Bodenarbeit – ein Begriff und ganz viele Facetten. In der Akademischen Reitkunst verbringen wir gerne auch viel Zeit am Boden. Das hat den folgenden Vorteil: 

  • Am Boden lernen wir zu sehen, wir können nach und nach die Bewegungsqualität des Pferdes interpretieren und entwickeln ein Gefühl durch das geschulte Auge, das wir anschließend auch in den „fühlenden Po“ übertragen können. 
  • Am Boden haben wir Zeit und Ruhe neue Hilfen und Signale zu etablieren, verständlich zu machen und Schritt für Schritt an Details zu tüfteln. 
  • Am Boden begegnen wir dem Pferd auf Augenhöhe – vom Sattel aus ist es trotz gelungener Lektionen manchmal nicht so einfach auch zu beurteilen, wie unser Pferd den gerittenen Inhalt empfunden hat. 
  • Am Boden können wir auch die Macht der Spiegelung und Körpersprache nutzen, um die gerittene Arbeit vorzubereiten. 

    Folgende Positionen können wir am Boden für den Tanz mit dem Pferd nutzen
  • Die Frontposition
  • Die seitliche Führposition 
  • Die Handarbeitsposition, entweder von innen oder außen geführt
  • Die Longierposition 
  • Den Crossover (wenn du dich nicht entscheiden kannst, dann nutze sie doch alle ;-)) 
  • Frontposition – für wen ist sie eigentlich gemacht? 

In der Frontposition bewegen wir uns selbst vor dem Pferd und laufen dabei rückwärts. Der Vorteil der Position liegt sicherlich im guten Überblick, den wir über das Pferd erhalten. Je nach Größenverhältnis können wir das Pferd gut vom Genick bis zum Schweif überblicken und so auch die Bewegungsqualität entsprechend beurteilen. 

Die Frontposition ist eine Position, die wir gerne in der Grundausbildung des Pferdes am Boden, aber auch in der Grundausbildung des Ausbilders selbst verwenden. 

Es heißt ja immer, das Pferd soll von hinten nach vorne gearbeitet werden. Sind wir quasi an „vorderster Front“, dann sehen und spüren wir sehr genau, wie die Bewegung aus der Hinterhand über den Rücken nach vorne übertragen wird. Wir spüren durch unsere Hand am Kappzaum oder am Seil sehr genau, wie sich Bewegung auf das Genick, Hals und den Schultergürtel des Pferdes übertragen. 

Aber – auch hier gibt es ein Aber, denn manchmal behindern wir auch die Bewegung selbst. 

Wenn wir beispielsweise zu langsam sind. Wir beobachten das Pferd, während wir rückwärts laufen und in dem Moment versagt unser innerer Tempomat. Wir werden zu langsam. Das Pferd beginnt über die äußere Schulter mehr Biegung zu nehmen und überbiegt deutlich im Hals. Jetzt haben wir ein Balanceproblem, welches aber nicht am hinteren Ende des Pferdes entstand, sondern am vordersten – bei uns selbst. 

Rückwärts laufen will erstmal gelernt sein. Dafür braucht es eine gute Kondition, ein bisschen Motivation (Durchhalten), einen Platz ohne Stolperfallen und eine gute Zielführung. Manchmal eiern nämlich auch wir rückwärts und plagen uns mit der Linienführung. Hier kann es zielführend sein, einen gewissen Punkt (Baum an der Bande, Zaunpfosten, Bandenpunkt oder sonstige Markierung) im Auge zu behalten um tatsächlich auch eine gerade Linie rückwärts zu laufen. 

Der Todeszirkel 

Wir lieben den Zirkel. Der Zirkel ist gut, er sorgt für konstante Biegung und wir können das innere Hinterbein auf dem Zirkel so viel einfacher observieren. Wenn wir aber lange auf einem Zirkel unterwegs sind, laufen wir in Gefahr auf der einen Hand unserer eigenen Schiefe entsprechend den Zirkel zu vergrößern, auf der anderen Seite verkleinern wir die Linienführung nur allzu gerne. Auch ein korrekter Zirkel will gelernt sein. Daher lohnt es sich über sein eigenes schiebendes und tragendes Hinterbein bescheid zu wissen. Für manche Pferde ist der Zirkel auch noch eine Sache, die gelernt werden will – also auch immer wieder mit einer geraden Linie für Abwechslung sorgen, das gibt auch Kostenwahrheit darüber, ob die Biegung nach links oder nach rechts tatsächlich gut gearbeitet wurde, oder eben nicht. 

Von hinten nach vorne? 

Folgende Situation begegnet mir sehr oft im Unterricht. Zweibeiner rückwärts vor dem Pferd, Pferd folgt dem Menschen brav. Plötzlich wird am Kappzaum pariert, der Mensch kommt ins Schnaufen und beklagt sich über übermässigen Schub, den das Pferd da in die Hand legt. 

Einerseits ist da die Mär von der „bösen Schubkraft“. Klar wollen wir nicht, dass sich das Pferd auf die Hand legt und wir uns geschoben fühlen, aber trotz aller Punkte, die wir gerne auf der Habenseite hätten, sollten wir uns Gedanken darüber machen, ob wir es nicht auf der Habenseite verpatzt haben. 

Manchmal sind wir, wie schon gesagt zu langsam, Pferd und Mensch passen in der Frontposition vielleicht nicht so gut zusammen, oder das Pferd hat einen großen Rückenschwung. Es wäre sehr schade, wenn wir diesen korrekten Schwung abkürzen, nur damit wir selbst im Tempo mithalten können. 

Auch bei der Frontposition ist es wichtig zu bedenken, dass wir die Pferde immer von hinten nach vorne arbeiten wollen. Das bedeutet, dass wir „vorne“ nicht zu stark bremsend einwirken sollten, vor allem, wenn wir uns gerade in der Grundausbildung befinden. Hier ist es vor allem wichtig, die Energie des Pferdes nicht im Keim zu ersticken. Wenn wir über Schubkraft nachdenken, dann müssen wir auch über die Kraft nachdenken, die das Pferd in der Standbeinphase vom Boden aus generiert und die es letztlich auch vorwärts bringt. Auch wenn die Schubkraft in Verruf geraten ist, wir brauchen sie, um letztlich auch die Trag- und Federkräfte überhaupt entwickeln zu können. 

Kultivieren wir jetzt in der Ausbildung einen Zustand, der dem Pferd weismacht, eher von der Hand weg zu treten oder sich hinter der Hand des Ausbilders zu verkriechen haben wir ein grundsätzliches Energieproblem erarbeitet. 

Ein Vorteil der Frontposition ist natürlich auch, dass wir das Pferd in der Nähe des Genicks begleiten. Wir können beispielsweise einem sehr aufgeregten Pferd in aller Ruhe im Stand zeigen, wie es sich vom inneren Schenkel löst. Dafür nutzen wir zu Beginn der Ausbildung auch unsere Hand am Kappzaum, respektive am Führseil und formen den Hals etwas abwärts. Dies sollte aber auch kein Dauerzustand sein. Letztlich wollen wir ja auch nicht zu handlastig vom Sattel aus arbeiten. Jede Ausbildung und jeder einzelne Schritt sollte immer das große Ganze im Überblick behalten. Wenn ich später auf dem Pferd sitze, kann ich auch nicht abspringen und wieder vom Boden lösen, wenn das Pferd nicht vertrauensvoll zur Hand hin sucht. 

Für manche Pferde ist die Position des Menschen vor der Pferdenase auch sehr beklemmend. Manche Pferde fühlen sich tatsächlich physisch ausgebremst, manche fühlen sich mental ausgebremst, obwohl sie für den Zweibeiner subjektiv gar nicht zu schnell sind. Dann lernt das Pferd natürlich auch, sich zu verhalten, oder es macht seinen Unmut deutlich kund, indem es nach dem Seil oder der Gertenhand schnappt und den Ausbilder erst recht etwas vor sich her schiebt. 

Vor jeder Korrektur müssen wir uns also kritisch selbst hinterfragen. Haben wir alles richtig gemacht? Waren wir ausreichen vorwärts unterwegs? Haben wir mit der Hand zu stark eingewirkt? Auch der eigene Rückenschwung wird gerne mal stecken bleiben, wenn wir mit der Hand zu fest am Kappzaum dran sind. 

Fazit der Frontposition 

Die Frontposition ist vor allem eine Position, die uns als Ausbilder unseres Pferdes zu Gute kommt. Wer die Akademische Reitkunst nicht kennt, hat schon mal gerne seine Vorurteile zur Sprache gebracht. Da wird das Pferd ausgebremst, das Pferd wird an der Nase herum geführt, das Pferd kann nicht frei schwingen. 

Manchmal tut Kritik aus anderen Reihen ganz schön weh, aber zum Wohle des Pferdes ist einfach jede Kritik ernst zu nehmen und zu hinterfragen. Und aus dieser kritischen Selbstreflexion kann man dann doch vielleicht auch erkennen: „Ja das stimmt, ich bin primär mit der Hand am Kappzaum beschäftigt, habe mein eigenes Tempo verloren und nutze auch mehr verwahrende als treibende Hilfen.“ 

Wer in jeder Position auch sich selbst „in die Mangel“ nimmt und kritisch hinterfragt, wie denn die Pharmazie der eigenen Hilfengebung und Kommunikation läuft, der findet auch rasch einen potenziellen Fehler. Und der Jackpot lautet. Jeder Fehler, den wir finden, der macht uns zu einem besseren Ausbilder, vor allem, wenn wir ausformulieren, was schief gelaufen ist und welche Folgewirkung unser Verhalten hatte. 

In der Frontposition können wir ein unheimlich feines Gespür für unsere Hand entwickeln. Wir spüren, wie das Genick schwingt, wir spüren, ob das Pferd leicht in der Hand und Stellung ist, wir spüren, ob es von selbst eine gewisse Form über die Arbeit mit dem inneren oder äußeren Hinterbein einnimmt, oder ob wir eben viel in der Hand haben. Wir spüren, ob eine kleine Veränderung bereits ein Ungleichgewicht in den Schultergürtel bringt oder ob das Pferd gleichmässig in der Balance läuft. 

Und die Kirsche auf der Sahnetorte? Nach einiger Zeit lässt sich das sehr unmittelbare Gefühl aus der Frontposition auch in weiterer Positionen bis hin zur Arbeit unter dem Sattel übertragen. Unsere Hand weiß dann – auch wenn sie nicht direkt an der Pferdenase dran ist, was da gerade im Pferdekörper passiert. Das ist natürlich ein wirklich großer Gewinn, denn neben der „technischen Trickkiste“ der Hilfengebung ist es letztlich unser Gefühl, das auch die notwendigen technischen Werkzeuge ansteuert und entscheidet, ob ich mehr oder weniger Hilfen brauche. 

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