Warum sind Reiter von heute fürstlich? „Weil wir den Luxus haben, die Zeit mit unseren Pferden schön verbringen zu können. Wir dürfen reiten, wir müssen nicht“, so die Einladung des dänischen Reitmeisters Bent Branderup an die Seminarteilnehmer. Die Zeit beim Bent Branderup Kurs wurde auch ohne Pferd schön verbracht – mit vielen Inputs und einer gehörigen Portion Motivation.

Von Methoden, Werkzeugen und Biomechanik

In der ersten Theorieeinheit ging es Samstags um die Sekundären Hilfen. Die Primäre Hilfe in der Akademischen Reitkunst ist ja der Sitz.

„Der Sitz kann nie ausgesetzt werden, wenn wir auf dem Pferd sitzen. Ein „leichter Sitz“ ist also nicht umsetzbar. Aber man kann mit fortgeschrittener Schulung aufhören Schenkel-, Zügel- Gerten- oder Stimmhilfen zu verwenden“. Bent Branderup

Die Sekundarhilfen (Gerten-, Schenkel- und Zügelhilfen) werden dem Pferd also zunächst vom Boden und später vom Sattel aus beigebracht. Sie dienen zur Korrektur, bis das Pferd die Primärhilfe Sitz verstanden hat. Um die Sekundärhilfen und ihre Einwirkungen zu verstehen, entführte Bent Branderup die Zuhörer in eine Reise durch den Pferdekörper und seine Schwingungen in der Bewegung.

Die Hinterhand, vielfach als Motor des Pferdes bezeichnet, versetzt beim Vorgreifen der Hinterbeine das Becken in eine bestimmte Tätigkeit. Der Brustkorb erzeugt dann eine dreidimensionale Schwingung: Die Wirbelsäule des Pferdes schwingt nach oben/ unten, nach links/rechts und es kommt zu einer Rotation.

Reiter, die den Takt des Pferdes observieren, können demnach einen Schenkelgänger von einem Rückengänger unterscheiden. Denn Taktverlust geht immer einher mit Schwungverlust. Bent Branderup attestierte in seinem Vortrag dem Schritt – entgegen vieler anders lautender Vorurteile den größten Schwung – schließlich kann die Wirbelsäule des Pferdes nicht nur im Trab und Galopp in Schwingungen versetzt werden. Im Trab werden die Schwingungen unmittelbar von hinten nach vorne im Pferdekörper übertragen, im Schritt kommen die Schwingungen einen halben Takt später nach vorne an.

Von einer niederländischen Fachzeitschrit nach der Königsklasse der Akademischen Reitkunst befragt, gab Bent Branderup einen raumgreifenden Schritt als wichtigste Lektion an.

„Der Reporter hatte sich damals sicher Ausführungen zu Schulschritt oder Schulparade erwartet. Der Schritt ist jedoch die Grundgangart die als Prüfstein für die Qualität der Ausbildung gilt und den Rückengänger vom Schenkelgänger unterscheidet“. Bent Branderup

Bent Branderup  betonte daher auch immer die notwendige Schulung der Reiterhand. Diese müsse zuerst vom Boden spüren lernen, wo in der Halswirbelsäule Spannungen auftreten. Je weiter die Hand geschult ist, umso tiefer kann sie in den Pferdekörper hineinhorchen. Ohne entspannten Unterkiefer keine korrekte Stellung und Biegung. Der Unterkiefer soll hierbei nach außen rotieren. Wenn sich der Unterkiefer des Pferdes in einer Linksstellung nach links, also innen verschiebt, führt dies zu einer falschen Reaktion in der Hüfte. Das Pferd wird dann mit der inneren Hüfte schieben und nicht tragen. Ob mit Kappzaum, Trense oder einfach mal mit dem richtigen „Fingerspitzengefühl“ in den Maulwinkeln – für sämtliche Probleme in der Stellung hatte der dänische Reitmeister Lösungsvorschläge parat.

„Die richtige Kopfposition ist nur in Übereinstimmung mit der Hinterhand zu erarbeiten. Wenn wir jedoch an der Korrektheit arbeiten und es zu Problemen kommt müssen wir zuerst die Ursache herausfinden und nicht gleich das Symptom bekriegen. Dabei glaube ich in allererster Linie an die Wirkungsweise der Werkzeuge – der zur Verfügung stehenden Hilfen und nicht an eine Methode“. Bent Branderup

Der dänische Ausbilder betonte dabei, dass es für den Reiter als Ausbilder wichtig ist zu erkennen, welche Aufgabe das Pferd lösen kann, um immer innerhalb der Natur des Pferdes zu arbeiten.

„Als Reiter ist es schwieriger ein guter Minimalist zu werden. Als Minimalist muss man nämlich wissen, wovon man überhaupt minimal werden möchte!“

Über den Sitz und die Vorstellung darüber..

referierte Bent Branderup dann in seinem zweiten Theorievortrag, der gespickt war mit viel historischem Hintergrundwissen und Anekdoten aus Bents persönlicher Laufbahn.

„Das Pferd muss die Mitteilung durch den Sitz verstehen. Ein Akademisch geschultes Pferd versteht die Hilfe, ein Zirkuspferd erinnert die Lektion.“ Bent Branderup

Beim Walzertanzen könne der Mann ja auch nicht wie ein Fels in der stehen. Wer mit seinem Pferd tanzen will, muss die Bewegung auch im Reiterkörper spüren, so Bent Branderup. Als Reiter müsse man sich also fragen: Wo ist das Schulterherein im meinem eigenen Körper? Was bedeutet mehr und was bedeutet weniger Schwung? Wenn sich ein Pferd unbequem für den Reiter anfühlt, ist es dann nicht auch unbequem für sich selbst?

Die heutigen Reitpferde sind eine Kreuzung zwischen Kutschpferden und Rennpferden. Bent Branderup bedauerte in seinem Vortrag die fortschreitende Zurückdrängung jener Pferde, die noch für das Tragen gezüchtet waren. Wer beim Museumsbesuch künftig mit offenen Augen nach Abbildungen und Statuen von Pferden sucht, wird in der Römerzeit oder im antiken Griechenland ausschließlich Pferde finden, die diese besondere Fähigkeit zu Tragen mitbrachten.

Bent Branderup unterscheidet den physischen und den statischen Sitz. Der Statische Sitz beschreibt dabei die Lehre vom Gleichgewicht, der physische Sitz bezieht sich auf die physische Einwirkung, die wir auf das Pferd nehmen. Im Vortrag wurde der Zusammenhang zwischen Biomechanik und Sitz erneut sehr deutlich und praxisnah von Bent Branderup vermittelt. Ständiges treiben, um vorwärts zu kommen, ruiniere die Grundgangarten. Der innere Oberschenkel müsse abwärts einwirken, das Vorwärts wäre nicht über den hochgezogenen Unterschenkel zu erreichen. Wer aus der Hüfte und mit dem Oberschenkel nach vorne schwingen kann, bekommt auch mehr Vorwärts und größere Tritte.

Bei der Erarbeitung der richtigen Stellung und Biegung reisten die Zuhörer in die Zeit des Herzogs von Newcastle. Bent Branderup warnte hier eine solche Reitliteratur zu lesen wie ein Comic Heft. Denn die Bilder wurde damals von einem Rubens-Schüler gemalt, der keine Ahnung vom Reiten hatte.

„Die bildliche Darstellung und die Beschreibungen von Newcastle passen nicht zusammen. Newcastles schriftliches Vermächtnis ist auf solchen Bildern praktisch nicht nachzureiten“.

Bilder können helfen das Auge zu schulen. Jeder Reiter müsse aber lernen, über den Sitz zu spüren, schließlich ist der Sitz das Informations Auf- und Abgabezentrum für den Reiter.

„So kann man sagen: Der Teufel hat die Pauschen am Sattel erfunden, damit der Reiter nicht mehr lernt, in der Bewegung korrekt mitzuschwingen“.

Mehr Beweglichkeit im Alltag, bewusstes Wahrnehmen der eigenen Bewegung kann helfen den Reitersitz zu schulen. Das Gefühl ist eine sehr intime und individuelle Sache, das sich nicht mit Hilfe eines magischen Knopfes entwickeln lässt.

Mit viel Inspiration und Motivation durch Bent Branderups Vorträge und die spannenden Praxiseinheiten, sowie wie immer perfekt verköstigt und versorgt durch Sabine Oettel und ihr Team in Wendlmuth ging es zurück nach Graz.

Wie immer haben Sabine und Oliver Oettel in den Praxiseinheiten die Kamera griffbereit – eine Foto-Zusammenfassung vom Kurs findet ihr auf Sabines Facebook Seite!