✨ Die Magie der Versammlung
Versammlung – wer einmal ein piaffierendes Pferd unter sich gespürt hat will meistens mehr.
Warum das so ist, wusste bereits Xenophon (430 v. Chr.):
„Wenn man das Pferd in eine Haltung bringt, die es selbst annimmt, wenn es sich das schönste Aussehen geben will, so erreicht man, dass das Pferd des Reitens froh, prächtig, stolz und sehenswert erscheint“.
Wie wichtig ist dieser Satz von Xenophon und er unterstreicht, was wir auf einem versammelten Pferd spüren: Kraft, Pracht, Stolz, Freude. Genau so wollen wir Versammlung fühlen, allerdings ist der Weg dorthin für viele Reiter ein Buch mit mehr als sieben Siegeln, gerade in der Versammlung schleichen sich Fehler ein.
In weiterer Folge schauen wir uns einige Methoden an, die auf dem Weg zur Versammlung ausgeführt werden und durchaus Stolpersteine bergen.
🔎 Hinterhand im Fokus – aber bitte mit Verbindung
Die Kraftzentrale des Pferdes ist nun mal die Hinterhand, oder wie viele sagen der Motor des Pferdes. Daher konzentriert sich gerade in der Versammlung alles auf die Hinterhand, auf das Beugen und das Heben der Hinterbeine. Bei aller Konzentration geht dann sehr häufig die Korrektheit der Versammlung verloren, wenn wir sie nicht Schritt für Schritt erarbeiten, sondern wie ein Kunststück oder einen Trick entwickeln wollen.
Die Hinterhand touchieren
Die Vorgehensweise ist klar, das Pferd wird meist von zwei Ausbildern oder einem Ausbilder an der Bande aufgestellt. Nun werden die Hinterbeine mit der Gerte berührt, das Pferd soll lernen, die Hinterbeine auf eine leichte Berührung mit der Gerte zu heben.
Was dafür spricht: Grundsätzlich ist es nie ein Fehler, dem Pferd zu zeigen, was einzelne Gertenhilfen und Touchierpunkte bedeuten.
Was dagegen spricht: Wird so gearbeitet fehlt die Verbindung zur Vorhand. Das Pferd hebt zwar die Hinterbeine, es stützt sich jedoch auf die Vorhand. Gerade wenn hier zu harsch vorgegangen wird, bleiben die Vorhand eher auf der Stelle. Auch wenn das Pferd nun im Schritt geführt wird und mittels Touchieren ein dynamisches Heben der Hinterbeine ausgelöst wird, kann es sein, dass das Pferd keinen Takt findet, die Vorhand hebt sich nicht, weil sich die Hinterhand senkt und tatsächlich Last aufnimmt. Werden Pferde sehr stark ausschließlich von hinten engagiert, vorne aber stark blockiert, zeigt sich das schnell in Piaffen, die nie leicht in der Vorhand wirken. Das Pferd gewöhnt sich an, die Vorhand stützend einzusetzen, es hat den Anschein, als würden die Vorderbeine nicht vom Fleck kommen. Häufig werden die Vorderbeine auch noch rückständig, echte Leichtigkeit sieht anders aus.
An dieser Stelle sei auch noch gesagt: Pferde sind so liebe Wesen, die stets bemüht sind uns jeden Wunsch zu erfüllen. Ob das ein Erobern einer Plane ist, auf der sich das Pferd mit allen vier Beinen platziert, oder ob es eben „Tritte auf der Stelle“ sind – auch wenn wir es Piaffe nennen – das Pferd an sich hätte mit Sicherheit auch seine eigene Interpretation der Lektion – siehe Xenophon – wir sehen keinen Hengst im Imponiergehabe mit stützenden und rückständigen Vorderbeinen der Stute imponieren. Was würden sich wohl die Pferde denken, wenn wir ihnen erzählten, dass wir hier gerade eine prächtige Lektion ausbilden wollen, die sie strahlen lassen sollte? Diesen Hintergedanken sollten wir bei jedem Inhalt im Kopf behalten – wie würde sich das Pferd selbst am schönsten präsentieren? Gehen wir gerade einen Ausbildungsweg, der das Pferd entwürdigend karikiert? Oder darf das Pferd seinen ganzen Stolz mit einbringen und versteht es tatsächlich auch die Emotion hinter dem Inhalt?
Zusammengefasst:
Die Hinterhand ist die Kraftzentrale des Pferdes – der „Motor“. Kein Wunder also, dass sich in der Versammlung vieles auf sie konzentriert. Häufig wird mit der Gerte touchiert, um das Heben der Hinterbeine zu fördern.
Was daran sinnvoll ist:
✔️ Die Hinterhand sensibilisieren und gezielt ansprechen.
Was daran problematisch ist:
❌ Die Verbindung zur Vorhand fehlt oft.
❌ Das Pferd stützt sich auf die Vorhand, statt sich selbst zu tragen.
❌ Es entsteht zwar Aktion hinten – aber kein harmonisches Ganzes.
🚫 Hüpfen statt tragen: Wenn das Pferd sich versammelt anfühlt, aber nicht versammelt ist
Die meisten Ausbilder unter uns sind auf sich selbst gestellt und haben keinen Assistenten bei der Ausbildung dabei. Wenn wir eine Touchiergerte mit führen und das Pferd in der Frontposition führen, dann wird gerne die Kruppe des Pferdes touchiert.
Grundsätzlich unterscheiden wir verschiedene Touchierpunkte:
An der höchsten Stelle der Kruppe, bzw zwischen Lende und Schweif geht es um vermehrtes Setzen. Etwa eine Handbreit unter dem Schweif bzw, hinter dem Kniegelenk geht es um vermehrtes Setzen im Hüft- und Kniegelenk und eben an den Röhrbeinen um das Heben der Hinterbeine.
Gewöhnen wir uns ein Touchieren an der Kruppe an, dann kann es leicht passieren, dass sich das Pferd eine Versammlung im leichten oder sogar starken Kruppeherein angewöhnt, häufig haben wir dem Pferd ja auch zuvor beigebracht, auf das Heben der Gerte und über den Rücken zeigen mit dem äußeren Hinterbein mehr zum Schwerpunkt zu treten. Die Versammlung wird dann erstens eher schief, zweitens beobachte ich oft, dass nach ein paar grundsätzlich guten Tritten das Pferd beginnt, mit der Kruppe zu „hüpfen, sich also eher nach oben hin abzufedern.
Das Resultat ist dasselbe wie beim Touchieren der Röhrbeine: Die Vorhand kommt bei dieser Ausführung nicht mit, weil die Kraftrübertragung an das Becken und über die Wirbelsäule nach vorne in Richtung Vorhand nicht mehr stimmt und fehlgeleitet ist. Wir haben ein Pferd mit viel Aktion in der Hinterhand, aber ähnlich wie bei der Kritik am großen Viereck, was die spektakulären Verstärkungen anbelangt – die Bewegungsenergie wird nicht korrekt übertragen.
Bei einer fehlerhaften Versammlung tut das Pferd in der Hinterhand viel und überträgt nicht an die Vorhand, bei einer fehlerhaften Verstärkung tut sich viel bei der Vorhand, aber die Hinterhand kommt nicht mit. Das Pferd wirkt in beiden Fällen in der Mitte gebrochen und es findet keine reelle Kraftübertragung statt.
Kurze Tritte ohne Lastaufnahme
Es ist für uns als Reiter ganz schwierig, auf dem Weg zur Versammlung das Richtige vom Falschen zu unterscheiden. Häufig nehmen wir die Pferde zwar gut im Tempo zurück, aber wir spüren, dass wir immer mehr Energieverlust erfahren. Je mehr wir vermeintlich versammeln, umso weniger Energie kommt vom Pferd, umso weniger haben wir das Gefühl wieder flüssig vorwärts reiten zu können. Wann immer wir Energie verlieren, sollte es daher auch wieder vorwärts heißen. Hier kommt unser Bedürfnis nach der Leichtigkeit der Versammlung erschwerend ins Spiel. Wir möchten ja so gerne diesen kraftvollen Moment auf der Stelle spüren – da wir häufig selbst Lernende sind, ergeht es uns so: „Nur noch einen Moment spüren…DA, da war es, ich habe den Moment erfühlt, kann ich ihn ausdehnen?“ Und so kommt es, dass wir meist viel zu spät aus der Versammlung entlassen und wieder frisch am Vorwärts arbeiten. Das Ergebnis sind kurze Tritte, die das Pferd zwar langsamer machen, aber zunehmend mehr in der Kruppe hüpfen lassen, jedoch keine echte Versammlung. Mag zwar auch ganz harmonisch aussehen und eine weitere Crux – fühlt sich auch nicht so schlecht an, aber gerade Momentaufnahmen auf Fotos und Videos zeigen, was in der Entwicklung fehlt.
Die Zutaten der Versammlung
Auf dem Weg zur Versammlung ist es im Prinzip wie mit einem guten Rezept. Und ein gutes Rezept hat präzise Zutaten.
Versammlung bedeutet Energie und Kraft, im Grunde war die Versammlung ursprünglich da, auf engem Raum mit hoher Energie wendige Manöver auszuführen (deswegen nannte man früher auch die Versammlung Wendigkeit) und dann wieder volle Energie nach vorne auszurichten (beispielsweise zur Flucht oder Verfolgung).
Versammlung sollte daher immer aus dem Vorwärts entwickelt werden. Wir denken häufig zu stark an das Endergebnis, nämlich die Piaffe auf der Stelle – was aber auch entwickelt werden muss ist das Zusammenspiel von treibenden und verwahrenden Hilfen.
An dieser Stelle die Frage an die Schulklasse: Welche Hilfen müssen überwiegen? Richtig, die treibenden. Grundsätzlich gibt es sechs verschiedene Schenkelhilfen, die alle so ähnlich aussehen bzw. sich auch für das Pferd ähnlich anfühlen müssen, da der Schenkel leider keine eigene Position für jede einzelne Hilfe einnehmen kann. Wir unterscheiden zwischen dem direkten Schenkel, der das jeweilige Hinterbein im Moment des Abfussens begleitet, dann haben wir den formgebenden Schenkel, der für Biegung sorgt, den verwahrenden und den rahmenden Schenkel und den versammelnden Schenkel. Der versammelnde Schenkel sagt dem Pferd, dass es ein wenig früher mit dem Hinterbein abfussen soll.
Auch das führt häufig schon zu Fehlern, da wir den Takt schneller erhöhen, als uns lieb ist.
Wir müssen den eigenen Takt des Pferdes unbedingt kennen. Manche Pferde werden den Takt in der Versammlung erhöhen, also deutlich schneller abfussen und den Takt rhythmischer gestalten als etwa im Trab. Andere Pferde fühlen sich von einer solch starken Erhöhung des Taktes schnell überfordert, werden in der Hinterhand schnell und richtig, in der Vorhand wieder langsamer.
Womit kann mein Pferd gut? Hat es ein sicheres Taktgefühl, bringe ich den Takt schnell durcheinander? Ist es mehr Ruhe oder mehr Energie, die wir auch in anderen Inhalten eher suchen? Auch das ist entscheidend bei der Entwicklung der Versammlung.
Halbe Tritte und immer wieder vor – das ist mal ein guter Start. Und hier gilt auch für uns: Wo legen wir unser Hauptaugenmerk hin? Für uns ist das meist die Versammlung an sich, aber sie wird sich besser entwickeln, wenn wir auf das Vorwärts den größeren Wert legen – also auf die Frage, bleiben Formgebung und Losgelassenheit erhalten und kann das Pferd auf eine Schenkelhilfe sofort wieder mehr ins Vorwärts schwingen?
Übergänge, Übergänge und nochmal Übergänge helfen beim immer bessern Verständnis für die Versammlung, das bedeutet, wir üben Übergänge zwischen den Gangarten, einstufige Übergänge vom Trab in den Schritt oder mehrstufige Übergänge vom Trab ins Halten. Je besser und feiner das Pferd hier auch die verwahrenden und parierenden Hilfen annimmt, diese auch mit dem Gedanken ausführt, dass wir die neue Bewegung beginnen und nicht „aufhören“ zu traben, umso besser wird auch die Lastaufnahme im Übergang auf der Hinterhand sein. Gelingen Übergänge vom Trab in den Schritt nur auslaufend und auch nicht auf den Punkt geritten (Punktlandungen geben uns auch ganz präzise darüber Aufschluss, ob eine Parade gut ausgeführt wurde, oder nicht) umso besser ist das Pferd für die Versammlung vorbereitet.
Viele Ausbilder „überspringen“ hier gerne diese dringenden vorbereitenden Schritte und zäumen das Pferd gerne von hinten auf – wenn wir beispielsweise in der Statik viel Versammlung üben – etwa bei der Schulparade. Betrachten wir aber auch die Akademische Ausbildungsleiter, dann ist die Schulparade erst auf Stufe 12 zu finden (von insgesamt 17 Stufen) und gehört nicht unbedingt per se in die ersten Ausbildungsjahre.
Die Dynamik der Bewegung geht dann verloren
und was auch wichtig ist:
❗Abdruck!
Das Pferd beugt in der Versammlung ein, wir freuen uns, wenn wir hinter unserem Sitz das Gefühl haben, dass das Pferd die Hinterhand senkt und sich vor uns aufrichtet. Soweit so gut – aber wenn wir selbst langsame Kniebeugen machen versus schnelle, dann spüren wir auch ganz schnell, was uns mehr Kraft raubt und wo der Muskelkater begraben liegt. Die Dynamik der Bewegung zu nutzen ist weniger kraftraubend zu Beginn, andererseits ist auch das Vorwärts der Schlüssel. Wenn das Pferd die Hinterbeine nach vorne setzt, dann kommt der Fuß am Boden auf und was macht er dann? Er muss auch die Kraft umwandeln. Einerseits beugt das Hinterbein ein, andererseits muss es aus dem Bodenkontakt wieder Kraft gewinnen und umwandeln. Das ist die Macht von Schub, wobei dieser Begriff in der Reitkunst leider eher negativ behaftet ist.
Wird die Kraft nur nach oben umgeleitet, dann haben wir wieder die hüpfende Kruppe und keine Versammlung, wird die Kraft nach vorne umgeleitet, dann haben wir einen Abdruck, der das Pferd auch ins Vorwärts bringt – unter uns haben wir das Gefühl jederzeit wieder vorwärts reiten zu können.
Im Grunde ist es wie in vielen Inhalten die Sache mit dem „Koffer“, den wir packen. Ihr kennt das Kinderspiel zur Erinnerung? „Ich packe meinen Koffer für den Urlaub und nehme mit…“
- Energie
- Vorwärts
- Die Möglichkeit sofort ins Vorwärts zu kommen
- Paraden richtig umsetzen
- Den Takt erhalten
- Das Tempo bestimmen – mal mehr oder weniger vorrücken
- Kraftabdruck erhalten
- Einbeugen hinzufügen
- Wenn wir nur eine Zutat verlieren, dann ist es keine korrekte Versammlung.
Leider vergessen wir auf unserem Weg zu schwierigeren oder höheren Inhalten gerne, wie kleinschrittig wir auch an der Basis gearbeitet haben. Weil die Versammlung so ein schönes Ziel für uns ist, haben wir sie immer als Endziel vor Augen und halten uns auch daran fest.
Piaffieren kann prinzipiell jedes Pferd. JEDES Pferd. Es wird vielleicht in der Ausführung nicht immer unserem Ideal entsprechen. Ich habe aber auch schon Noriker in Österreich gesehen, die in ihren Versammlungskünsten einem feurigen PRE in nichts nachstanden.
Jedes Pferd kann also piaffieren, die Frage lautet eher – kann jeder Ausbilder seinem Pferd das so beibringen, dass es sich so bewegt und präsentiert, wie Xenophon es uns lehrte?
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