so leicht wie es sich anhört. Fällt das Pferd mit der Hüfte aus, kann man das mit der Kruppehereinhilfe wieder korrigieren, fällt das Pferd in der Wendung über die äußere Schulter hat man von vorne noch die Möglichkeit das mit der Gerte an der äußeren Schulter zu korrigieren. Besser jedoch ist es wenn man dann einen Schritt nach innen in die Bahnmitte macht um das Pferd wieder zum Following zu bringen. Wenn man das in der Bodenarbeit gut beherrscht, kann man das Konzept auch beim Longieren anwenden. Dann erspart man es sich den äußeren Zügel beim Longieren durch die Gertenhilfe zu ersetzen und kann somit die äußere Schulter mit dem Körper kontrollieren, was sehr hilfreich ist wenn man die Gerte eigentlich im gleichen Moment z.B. beim inneren Hinterbein einsetzten möchte. (Kursbericht Verena Harum, Oberschwaig 2015)
Du hast mir erzählt, dass du die Pferde quasi psychoanalytisch auf die Couch legst – kannst du mir mehr darüber erzählen?
Christofer: Ich benutze dabei gerne das Wording und die Definition von Pat Parelli.
Also sprechen wir über selbstsicherer oder unsichere Pferde, introvertierte oder extrovertierte Typen. Diese Charakteristik KANN helfen, das Training des Pferdes zu gestalten. Aber: Kein Pferd verhält sich wie das Pferd im Lehrbuch – außer das Pferd, das eben im Lehrbuch drin steht. Daher ist es sehr wichtig, sich nicht auf diese Kategorien zu fixieren.
Warum ist es so wichtig nicht nur den Körper, sondern auch den Geist des Pferdes zu arbeiten, zu wecken, damit zu kommunizieren?
Christofer: Ganz einfach: Kein Körper arbeitet ohne seinen Geist. Wir müssen die Pferde dazu bringen, dass sie auch unbedingt mitmachen wollen. Jeder wird zustimmen, dass der Körper, oder die Biomechanik für die Bewegung des Pferdes zuständig ist – aber der Geist, die Psyche ist der Motor der gesamten Energie. Wir können Pferde in der Behandlung nicht über einen Kamm scheren und wir können niemals mit einem Pferd etwas erarbeiten, das nicht mit uns zusammen sein, mit uns spielen oder mit uns arbeiten möchte.
Was können sich unsere Zuseher in Graz vom Kurs mit dir erwarten?
Christofer: Der Kurs wird natürlich Entspannung, Balance, Bodenarbeit, fortgeschrittenes Longieren, die Arbeit an reinen Gängen, Übergängen und Versammlung enthalten. ABER: Versammlung ohne Entspannung ist ein riesiges NO NO. Und unsere Theorieteilnehmer werden auch praktisch mitmachen. Wir werden also auch praktische Theorie haben.
Bei der Sommerakademie haben wir beide mal über Hilfengebung gesprochen. Du hast mir gesagt: Weniger ist viel mehr. Warum?
Christofer: In unserer Arbeit mit dem Pferd wollen wir Entspannung, Leichtigkeit, Balance und Durchlässigkeit. Vielleicht bekommen wir Entspannung zuerst und arbeiten dann an der Leichtigkeit und fügen ein Ziel nach dem anderen hinzu. Wir können nicht alles auf einmal haben. Wir müssen an der Geraderichrtung und an der Biegung arbeiten, um ein ausbalanciertes Pferd zu bekommen. Der erste Schritt ist aber herauszufinden, wie wir überhaupt auf das Pferd zu gehen – wie wir beispielsweise nach einer Biegung fragen. Wer nach weniger fragt, wird mehr ernten. Wir sollten das Pferd nicht unter Druck setzen. Seien wir mit einem guten Ergebnis für den Moment zufrieden. Wenn wir auch nach weniger fragen, haben wir auch mehr Gelegenheit, dem Pferd den Zweck der Hilfen und Übung zu erklären.
Weniger zu machen ist sehr wichtig, allerdings neigen wir eher dazu ständig mehr zu tun. Wenn ein Pferd beispielsweise zu viel Schulterherein anbietet, korrigieren wir eher mit einem Kruppeherein, anstelle einfach weniger Schulterherein abzufragen. Das Ergebnis mag jetzt das gleiche sein, allerdings ist der Zugang für das Pferd ein deutlich anderer.
Was meinst du zum Begriff Horsemanship? Wie definierst du das?
Christofer: Es gibt so viele Methoden, die technisch guten Inhalt bieten. Aber ohne ein Gefühl für das Pferd wird man nie mit dem Pferd arbeiten können. Ich kann nur jedem raten, seine eigene Empathie zu schulen. Sei nie zu technisch, weil ein Pferd ist ja keine mathematische Gleichung. Wenn du Knopf A drückst, kommt Piaffe raus? Nein, das funktioniert nicht. Schlechtes Horsemanship heißt für mich: Das Pferd herumhetzen, ohne ihm eine Option zur Reaktion zu bieten. Besser ist es, das Pferd einzuladen ein Problem gemeinsam mit Kommunikation und Entspannung zu lösen. Du kannst doch kein Pferd in eine Ecke drängen, wo es keine Option hat.
Ich glaube außerdem nicht, dass es so viele dominante Pferde gibt. Ich glaube es gibt gu trainierte und untraineirte Pferde, die dann dominant scheinen, weil sie nicht wissen, was sie von uns erwarten.
Schuld hat immer der Mensch, nicht das Ausbildungssystem. Wir können ja auch sagen: Wir wollen kein Reitsystem das steife Pferde hervorbringt. Es gibt kein System, das dieses Ziel definiert hat. Trotzdem gibt es aber viele Menschen, die Ausbildungssysteme falsch nutzen. Gute Arbeit mit dem Pferd oder Reiten startet immer mit einem positiven und vertrauensvollen Ansatz.
Neugierig geworden: einen kleinen Vorgeschmack vom letzten Kurs mit Christofer in Graz gibt es hier:
Vom Rollentausch und guten Antworten – Kurs mit Christofer Dahlgren
Am 16. und 17. April 2016 kommt Christofer nach Graz auf den Sonnenhof! Wer mit dabei sein möchte, findet alle Informationen unter diesem Link.
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