Die Tätigkeit der Hinterbeine und das Lumbosakralgelenk 

Das Lumbosakralgelenk ist die gelenkige Verbindung zwischen der Lendenwirbelsäule mit dem Kreuzbein. So ähnlich wie dem Cervicothorakale Übergang (CTÜ) im Bereich der Hals- und Brustwirbelsäule wird auch dem LSG eine ganz wichtige Funktion bei der Übertragung von Schwung und Kraft zugewiesen.

💡 Die These lautet ja, dass die Intensität der Versammlung umso stärker ist, je eher das LSG gebeugt wird.

Dies führt uns schon zur nächsten Frage, denn wenn wir uns das untere Bild anschauen und von einer stärkeren Beugung ausgehen, was mit den einzelnen Teilen der Wirbelsäule passiert?
Bei stärkerer Beugung öffnet sich das LSG, dadurch verändert das Becken seine Stellung zur Wirbelsäule. Soll nun das das Becken abkippen oder nicht?

Schauen wir uns die Zeichnung an (in Pink ist das LSG eingezeichnet) grün innerhalb der Strukturen, als Verbindung zwischen Kreuzbein und Darmbein sehen wir schattiert eingezeichnet das ISG (Ileo-Sakral-Gelenk)

📍Das ISG ist gar nicht so beweglich, wie meist angenommen. Sehr starke Bandverbindungen zwischen Kreuzbein und Becken lassen nur sehr wenig Bewegung zu.

Die Frage ist nun, wie sich die Strukturen der Wirbelsäule verändern, wenn das LSG mehr gebeugt wird.
Wir haben die Möglichkeit, dass das Pferd zwar massiv in der Hinterhand beugt, aber einen Katzenbuckel macht und die Lende hoch drückt. Das zeigt uns:

  • Dass die Beugung für das Pferd noch zu stark ist, das Pferd kann die Kraft nicht übertragen
  • Dass das Pferd der Beugung quasi keine Kraft aus dem Boden entgegen setzt – soll heißen: ausschließlich Beugung ist hier kontraproduktiv, weil keine Kraft von der Hinterhand an die Vorhand geleitet wird. Das Ergebnis schaut dann so aus:
  • Der Rumpf kommt nicht wirklich hoch, es wirkt eher, als würde Konrad seine Sitzbeinhöcker nach hinten schieben, die Lende kommt auch etwas mehr hoch, der Rücken hinter dem Widerrist ist der tiefste Punkt.

Eine andere Möglichkeit, bei der keine Beugung, aber eben auch keine übertragende Kraft aus der Hinterhand vorkommt, sieht wie folgt aus. Tabby drückt mir auf diesem Bild nicht mal gegen die Hand – aber die Kruppe hüpft eher gegen die Gerte, im Übergang zwischen BWS und LWS ist ein unschöner Knick, zoomt man auch genauer ins Foto sieht man auch ein instabiles Öffnen des LSG, ohne aber Kraft zu übertragen, denn die geht (rosa Pfeil) eher in den Boden:

Würde man ständig so weiter arbeiten, dann würden auch Kreuzhöcker oder Dornfortsätze von LWS oder Kreuzwirbeln heftiger nach oben gedrückt. Korrekt nach oben-vorne kann die Kraft aber nur übertragen werden, wenn das stehende Hinterbein auch eine Federung betätigt, sprich ausreichend beugt, dabei aber nicht ermüdet, sondern sich durch die Kontaktaufnahme mit dem Boden wieder mit Energie auflädt, die es dann über die Gelenke der Hinterhand an das Becken und über die Wirbelsäule an die Vorhand überträgt.

Die Beugung alleine ist eben nicht entscheidend, wie wir schon gesehen haben – die Frage ist vielmehr – inwieweit muss das Lumbosakralgelenk stabil bleiben, um die Kraft nach vorne oben korrekt zu übertragen.

📍Ein Merkmal, wenn die Stellung des LSG nicht mehr passt ist eine Instabilität in der Wirbelsäule. Grundsätzlich kann es in weiterer Folge zu einer Skoliose, zu einer Lordose kommen.

📍Wenn das Pferd mit den Vorderbeinen rückständig steht, kann das auch ein Zeichen für ein geöffnetes LSG bei nicht gewünschter Kraftübertragung sein.

📍Das Kreuzbein selbst bzw. die jeweilige Kruppenform kann sich natürlich rassentypisch unterscheiden, deswegen darf man auch nicht zu kritisch vergleichen. Zum Thema Vorwärts muss man halt auch hier wieder festhalten, dass eine gewisse Kraft aus dem Hinterfuß kommen muss, damit das LSG auch seine optimale Position findet, die Kraft stabil zu übertragen. Wenn man sehr untertourig arbeitet, dann schauen die Pferde häufig auch sehr „bauchig“ aus, das LSG ist permanent geöffnet und die Wampe hängt herunter. Selbst wenn wir also einen abgesackten Brustkorb sehen und hoffen, durch Hankenbeugung wieder alles ins Lot zu bekommen, klappt das leider nur nicht, weil die ungesunde Öffnung des LSG auch wieder dazu führt, dass sich Ellenbogen näher an den Rumpf drücken und wir auch hier – bei weiterführender Arbeit weder mehr Platz für die Rumpfmuskulatur schaffen, noch minimieren wir das Risiko einer Ellenbogengelenksarthrose.

Jetzt kommt der ganz gruselige Punkt:

Wir können Pferden tatsächlich auch beibringen, eine solche Haltung einzunehmen. Genauso wie viele, liebe Pferde mitmachen und sich in Rollkur pressen lassen, genauso drücken viele Pferde mit geöffnetem LSG die Lende hoch, das Kreuzbein ebenso und der Brustkorb fällt durch. Und weil sich Mutti freut, macht man es halt immer wieder. Dass dadurch auch Langzeit-Haltungsschäden bei Übernahme des geöffneten LSG ins Privatleben nicht vermeiden lassen, ist irgendwie auch logisch.

📍Das erklärt auch, warum wir die Kombination von Schubkraft (und wir könnten auch sehr gerne ein anders Wort dafür erfinden, weil es halt auch schon so negativ konnotiert ist) und Hankenbeugung benötigen, um echte Tragkraft entstehen zu lassen. Deswegen auch die unbedingte Bewegungsidee bei der Arbeit an der Schulparade, weil wir auch die Idee von Kraftübertragung – im Sinne von – gleich geht es aus der Startbox – brauchen, damit sich die Kraft so überträgt, dass das LSG die Kraft auch positiv nach vorne übertragen kann.

Manchmal können „Dellen“ oder komische neue „Löcher“ im Rücken tatsächlich auch mit der Gretchenfrage: LSG und Hinterhand Tätigkeit beantwortet werden. Was natürlich auch wieder die Frage nach dem Schub aufwirft – und weil wir da am allerbesten in die tiefste Basis schauen – und unter Kraftabdruck nachschlagen.

Jedenfalls – Konrad hatte beispielsweise aufgestellte Haare im Bereich der Lende und der Bereich gefiel mir gar nicht gut im Jänner, er ließ sich nicht viel anmerken, er hat immer sehr brav mitgemacht und sich sehr angestrengt für mich. Aber trotzdem hatte ich ein anders Bild vor Augen und das Gefühl – in dem Bereich passt was nicht. Und seitdem wir den Sattel gewechselt haben und auch vermehrt am Schub, sowie an der Stabilität des LSG bei der Kraftübertragung gearbeitet haben, versucht Konrad auch nicht mehr durch ein Hochdrücken der Lende Schmerzen auszugleichen.

📍Eine unphysiologische Aktivität, die zu einem permanent geöffnetem LSG führt (bei nicht korrekter Kraftübertragung) führt übrigens auch dazu, dass Sättel immer nach vorne rutschen (wir erinnern uns auch an den Hängebauch) – also auch wieder ein spannender Faktor. (Und je mehr spannende Faktoren man kennt, umso eher möchte man manchmal auch alles hinschmeißen, weil man plötzlich Angst vor allem hat – aber keine Sorge – wichtig ist einfach auch zu wissen, wo die Dosis das Gift macht, wo man eventuell zuviel, zuwenig tut und sich danach richten kann).

Und wichtig ist natürlich auch, sich das Pferd immer im gesamten anzusehen – ein Verdacht auf einer Stelle kann durchaus zu einer wichtigen Information führen – manchmal ist die Ursache aber auch nicht „DORT“ auszumachen, wo wir eine Veränderung sehen.

Weil es aber durch die unphysiologische Stellung des LSG zu vielen Veränderungen an der hinteren WS kommen kann, hatte ich dieses Thema für das Forum meiner Online Kurse aufgegriffen und wollte den Input auch gerne mit euch im Blog teilen. 

Mehr zum Thema Paraden gibt es übrigens hier:

https://akademie.einfachreiten.com/paradenkurs