Wie erarbeite ich wirklich Paraden?
Die Schulparade.
- Wundervolles Bild.
- Stolzes Pferd.
- Erstrebenswertes Endergebnis.
- Aber wie kommt man da hin und warum fasziniert uns die Schulparade so?
Klären wir zunächst mal den emotionalen Aspekt der Schulparade.
Schulparade und Emotion
Offensichtlich finden wir die Schulparade so dermaßen faszinierend, sie fesselt uns und wir sehen ein wunderschönes Pferd in all seiner gebündelten Kraft. Da wollen wir auch hin.
Das wollen wir auch – ein stolzes Pferd, das seine Kraft gut nutzt und vor allem ausreichend davon hat.
Und so wundert es nicht, dass mich immer wieder Schüler anfragten und als Lernziel angaben, sie wollten die Schulparade erarbeiten.
Dann kommt der erste Dämpfer. Wir arbeiten schließlich nicht an Lektionen, wir arbeiten an Inhalten. Und der Inhalt ist zunächst mal eine ordentliche Basis. Kommen wir also zum auf den ersten Blick vielleicht langweiligen Part.
Basis und die Paraden
Denken wir mal an die Inhalte der Parade:
Das bedeutet in jedem Fall Bewegungsenergie, vorwärts, Kraftabdruck und Interaktion des Pferdebeins mit dem Boden, nochmal Energie, Umleitung der Energie, Kommunikation und Hankenbeugung und Entschleunigung, oder anderes gesagt Lastaufnahme auf der Hinterhand zum Bremsen.
Soweit so gut. Und dann passieren die Fehler.
Fehler #1: Die Parade gänzlich aus dem Stand erarbeiten
Xenophon sagt einen ganz wichtigen Satz, der hilft aber nix, wenn wir uns auf genau einen Teil der Aussage konzentrieren.
Der Satz lautet:
„Reite die Hinterbeine des Pferdes nach vorne und gib ihm eine Parade, so dass es die Gelenke der Hinterhand beugt…(und man dann von vorne betrachtet, wenn sich das Pferd in eine Levade hebt das Geschlecht des Pferdes sehen kann)“.
Wir konzentrieren uns häufig voll auf den Aspekt der Beugung, aber nicht auf die Inhalte, die davor passieren müssen.
Gerade wenn wir beginnen mit den Paraden zu arbeiten, dann üben wir vor allem im Stehen und basteln an Durchlässigkeit und Formgebung. Das ist per se nicht schlecht – fassen wir also mal die positiven Details zusammen:
Bei der Arbeit im Stand mit dem Pferd entwickeln wir ein sehr gutes Gefühl für Formgebung und Durchlässigkeit. Wir können uns ähnlich wie bei einem Flipperautomaten in Zeitlupe anschauen, wie unsere Parade (= Kugel) durch eine Tunnelkette (= Wirbelsäule) bewegt wird und etwas erzeugt. Im besten Fall eine Verlagerung der inneren Hüfte, Beibehaltung von Stellung und Biegung.
Fehler, die passieren können:
- Wir konzentrieren uns voll auf die Hinterhand und vergessen Stellung und Biegung weiterhin einzuhalten.
- Wir beachten nur, was die Hinterhand tut, vergessen also zu überprüfen, ob das Pferd eng im Hals geworden ist, den Brustkorb sogar eher nach unten drückt
- Wir tolerieren schon jetzt ein Anheben der Lende, eine völlig von der Funktionalität entkoppelte Nutzung des lumbosakralen Übergangs – anders gesagt – wir freuen uns über ein bisschen Beugung der Hinterhandgelenke und „missachten“ den entstandenen Katzenbuckel, durch ein Hochdrücken der Lende.
- Wir erwarten zu viel und beachten nicht, was eigentlich tatsächlich passieren soll – nämlich auch was in der Vorhand – dort soll da Pferd im Rumpf größer werden, sich im Widerrist anheben.
Aber die Arbeit im Stand kann das Pferd wunderbar zwischen den Schultern lösen, es kann Widerstände aufzeigen, im Sinne von Blockaden, was beispielsweise durch eine verlorene Formgebung offensichtlich wird. Dadurch verbessern wir unser Gefühl für eine funktionale Tunnelkette, durch die wir unsere Parade auch tatsächlich schicken können. Was wir jedoch nicht haben ist eine Interaktion mit dem Boden und Energie vom Pferd (die berühmten Hummeln im Pferdekörper).
Für eine Parade brauchen wir aber Energie.
Denken wir an dieser Stelle erneut an den Satz von Xenophon – es geht primär darum, die Hinterbeine des Pferdes vorwärts zu reiten. Vorgriff alleine ist aber nur die Halbe Miete, es kommt auch darauf an, wie das Pferd mit dem stehenden Hinterbein mit dem Boden interagiert.
Setzt es das Hinterbein nach vorne und beugt ein bisschen ein – schön – wenn aber aus der Beugung keine neue Krafterzeugung nach vorwärts gelingt, dann geht uns sprichwörtlich der Motor aus und den brauchen wir eben auch für Entschleunigung.
Fehler #2: Die Parade als „einzelnes Sytem“ sehen
Ich kam häufig zu Schülern, die schon auf einem ganz guten Weg in Richtung Schulparade waren, allerdings gab es massive Probleme bei den einfachsten Übergängen. Schon der Übergang vom Schritt in den Halt war eher mäkelig, auf die Hand und nicht schön vom Sattel aus erarbeitet. In der Bodenarbeit klappten aber die Übergänge nicht so schlecht – allerdings hatte das Pferd hier verlernt, zur Hand hin zu suchen.
Die Bodenarbeit in der Frontposition ist Fluch und Segen zugleich. Segen, weil wir lernen zu sehen, zu spüren, das Gesehene einzuordnen und ein Verständnis für Bewegung zu entwickeln. Fluch dabei – es geht alles so furchtbar schnell. Die meisten von uns, ich inklusive haben einfach kürzere Beine als unsere Pferde – und selbst mit einem Shetty kann uns beim Rückwärtslaufen schon mal die Puste ausgehen.
Dann passiert schon mal, dass wir ein eigentlich völlig normales Vorwärts des Pferdes als zu viel Schub missinterpretierten und ständig am Kappzaum bremsen.
- Das Pferd beginnt so sukzessive Muskelketten zu verspannen, die es eigentlich bei einer korrekten Parade und in der Kraft loslassen müsste.
- Das Pferd verlernt, an die nachgiebige Hand des Reiters heranzutreten.
- Das Pferd versteht Paraden unter dem Sattel nicht.
Paraden sind nicht nur die Schulparade – Paraden sind Ganze Paraden, halbe Paraden, viertel Paraden usw. usf. Je nach Funktionalität und Nuance benötigen wir verschiedene Paraden, mal um die Formgebung zu beeinflussen, mal um nur ins Pferd zu horchen, mal um einen Übergang vorzubereiten und umzusetzen.
Es gibt nicht einerseits die Schulparade und dann andere Paraden – eine Parade ist eine Parade und demnach üben wir Paraden in allen Lebenslagen.
Und wenn das Pferd dann mal am Beginn der Ausbildung gegen die Hand drückt – so what. Bei unseren ersten Purzelbäumen waren wir auch nicht bereit für die olympische Turnmannschaft – alles darf entstehen – nur manchmal haben wir scheinbar Angst vor Fehlern, so dass wir uns und unserem Pferd gar nicht mehr zugestehen, dass wir auch Üben dürfen.
Grundsätzlich sollten wir auch nicht vergessen, wenn wir uns die Aufgaben der Dressurturniere etwa anschauen, dass es am Anfang ganz einfache Übergänge gibt, später werden die Übergänge im Schwierigkeitsgrad stark gesteigert – ist auch okay, also sollten wir ein Endziel ebenso nicht mit unseren Übungen vermischen.
Fehler #3: Nicht wissen, wann man, was tut
Wann gebe ich eigentlich eine Parade? Auf das stehende oder in der Luft befindliche Hinterbein? Genau diese Funktionalität in den Übergängen, von der auslaufenden Parade beim Jungpferd bis hin zu einer ganzen Parade aus dem Galopp beim fortgeschrittenen Pferd kombiniert mit dem Wissen, wann der günstigste Moment zum Parieren ist – das ist eigentlich der Spaß an den Paraden.
Das bedeutet aber auch, dass wir probieren und studieren dürfen. Wann gebe ich eine Parade in welcher Intensität beim Übergang vom Trab in den Schritt beispielsweise?
Eine Parade auf ein stehendes Hinterbein wird immer vom gleichseitigen Zügel gegeben. Wenn wir zu lange dran sind, dann kann es sein, dass der Abschub im negativen Sinne verlängert wird. Das ist dann der Moment, wenn das Pferd schwer auf der Hand wird. Jetzt schmeißen viele Reiter gleich mal die Flinte ins Korn und steigen ab. Von unten hat das doch funktioniert. Meist waren wir von unten aber noch gar nicht so lange flüssig in Bewegung unterwegs (weil wir mehr Pausen zum Durchschlafen brauchen). Übung macht den Meister. Das Pferd wird nach und nach verstehen, wo es die Parade im Übergang hinleiten muss und wo die Entschleunigung stattfinden muss – nämlich nicht auf der Pferdenase oder im Maul, nicht am fünften Bein, der Reiterhand.
Viele, viele, viele Übergänge machen Pferde durchlässig und die Paraden werden auch feiner umgesetzt. Das ist die gute Nachricht.
Grundsätzlich sollte eine Parade nicht durch Dauerzug charakterisiert werden, wir müssen also fühlen, wann die Hinterbeine am Boden stehen und wann wir wieder zum Nachgeben kommen müssen. Leichte Vibrationen zwischen den Fingern sollen später ausreichen.
Bei meinen Pferden habe ich immer auch ganz individuell geschaut – welches Hinterbein tut sich leichter, die Parade anzunehmen, wo habe ich mehr in der Hand, wo weniger? Und welcher Moment ist am günstigsten, um die Parade zum Höhepunkt zu bringen.
Ganz wichtig war dabei der Gedanke, gerade bei einem Übergang von einer höheren Gangart nicht ans Aufhören oder Beenden einer Gangart zu denken, sondern an den Beginn der neuen Gangart – so bleibt auch das Credo von Xenophon „Reite die Hinterbeine nach vorne“ erhalten.
Und dann ist auch noch wichtig, wann in der Standbeinphase kann das stehende Bein eigentlich zur Entschleunigung beitragen? Das können wir selbst ganz gut auch ausprobieren – wir können unsere eigenen Beine mal verständig oder rückständig und eben mal wirklich im Lot platzieren. In welchem Moment können wir eine Kiste gut heben, wann haben wir Übergewicht nach vorne oder hinten?
Die gute Nachricht – Fehler lassen sich ausbügeln
Ich verstehe nach wie vor die Faszination an Paraden. Ich bin auch immer wieder begeistert, wenn sich Konrad neben mir im Rumpf hebt und die Hinterhand senkt und ich bin fasziniert und völlig platt, wie wir das geschafft haben, gemeinsam zu kommunizieren, dass Konrad mich versteht und ich platze vor Stolz, weil er einfach so schön und stolz ist.
Was wir nicht vergessen dürfen – wir arbeiten hier auch immer emotional mit dem Pferd – grundsätzlich sind die Momente der Hankenbeugung für Pferde auch häufig positiv konnotiert, also eben Momente, wo man sich selbst schön und stolz fühlt. Und daher ist es auch wichtig, dass wir nicht vergessen, welcher emotionale Hintergrund dem Pferd im Ausdruck zu Grunde liegt. Wie fühlt man sich dann wohl, wenn man in Minidetails permanent kritisiert wird. Wird das Pferd so zu einem stolzen Ausdruck kommen?
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