Wie läuft mein Pferd gerne?
Oder – welche Gangarten liegen meinem Pferd?
In der Reiterei gibt es ja so einige Weisheiten über die Gangarten des Pferdes. Der Schritt ist kaum verbesserungsfähig und sehr störanfällig, der Trab kann sich entwickeln, ebenso der Galopp.
Unabhängig von diesen Belegen
- Welche Eigenschaften bringt unser Pferd mit?
- Welche Gangart gehört eindeutig zu den Talenten?
Fallbeispiele:
Tarabaya – Tabby
Meine Fuchsstute Tabby hatte einen enormen Trab. Die „Gangmechanik“ im Trab wurde mehrfach auf Zuchtvorstellungen mit der Höchstnote 10 bewertet. Tabby selbst liebte es, sich im Trab zu präsentieren, sie hatte Ausdruck, Charme, sie schien kraftvoll, dabei aber mühelos über den Boden zu schweben.
Mein Learning: Ich habe mich zwar auch von ihrem Trab verzaubern lassen, ihr breitbeiniges Fußen jedoch lange als Schwierigkeit gesehen. Was Tabby von haus aus mit brachte war eine sehr gute Haltung und Tonisierung. Sie lief im Freilauf so, wie man sich eine gute Reitpflerdehaltung im Trab im vorwärts von einem Pferd wünsche würde. Kraftvoller Abdruck, weites Vorgreifen der Hinterbeine, schnelles Abfussen der Vorderbeine, immer mit einer Tendenz bergauf. Trotzdem war ich nicht zufrieden, ich hätte die Hinterbeine gerne mehr zum Schwerpunkt gebracht.
Ein Bewegungsideal in unserer eigenen Vorstellung umzusetzen ist immer schwierig, weil es das Pferd in eine Schablone presst.
Was ist dann passiert? Ich habe Tabby durch Seitengänge wesentlich mobiler gemacht – dabei habe ich rückblickend nicht den Punkt gefunden, wo es deutlich gelangt hätte – auch das Forcieren der Hankenbeugung hat Tabby mehr Stabilität und vor allem eben Abdruck genommen.
Wenn ich Videos ihrer Entwicklung vergleiche, habe ich die Schwebephase des Trabs komplett weg gearbeitet und den Kraftabdruck, der letztlich zu einer positiven Tonisierung führte in mehr Verspannung durch Erschlaffung umgearbeitet.
Ich hätte das Talent von Tabby so nehmen müssen, wie es war – und nicht dem Ideal hinterher eifern, wo genau die Hinterfüße dann genau am Boden aufkommen. Wie heißt es so schön: „Aint it broken, do not fix it“….wenns nicht kaputt ist, dann musst du es nicht reparieren – und hier hatte ich mir selbst zu stark vorgemacht, etwas „fixen“ zu müssen, was im Grunde auch sehr in Ordnung war.
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Weitere InformationenDazu kommt natürlich auch der mentale Aspekt. Ich habe Tabbys Talent nicht mehr so glänzen lassen. Ich habe viel an ihr kritisiert und genau ihre Stärken kritisiert. Wie hat sie sich da wohl gefühlt?
Die Geschichte hat aber auch ein Happy End – ich bin zum Glück nicht rückblickend drauf gekommen, sondern auch im Laufe des Prozesses. Mir fiel auf, dass ich zu sehr an der Entspannung gearbeitet habe – und das ich Tabby dadurch den Kraftabdruck und den positiven Tonus genommen hatte. Wenn man weiß, wo der Fehler liegt, dann kann man auch sehr leicht wieder rück arbeiten. Ich bin Tabby sehr dankbar für diese Lektion.
Übrigens: Auch der Galopp hatte stark unter meinem Irrweg gelitten – gerade was wir im Trab erarbeiten wirkt sich auch ungemein auf die Qualität des Galopps aus.
Pina
Warmblutstute Pina hat einen sehr weichen Tonus und ist extrem beweglich. Ihr Manko: Stabilität. Sie hat einen guten Schritt, einen sehr schönen, weichen Trab, grundsätzlich mit schönen raumgreifenden Tritten und einen sehr schönen Galopp. Manchmal gehen wir in der Ausbildung gerne Schritt für Schritt vor – also zuerst alles im Schritt erarbeiten, dann im Trab und dann im Galopp – für das Verständnis und das Schulen des reitereichen Gefühls ist das schon eine gute Sache – allerdings bringen wir uns so eventuell darum, eine höhere Gangart, die sehr nützlich für das Pferd wäre in der Ausbildung rechtzeitig zu nutzen.
Pinas Gamechanger war der Galopp – hier hatte sie die beste Tonisierung, hier konnte sie nach Übergängen zum Trab auch diesen deutlich besser und stabiler bewältigen. Ihre Selbsthaltung wurde durch Übergänge von einer höheren in eine niedrigere Gangart deutlich verbessert.
Ich habe gerade bei diesem Pferd sehr viel über Gymnastizierung nachgedacht und viel an der Hankenbeugung gearbeitet, um hier vor allem in Richtung Kraft mehr für Pina zu erreichen. Da sie eine alte Verletzung am Becken hat, war die Kraftübertragungszentrale von höchster Qualität. Hüfte, Knie und Sprunggelenk sauber zu beugen und Kraft zu übertragen. Manchmal haben wir hier mehr gebeugt, als dann auch wieder in die Kraftzentrale abgedrückt – da war dann wieder schmerzhafte Instabilität das Resultat.
Als mein junger Konrad dazu kam, schickte ich Pina in „Lehrgangspension“ und mein Vater, ebenso in Pension machte genau das, was er und Pina am liebsten hatten: Dem Wind im Galopp um die Wette laufen. Wo ich vermeintlich mehr an der Beugerkette der Muskulatur geschraubt hatte, kam jetzt die Streckerkette durch den Galopp wieder mehr in Aktivität – Pina sah am Ende des Tages noch besser aus und die Freude im Galopp war beiden so ins Gesicht geschrieben. Fast 10 Jahre später sind beide noch immer im Galopp freudig unterwegs und Pina ist nun über 20 Jahre alt auch fit wie ein Turnschuh.
Mandrake
Mandrake liebt es ebenso den Wind in der Mähne zu spüren. Hauptsache Galopp, Hauptsache schnell. Wenn er über unsere doch herausfordernden Koppeln springt und den Hals wild zur Seite schlägt im Angaloppieren, dann muss ich doch manchmal die Augen zumachen.
Schrift ist nicht Mandrakes Stärke – er kommt mit den Hinterbeinen zwar weit nach vorne, genau unter den Schwerpunkt, allerdings ist er ein schneller „Tausendfüßler“, dem dann seine eigene Eile zum Verhängnis wird.
Auch wenn es für mich dann doch manchmal eine Herausforderung war, das wilde Temperament von Mandrake zu zügeln (auch weil er im Grunde ja einfach seine Lebens- und Bewegungsfreude zum Ausdruck bringt) und manchmal eine Überwindung „sich da jetzt drauf zu setzen und da noch zu galoppieren“ – der Galopp hilft Mandrake noch immer am besten von einem hohen Takt zu einem ruhigeren Takt zu finden. Und das führt letztlich auch zu einem guten Kompromiss und etwas längerer Tritte. Sich kurz zu machen, das ist überhaupt kein Problem, sich aber im Körper auszudehnen und etwas länger zu werden – das fällt Mandrake schwer, aber im Galopp macht ihm das 10 Mal mehr Spaß und Freude, als im Schritt permanent daran erinnert zu werden.
Auch der Trab ist nach dem Galopp bei Mandrake viel fluffiger. Habe ich vor dem Galopp manchmal schon das Gefühl, dass Mandrake eher schwer auf den Schultern ist und auf die Vorhand fällt, ist der Trab nach dem Galopp viel weicher und geschmeidiger.
Konrad
Auch ein Galopp-Liebhaber. Konrad liebt den Sprung nach oben. Der Rausch der Geschwindigkeit ist nicht ein Thema, er gefällt sich aber am besten, wenn es in die Höhe geht. Und so war es natürlich klar, dass ich seine Galoppsrünge von Anfang an mit Begeisterungs- und Ohnmachtsanfällen quittiert habe. Auf ihm zu galoppieren ist auch wirklich ein sehr erhabenes Gefühl. Und trotz dieser Leichtigkeit nach oben, fällt es Konrad etwas schwerer, Galopp ohne großen Aufwand zu „denken“. Für Konrad ist alles, was einen Abdruck nach oben hat leicht, daher musste ich auch aufpassen in der Versammlung nicht zu viel Abdruck nach oben im Trab (Stichwort: Hüpfende Kruppe und runtergefallener Brustkorb) zu bekommen – der Kraftabdruck nach vorne ist für Konrad schwieriger.
Stärken und Schwächen, Talente und Bewegungsfreude werden die Ausbildung des Pferdes bestimmen. Auch wenn wir oft in Defiziten denken wie:
- Das Pferd tritt nicht mit der Hinterhand an einen speziellen Platz
- Das Pferd verhält sich
- Das Pferd geht nicht ausreichend vorwärts
- Das Pferd wird zu schief
- Das Pferd wird zu schnell
………
Denken wir an die Stärken – daraus bekommen wir im Grunde die beste Grundlage für die Entwicklung unseres weiteren Trainingsplans. Und die Stärken zu nutzen ist auf jeden Fall ein enormer pädagogischer Nutzen.
Welches Stärken bringt dein Pferd mit?
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