Kommunikation, Sympathie, Respekt und Pädagogik mit Inhalt. Bent Branderup war am 4. und 5. Juli 2015 zu Gast in Graz und referierte über primäre und sekundäre Hilfen. Und über das Ziel ein besserer Pädagoge für sein Pferd zu werden. Wir haben die Möglichkeiten in der Hand. Eine Zusammenfassung über den Vortrag zur „Pädagogik“:
Kommunikation einseitig oder zweiseitig
Zwei Individuen, zwei Botschaften und eine Leitung. Die perfekte Einstimmung auf misslingende Kommunikation zwischen Pferd und Mensch brachte uns noch im Vorfeld die Fluglinie. Quasi „Last Minute“ wurde Kursorganisatorin Eva mit einigen Hiobsbotschaften auf Trab gehalten. Eva bewahrte Nerven und einen kühlen Kopf. 🙂 An dieser Stelle ein riesiges Dankeschön für die perfekte Kursorganisation!
Kommunikation lernen
Wenn ein Kind isoliert aufwächst und das Sprachzentrum erst spät entwickelt wird, dann nennt man das den Mogli Effekt. (Bent Branderup)
Bents Appell in seinem Vortrag rund um die Pädagogik richtete sich in erster Linie an unsere Verantwortung zur Natürlichkeit des Pferdes. Daher müsse ein Pferd zuallererst lernen, ein Pferd zu sein und die Sprache der Pferde zu beherrschen. Dies wäre aber nur in einer möglichst artgerechten Haltung und Aufzucht möglich. Pferde lernen ihre Sprache nur durch Artgenossen. In einer artgerechten Aufzucht werden die Fohlen nach dem Absetzen nicht nur unter Gleichaltrigen bleiben. Erfahrungen lassen sich – und das lässt sich auch auf Menschen münzen – besser machen, wenn man von Älteren lernt, die diese Erfahrungen bereits hinter sich haben. Nur wenn die Erstsprache, oder Muttersprache gelernt ist, kann eine weitere Kommunikationsform erlernt werden. Wir als Menschen würden – so Bent Branderup – auch die homogene Bewegung, die innerhalb der Herde stattfindet nutzen, um mit den Pferden zu kommunizieren.
Man muss das Pferd lesen können. Wir müssen also vorhersagen können, wie es reagieren wird. Schließlich muss ich auch deuten können, wenn mein Input vom Pferd gänzlich falsch verstanden wird. Sonst verstärke ich möglicherweise eine falsche Handlung ganz unabsichtlich. (Bent Branderup)
Wo fangen wir mit der Kommunikation an? Meist geht es darum, dass wir unserem Pferd etwas verständlich machen wollen. Aber bei der Frage des Wollens ist es falsch nur das eigene Wollen zu forcieren und dem Pferd keine Chance zu geben sich ebenso mitzuteilen.
Hat mein Pferd denn überhaupt Interesse an mir? Ein Pferd muss lernen, zu lernen. Wenn ein Trainer keine gute Struktur hat, kann auch das beste Pferd mit den besten Voraussetzungen nichts lernen. Und noch vor der Struktur steht das Interesse. Das Pferd muss interessiert sein an seinem Lehrer. Daher müsst ihr die Aufmerksamkeit eurer Pferde auf euch ziehen. (Bent Branderup)
Ist mir der Lehrer sympathisch? Und habe ich Respekt?
An erster Stelle steht die Sympathie. Wir müssen dem Pferd als unserem Schüler eine große Portion Sympathie entgegen bringen. Von wem möchte man gerne etwas lernen. Heißt also umgekehrt auch: Wir müssen für das Pferd sympathisch genug sein, um sein Interesse zu wecken. Hier brachte Bent einige Anekdoten aus der eigenen Schülerzeit:
Wenn wir wen mögen, dann lernen wir einfach. Ich hatte einen Mathelehrer, der war sympathisch, der konnte mir auch die ungeliebten Zahlen verständlich machen. Dann war da eine Lehrerin, die war so sympathisch, dass sie am Ende der Stunde immer ganz aufgelöst unser Klassenzimmer verlassen hat. Für diese Lehrerin gab es einfach keinen Respekt.
Respekt, so Bent Branderup habe auch den Beigeschmack von Disziplin. Der Beigeschmack kann schal oder angenehm sein. Wir brauchen Regeln, schließlich geht es in den meisten Fällen darum, ein Pferd von mindestens 600 Kilo zu handeln. Pferde verstehen unsere Körper nicht gut, daher geht es auch um unsere Sicherheit.
Wir haben in unserer Welt auch ein großes Portfolio an Umgangsformen. Wenn man die Regeln nicht kennt, kann man sie auch nicht brechen. Umgangsformen sollen es allen Beteiligten aber in der Regel angenehmer und leichter machen. Das Pferd muss also lernen, was es darf und was es vor allem im Zusammensein mit dem Menschen nicht tun darf. Wenn ein 600 Kilo Hengst antiautoritär erzogen wurde, dann hat der Mensch das Pferd geformt und zu dem gemacht, was es ist. Man hat die Pferde, die man verdient, weil man sie ja selbst zu dem macht, was sie sind. (Bent Branderup)
Horsemanship bedeute also gefährliche Situationen vorauszusagen und zu durchschauen. Als Pferdeverstand bezeichnete Bent Branderup das ständige Hinterfragen. Wer Pferde gut kenne müsse also laufend Situationen analysieren.
Da unsere Pferde nicht mehr so natürlich aufwachsen können wie einst haben wir heute schwierigere Pferde und Menschen, die es nicht mehr gewohnt sind mit Tieren zusammen zu leben. Wir schaffen uns somit gefühlsmässige Monokulturen. Man muss aber alles um das Pferd herum verstehen. Da gibt es entweder den Super Protektionisten, der gerne alle Pferde im Winter eindeckt und den Super Naturalist, der kein Pferd eindecken möchte. Der Pferdemensch liegt dazwischen und entscheidet, welches Pferd welche Behandlung benötigt. (Bent Branderup)
Du trägst Verantwortung…
Ok, grundsätzlich arbeiten wir an der Tragkraft des Pferdes. Aber wie sieht es mit unserer eigenen Tragkraft aus, wenn es um Verantwortung geht. Schon mal die gängigsten Stallgespräche belauscht? Das Pferd bekommt nicht das beste Futter. Der Stallbesitzer hat Schuld. Der Schmied hat das Pferd vernagelt. Natürlich ist er Schuld. Ist das wirklich so?
Als Pferdebesitzer sind wir für das Wohl unserer Pferde verantwortlich und verpflichtet unser Bestes zu geben. Wir wollen so gerne ständig die Verantwortung abgeben. Sobald wir uns ein Pferd kaufen, sind wir verantwortlich- wenn das Pferd also sicher die Hufe für die Hufbearbeitung geben, oder sich überall anfassen lassen soll – dann sind wir dafür verantwortlich unsere Pferde für den sicheren Umgang mit Hufschmied und Tierarzt zu machen. Wenn sich der Schmied vernagelt, weil das Pferd diesen sicheren Umgang nie gelernt hat, dann sind wir in der Verantwortung! (Bent Branderup)
..für die Pädagogik deines Pferdes!
Wenn wir also mit unserem jungen Pferd zu arbeiten beginnen, empfiehlt Bent Branderup mit Inhalten zu beginnen, die wir selbst gut visualisieren können. Der Weg fängt nämlich nicht immer mit dem Endprodukt an. Die meisten Menschen können sich nur ein Pferd leisten. Somit gehen unsere Pferde alle in eine „Einzelstunde“ – hier ist der Faktor zeit nicht wichtig. Wir haben also ein Pferd und können uns zu 100 Prozent nach dem Pferd richten.
Aber auch hier steht die Motivation an erster Stelle. Unser Pferd soll das Gefühl haben gerne in die Schule gehen zu dürfen und nicht zu müssen. (Bent Branderup)
Wir haben also ausreichend Zeit. Denn was wäre denn schlimm, wenn man für die Ausbildung länger braucht? Geht es nach Bent Branderup kann man nicht zu alt sein, um zu lernen, oder umzulernen.
Die Frage ist nur, für welche Augen bilden wir aus. Hier mahnte der dänische Ausbilder zur Vorsicht. Natürlich sei es ganz natürlich, dass wir Menschen untereinander um Feedback heischen. Allerdings sollten wir vor allem in den Augen unserer Pferde um Anerkennung suchen.
Wir geben den Pferden durch die Ausbildung eine bessere Körpersprache durch die verbesserte Biomechanik. So wie das Pferd aussieht, wenn es sich stolz fühlt, so sollte unser pädagogisches Ziel definiert sein (Bent Branderup)
Unsere gemeinsame Zeit mit dem Pferd braucht also einen gemeinsamen Nenner – oder wie Branderup sagt – einen Inhalt.
Dabei geht es darum einen Prozess in Gang zu setzen, für den ich euch begeistern möchte. Manchmal schaut es so aus, als ob die Leute ihre Pferde gar nicht mögen würden. Wenn wir aber Lehrer von Tieren sind, dann müssen wir in deren Augen gut sein. Das heißt wir haben auch die Verpflichtung immer mit einem guten Gefühl die Stunde zu beenden. Bedient euch hier einer Lektion, die das Pferd ganz sicher beherrscht und wo es ein Lob erwarten kann. Manche Reiter sind wie Rotwein. Sie werden mit der Zeit besser. Jeder Mensch besteht aus so vielen Möglichkeiten. Ob ich auf ein Rockkonzert, oder ein Klassikkonzert gehe – ich bin noch immer der gleiche Mensch, ich bestehe nur aus vielen Möglichkeiten. Wer verliebt ist, der kehrt sein bestes Ich zum Vorschein. Bleibe ich aber mein Bestes ICH, wenn ich in eine heikle Situation gerate? Die Pferde fordern uns heraus, sie kennen unsere guten und schlechten Seiten. Daher frage dich immer, wer du sein willst in den Augen deines Pferdes. (Bent Branderup)
Bent Branderup brachte uns wieder zum Nachdenken, Philosphieren, Spüren, Fühlen. Wie immer freuen wir uns sehr auf seine Rückkehr im nächsten Jahr!
Nutzen wir unsere vielen Möglichkeiten, dann reiten wir Einfach 🙂
PS: Katharina Gerletz hat wieder viele schöne Momente auf Fotos eingefangen. Eine Zusammenfassung gibt es in Kürze auf ihrer Facebook Seite.
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