Pferde und Liebe – das ist so eine Sache.
Warum haben wir uns überhaupt den Pferden zugewandt? Prinzipiell? Der Liebe wegen.
Eine unerklärliche Liebe zum Pferd war überhaupt der Grund, warum es uns zu Pferden gezogen hat.
Das war bei mir so und ich gehe davon aus, diese Geschichte lässt sich vielfach wiederholen, egal ob hier bei mir in der Steiermark, in Deutschland, in der Schweiz, in England oder sonst wo auf der Welt.
Und ist es nicht wundervoll? Als ich ein kleines Kind war, da habe ich mich in Pferde verliebt – keiner weiß eigentlich genau warum. Ich fand grundsätzlich viele Tiere toll, aber beim Anblick eines Pferdes stockte mir der Atem, ich war fasziniert und konnte die Augen nicht mehr von den Pferden lassen. Sie nur zu sehen war mir genug.
Liebe und die Bedingungen
Wenn ich über Liebe generell nachdenke, dann bin ich sehr dankbar und froh, diese Erfahrung in meinem Leben gemacht zu haben. Später werden wir mit der Liebe nämlich garantiert andere Erfahrungen machen. Wir werden Bedingungen knüpfen – wir werden oft genug Bedürfnisse an die Liebe knüpfen. Nur wenn unser Partner „xyz“ macht oder sagt, dann fühlen wir uns geliebt – dann hat diese Liebe Bestätigung.
In der Liebe mit den Pferden war es uns als Kind aber ganz egal was von unserem geliebten Pferd kam – die Pferde, für die unser Herz schneller schlug waren zunächst auch nicht unsere eigenen. Es reichte uns, sie zu sehen, sie zu streicheln, ihnen beim Kauen zuzuhören, sie zu beobachten.
Und dann kam das Leben dazu. Wir lernten in der Reitschule und hatten Freude am Reiten – logisch, sonst hätten wir da auch nicht von Woche zu Woche oder Monat zu Monat weiter gemacht. Neben der Liebe zum Pferd stellten sich noch ganz andere Gefühle ein.
Vertrauen zum Pferd entwickeln, Bewegung entdecken und hier wieder Vertrauen aufbauen, das Pferd führen und Verantwortung übernehmen, gleichzeitig sich aber auch auf das Pferd verlassen können.
Und dann kamen die ersten Herzschmerz Erfahrungen hinzu: In meinem Fall war es so, dass ich einerseits das riesige Glück hatte direkt neben einem Trakehnergestüt aufzuwachsen, andererseits habe ich mich natürlich immer in junge Pferde verliebt, die dann später auch verkauft wurden – und nicht an mich, auch wenn ich meine Eltern quasi jeden Tag mit meinem Herzenswunsch belagerte.
Die Pferde und das Gefühl
Auch ohne eigenes Pferd war ich mit den Pferden glücklich. Sie mochten mich, und dabei war es komplett egal welche Schulnoten ich schrieb, ob ich ihnen von meinem ersten Liebeskummer erzählte oder ihnen von anderen Sorgen erzählte. Pferde waren immer da, sie waren immer echt, sie waren immer im Moment, sie erden uns, geben uns Kraft, lassen uns im Hier und Jetzt sein. Wie wunderbar sind Pferde – doch dann erlebte ich besonders mit meiner Stute Barilla ein anderes Gefühl.
Barilla oder – Liebst du mich genug?
Barilla war mein drittes Pferd. Ich hatte mich in sie verliebt, sie galt als schwierig und dennoch hatten wir sofort einen Draht zueinander. Damals Anfang 2000 studierte ich noch in Wien und nahm mein Pferd daher mit zu mir in die ferne Stadt, besser gesagt den wunderbaren Wienerwald, den wir auf zahlreichen Ausritten unsicher machten.
Ich erinnere mich noch heute über 20 Jahre später an einen Ausritt – es hatte viel und frisch geschneit, der Weg war unberührt und wir galoppierten im Pulverschnee im Wald bergauf und genossen die frische Luft, den herrlich blauen Himmel und die besondere Stille im verschneiten Wald. Im Gelände waren wir ein wunderbares Team, doch mit der Zeit wuchs auch meine Ambition.
Wir konnten doch nicht „einfach so“, die Zeit miteinander genießen, es galt ja auch etwas zu lernen, mein Pferd auszubilden. Der Leistungsgedanke ist unserer Gesellschaft natürlich nicht fremd, ich wollte mich also auch „ernsthaft“ mit meinem Pferd beschäftigen. Doch mein Pferd sagte auf viele Fragen „Nein“.
Ich tu doch so viel für dich?
Nach einem wunderbaren Jahr in Wien und dem Ende meines Studiums in Sicht, sehnte ich mich nach meinem alten Stall, Unterstützung bei der Ausbildung und kam zurück nach Graz in die Steiermark. Und machte den schwersten Fehler meines Lebens in der Ausbildung meines Pferdes. Ich war mir sicher, mein Pferd war sich aller Dinge bewusst, die ich für sie plante, umsetzte, besorgte, organisierte – sprich – ich „erwartete“ mir dann doch etwas Kooperation für meine Mühe. Und wurde bitter enttäuscht, denn für Barilla zählte natürlich vor allem eines: Ein fairer Umgang (da war ich mir sicher, dass ich sehr fair war), logische und durchdachte Erklärungen für sie (großes Manko aus meiner Sicht, ich konnte damals ja nicht mal in kleine Schritte zerlegen, warum ich wann, welche Hilfe gab, außer „dass es doch schon immer so war) und Unterstützung aus dem Sattel, die vorhersehbar und vor allem auch immer gleich war (ein A bleibt immer ein A und ist nicht morgen ein B).
Ich scheiterte mit all meinen Versuchen und war dementsprechend frustriert. Warum konnte sich mein Pferd nicht eine halbe Stunde am Tag für mich anstrengen, wo ich doch praktisch den ganzen Tag mein Hirn zermarterte, warum ich sie nicht ordentlich über den Rücken zur leichten Hand reiten konnte.
Ich darf den Ausgang der Geschichte Spoilern: Wir fanden nach vielen Jahren endlich Hilfe, ich lernte endlich warum ich wann, welche Hilfe angepasst an die Bewegungsmomente des Pferdes kommunizieren kann und die Geschichte hätte ein glückliches Ende gefunden und wir hätten vermutlich noch lange gemeinsam gelernt, wäre da nicht eine Kolik gewesen, die Barilla mitten aus dem Leben riss.
Worum es mir aber in diesem Artikel geht, sind die Gefühle, die wir für das Pferd haben und wie sich die Gefühle im Zuge von Ambitionen (so war meine Geschichte) wandelten.
In meinem Fall war es so, dass ich mir aufgrund meiner Leistung und Obsorge für mein Pferd auch ein entsprechendes Kooperieren von Barilla „erwartete“.
Wenn wir Pferde ausbilden, Zeit mit Pferden verbringen dann ist der primäre Grund ein Gefühl – nämlich Liebe fürs Pferd. Und dann kommen eben noch andere Gefühle dazu.
Neben der Erwartungshaltung, die ich damals fälschlicherweise hegte (= Pferd muss mir meine Wünsche erfüllen, schließlich erfülle ich die Wünsche meines Pferdes auch) gibt es aber auch noch ein anderes großes Thema unter uns Pferdeleuten.
Ich habe Angst, dass du mich nicht mehr liebst
Die Liebe unseres Pferdes zu uns ist uns so immens wichtig, dass wir Angst haben ihrer nicht habhaft zu werden. Aus diesem Grund fällt es uns schwer Grenzen zu setzen, „Nein“ zu einem Verhalten unseres Pferdes zu sagen, schließlich wollen wir es uns in der Gunst des Pferdes nicht verscherzen.
Schon alleine, wenn ich diese Zeilen schreibe, frage ich mich, ob man sich beim Lesen denkt, es geht um das Brechen von Willen, um das Zurechtweisen, um Kontrolle und Zwang. Wie immer denken wir Menschen in großen Extremen.
Entweder Horsemanship nach dem Motto: „Ich bin hier der Boss“ oder Wattebäusche werfen – dazwischen ist nicht viel Platz.
Und das ist schade, denn gerade das „Dazwischen“ kann uns so viel über uns selbst beibringen.
Warum fällt es uns denn so schwer, Grenzen zu ziehen und „Nein“ zu sagen?
Denken wir ausschließlich bei unserem Pferd so? Wenn ich „Nein“ sage, dann hast du mich nicht mehr lieb? Oder passiert uns das vielleicht auch im Miteinander mit unseren Freunden, Kollegen, Partnern?
Halte ich mich selbst lieber ganz klein, weil ich Angst die Gunst von anderen (das kann jetzt beliebig für Zwei- oder Vierbeiner gelten) zu verlieren?
Du bist mir ausgeliefert
Keine Frage – als Pferdehalter haben wir eine immense Verantwortung. Wir entscheiden, wie wir unsere Pferde halten, welche Form von Auslauf sie bekommen, wann sie, womit gefüttert werden, ob sie eine dauerhafte Wohngemeinschaft mit anderen Artgenossen leben oder ob da ständiger Wechsel ist oder vielleicht auch kaum Sozialkontakt (wobei ich letztere Form der Haltung weniger unter meinen Lesern entdecke).
Kennt ihr den österreichischen Kabarettisten Josef Hader? Extrem scharfer und schwarzer Humor, Sarkasmus der Oberklasse – aber halt auch immer ein gewisser Wahrheitsgehalt, darum tut es ja auch so weh. Hader jedenfalls erzählt in einer Episode über einen Ehestreit, dass er seiner Exfrau folgendes im Umgang mit ihrer Katze vorwarf:
„Das ganze Fett, das du dir selbst nicht gönnst ist auf der Katze“.
Josef Hader aus seinem Kabarettprogramm
Und schon wieder sind wir bei einem anderen Extrem. Und wie ich finde ist es auch an der Zeit dieses zu thematisieren. Ich komme nicht umhin, besonders unter uns Frauen festzustellen, dass wir uns immer schlechter behandeln. Wir kümmern uns um andere, sind immer da, wir gönnen uns selbst häufig sehr wenig. Logisch, dass wir dann die, die wir am meisten lieben auch verwöhnen – was grundsätzlich auch okay ist – manchmal artet es aber auch aus.
So habe ich auch schon Pferdeleute getroffen, die ihrem Pferd förmlich alles gegönnt haben, sich selbst aber sehr an der kurzen Leine gehalten haben. Ja, vielleicht haben wir auch ein schlechtes Gewissen, weil unsere Pferde eben ihr Leben aufgrund unserer Entscheidungen gestalten müssen. Wir können uns der „Liebe“ unserer Pferde praktisch sicher sein, schließlich können unsere Pferde nicht „Schluss machen“ und sich einen neuen Zweibeiner suchen – und daher tun wir, was wir können für unser Pferd und landen im anderen Extrem.
Du kannst entscheiden
Ich habe seit vier Jahren das Glück, meinen Pferden ein Zuhause zur Verfügung stellen zu können, wo wir entscheiden – Regennächte verbringen wir gerne im Stall, wird es sau-saukalt, dann wird ebenso drin übernachtet, ebenso wie die Siesta bei „heiß-heiß-heiß“. Aber ansonsten darf man draußen unterm Sternenhimmel schlafen (was sich die Pferde lieber aussuchen als ihren Unterstand). Das Heu wird limitiert (Sorry, meine Lieben, aber ich möchte euch nicht krank futtern, vor allem da es zwei Buben gibt, die bei 24/7 heu nicht an eine Pause denken)…meine Pferde haben allerhand Entscheidungsmöglichkeiten.
So kann es durchaus vorkommen, dass ich zur Koppel gehe und beispielsweise Mandrake die Entscheidung trifft, als erster mit mir etwas zu unternehmen. Ich kenne aber meine Pferde gut – Konrad, der im Einstellbetrieb, wo wir zuvor waren immer meine Nummer eins in seiner Gruppe war (Logisch, weil die anderen Buben waren ja nicht meine) steht dann manchmal abseits und überlegt. Er ist vom Charakter so, dass er sich nicht vordrängen würde, vor allem nicht vor Mandrake, vor dem hat er Respekt. Merke ich also, dass Konrad die Szene beobachtet, dann hole ich auch mal Konrad zuerst, der dann super Laune mit bringt.
Heute, da ich diese Zeilen schreibe bin ich bald 44 Jahre alt und kenne mich mittlerweile doch schon recht gut. Ich weiß, wo meine persönlichen Themen sind, beispielsweise habe ich meinen Pferden gegenüber meinen persönlichen Ehrgeiz etwas zu erreichen brutal minimiert. Einfach weil mich die Leistungsgesellschaft sehr geprägt hat und ich auch oft das Gefühl hatte, ich bin nur etwas wert, wenn ich etwas leiste. Logisch, dass ich meine eigenen Erfahrungen in die Beziehung mit dem Pferd mit bringe, heißt jetzt nicht, dass ich meine Pferde nur noch streichle, aber ich bin sicherlich viel kulanter geworden, viel weniger „verbissen“ und selbst wenn etwas noch nicht so gut klappt, ist das ganz egal, meinen Pferden möchte ich trotzdem immer ein gutes Gefühl geben.
Was ich sagen möchte – als Kind hatten wir vielleicht noch nicht so viel Gepäck – daher wandelt sich auch die Beziehung zu unseren Pferde mit all den Themen, die wir im Laufe unseres Lebens ansammeln.
Und abgesehen von Piff, Paff und Puff – wir können einen Menge von unseren Pferden lernen. So lernte und lerne ich noch immer viel über meine Erwartungshaltung von den Pferden. Ich lerne im Moment zu sein und mich nicht immer über das Morgen zu sorgen.
Das lernen hört nie auf.
Und egal wir stehen – vergessen wir nicht – unsere Pferde haben uns lieb. Sie werden sich immer für uns bemühen, sind neugierig und möchten uns auch gefallen. Beobachten wir die Pferde, so wie wir genau damit glücklich waren, als wir Kinder waren. Einfach mit den Pferden zusammen sein.
Und nehmen wir auch das besondere Geschenk unserer Pferde an – uns auch in unserer Persönlichkeit weiter zu entwickeln – durch unsere Pferde. Und dazu gehört auch „Nein“ zu sagen, aber auch „Ja“ zu sagen, über sich hinaus zu wachsen, sich etwas zu trauen, sich etwas zuzutrauen, den Moment zu genießen, die Stille, die Achtsamkeit und so vieles mehr.
Ein „Nein“ meinen Pferden gegenüber bedeutet noch lange nicht, dass sie mich weniger mögen, ich glaube, das ist eine ganz wichtige Sache, die wir auch von den Pferden mitnehmen können – nehmen wir diese Aufgabe an. Lernen wir von unseren Pferden wieder so zu lieben, wie wir das als Kinder gemacht haben. Damals genügte das Gefühl, aber als Kinder haben wir häufig auch noch viel ehrlicher unsere eigenen Grenzen kommuniziert. Freuen wir uns – schließlich bringen uns die Pferde auch immer wieder zu dieser Liebe zurück.
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