Die Themenseminare in Deutschland mit Bent Branderup erfreuen sich großer Beliebtheit. Nach der Diskussion rund um „Vorwärts-abwärts“wurde in Lüdinghausen am Gestüt Moorhof von Marius Schneider nun über Hankenbeugung referiert. Stefanie Niggemeier hat wieder für alle „Daheimgebliebenen“ Mäuschen gespielt:

„Wenn man das Pferd mit dem Zügel durchhält, während es die Hinterhand nach vorn untersetzt, so beugt es die Hinterbeine in allen Gelenken, die Vorhand aber hebt es in die Höhe“

Mit diesem Zitat Xenophons beginnt Bent Branderup seinen Vortrag beim dritten Themenseminar dieses Jahres auf dem Gestüt Moorhof, dem deutschen Zentrum für akademische Reitkunst in Lüdinghausen. Gastgeber Marius Schneider, Meister der Akademischen Reitkunst, freute sich nicht nur über das sommerliche Wetter, sondern auch die zahlreichen Theorie-und Praxisteilnehmer aus mindestens acht verschiedenen Nationen, die sich für das Thema „ Hankenbeugung“ interessierten.

Aufgrund des mehr internationalen Publikums- drei Praxisteilnehmerinnen, lizensierte Trainerinnen der Akademischen Reitkunst waren extra aus ihrer fernen Heimat angereist- wurde die Theorie und auch einige Praxiseinheiten in englischer Sprache abgehalten. Dieses Englisch war jedoch gut zu verstehen und auf Nachfrage war Bent Branderup gerne immer wieder bereit, Inhalte noch einmal auf Deutsch zu wiederholen, bzw. erklärte ihm besonders wichtige Sachverhalte gleich in beiden Sprachen.

Das eingangs erwähnte Zitat Xenophons, immerhin schon 2400 Jahre alt, sei die „gesamte Reitkunst in einer Nussschale“, erklärt Bent Branderup.

Ganz besonders wichtig war ihm, dass der Fokus des Reiters nicht ausschließlich auf dem Beugen der Hinterhandgelenke und dafür besonders geeigneter Lektionen die der Piaffe und der Schulparade liegen darf: „ Angst auf der Stelle , Strampeln- das kann jedes Pferd innerhalb kurzer Zeit lernen. Das hat aber nichts damit zu tun, dass ein Pferd ein gutes Reitpferd ist, das den Reiter lange gesund tragen kann. Dazu gehört viel mehr!“ führt er aus. So sei das oberste Ziel der Arbeit mit dem Pferd die Suche nach Balance, die jedoch immer in jedem Moment individuell sei.

Balance– zu diesem Stichwort arbeiteten dann die verschiedenen Pferd-Mensch-Paare in ganz unterschiedlicher Weise. Mal konnten Lektionen wie Seitengänge dem Pferd helfen, in Balance zu kommen, mal half ein wenig mehr Schwerpunktsverschiebung in Richtung Hinterhand bei gleichzeitigem Erarbeiten des Vorgriffs der Hinterbeine dem Pferd, in eine gute, tragfähige Form zu kommen.

„Balance, Losgelassenheit, Form: diese drei Begriffe sind nicht zu trennen. Ohne Losgelassenheit keine Form, ohne Form keine Balance, ohne Balance keine Losgelassenheit“ , erklärt Bent Branderup.

Die Form, das ist ihm ganz wichtig, dürfe nie aus der Idee kommen, das Pferd in eine bestimmte „Figur“ zu pressen, die kursfotoHilfen des Reiters sollten immer und jederzeit Vorschläge sein, die der Mensch dem Pferd macht. Ob und wie das Pferd diese Vorschläge umsetzen kann – oder überhaupt will- das sei ein Kultivierungsprozess.

„Minimale Hilfen sind ein Privileg des Meisters “, schmunzelt er.

Er erklärt immer wieder, dass es vor allem der Geist des Pferdes sei, der zuerst einmal erreicht werden müsse und sich dem Menschen zuwenden müsse, bevor an eine Formgebung überhaupt gedacht werden könne.

Die verschiedenen Werkzeuge, die der Akademische Reiter schon lange vor dem ersten Aufsitzen oder aber immer wieder im Laufe der Ausbildung nutzen kann, um einerseits eine gute Beziehung zum Pferd zu bekommen, andererseits aber auch ein Verständnis von Hilfen zusammen mit dem Pferd zu erarbeiten seien Techniken wie die Bodenarbeit, Longenarbeit, Handarbeit, Langzügelarbeit und ein Cross-Over, ein Vermischen dieser Techniken, um dem Pferd so helfen zu können, wie es dies gerade braucht.

„Es gibt nicht die eine Technik, es gibt nicht die eine Lektion, es handelt sich um zwei Lebewesen, die gemeinsam einen Weg gehen. Dann, wenn zwei Körper tun, was zwei Geister wollen, dann haben wir unser Ziel erreicht.“

Wenn wir also überprüfen wollen, ob wir unsere Pferde in gesunder Weise ausbilden, dann sei der Blick auf die Tätigkeit der Wirbelsäule das Allererste, was wir zu tun haben. Diese Tätigkeit zeige sich dann im Takt, im der Gangart entsprechenden taktmäßigen Niederschlag der Beine mit gerade öffnenden und schließenden Gelenken. Gut zu sehen war dieser Prozess bei den teilnehmenden Pferden: ein Pferd neigte dazu, die Hinterbeine sehr weit zu stellen, ein Anderes fing an, kürzer zu treten, sobald die Hinterhandgelenke mehr beugten, bei einem weiteren Pferd konnte die Andeutung von Kruppeherein und Schulterherein helfen, dem Brustkorb eine Schwungrichtung aus der Hinterhand zu geben. Je nach Pferd hatte Bent Branderup dann ganz verschiedene Ideen, wie man Balance, Form und Losgelassenheit dann erreichen konnte.

„Die Energie, die der Motor Hinterhand vom Hinterhuf ausgehend produziert muss so durch den Körper des Pferdes fließen können, dass es sich in einer Art und Weise bewegen kann, dass es in den Augen anderer Pferde schön ist. Nicht das, was Menschenaugen schön empfinden ist wichtig in der Ausbildung des Pferdes, Pferde zu Pferden ausbilden ist das Einzige, was in der Akademischen Reitkunst zählt“, betont Branderup immer wieder.

Jedes Hindernis , jede Störung die das Pferd von taktreinen Grundgangarten abhalte müssen im Laufe der Ausbildung mehr und mehr weggearbeitet werden, damit das Pferd zuerst lerne sich zu tragen und dann anschließend gerne und gesund viele Jahre unter dem Sattel tragfähig und geschmeidig bleibe. Hier ist vor allem das Wort „Schwung“ immer wieder ein Begriff, den zu sehen und zu fühlen Branderup die Teilnehmer lehrt. „Schwung“, so erklärt er:

„ist die Fähigkeit der Wirbelsäule, dreidimensional schwingen zu können. Die Energie dazu gewinnt sie aus der Kraftübertragung der Hinterhand.Ist die Hinterhand so wie sie ist tragfähig und in der Lage, Schwung zu produzieren ist eine vermehrte Beugung der Gelenke persönliche Ambition des Ausbilders. Nicht Beugen, Tragen muß das gesunde Reitpferd. Wird das Tragen durch Beugen besser: gut so! Wird es schlechter, hat das Beugen nicht geholfen und man muß andere Wege suchen. Ein Weg kann ein Zulegen sein, das jedoch auch nur dann hilft, wenn das Pferd dabei nicht auf die Schultern gerät. Optimal wäre in der Theorie eine Abwechslung aus Versammlung mit mehr Hankenbeugung und Zulegen und natürlich ebenso andersherum, in der Praxis kann das aber sowohl die körperliche, als auch mentale Balance des Pferdes stören. Hier hilft dann kein starres System, sondern nur ein genaues Beobachten und Umdenken.“

Der Unterschied zwischen Versammlung und Hankenbeugung wird schnell klar wenn Bent Branderup erklärt, dass das anfangs erwähnte Zitat Xenophons sich immer auf den ganzen Pferdekörper beziehen müsse, der immer eine Einheit sei:

„ Ein Pferd ist keine Salami, die sich in Scheiben zerschneiden läßt!“

So könne die Hankenbeugung ein Teil der Versammlung sein, aber nur dann könne man von Versammlung sprechen, wenn das Pferd ohne Taktverlust dazu in der Lage sei, den Brustkorb mit den daran durch Muskel- und Bänderstrukturen aufgehängten Schultern aus der Tätigkeit der Hinterhand zu heben und so mehr Freiheit für die Vorderbeine in Schwungrichtung erhalte. Auch Hals und Schädel sollen frei aus der Tätigkeit der Hinterhand getragen werden, die Hand dürfe ,wie alle anderen Hilfen wie Sitz, Körpersprache, Schenkel, Gerte und Stimme niemals die Energie aus der Hinterhand, den Schwung stören.

Nicht nur ausgesprochen interessante Arbeit wurde von den teilnehmenden Reitern zu diesem hochspannenden Thema gezeigt, auch das Publikum bereicherte das Seminar durch eine sehr konstruktive Wohlfühlatmosphäre, zu der wie immer natürlich auch das gesamte Team des Gestüts Moorhof massgeblich beitrug.

Dankbar für ganz viel Inspiration freue ich mich nun schon auf das nächste Themenseminar mit Bent Branderup im deutschen Zentrum für die Akademische Reitkunst am 17. Und 18. September 2016, wenn es um das Thema „ Facetten der Bodenarbeit“ geht.

Stefanie Niggemeier

Vielen, vielen Dank an Stefanie, die für diese wunderbare Zusammenfassung wieder fleissig zusammengefasst hat.  Weitere Fotos vom Themenseminar gibt es auf Facebook, mehr von der Gastautorin gibt es auf ihrer Homepage. 🙂