„Neid muss man sich verdienen, Mitleid bekommt man geschenkt.“
Hört man als Mensch irgendwann sicher in seine Leben…
Es gibt viele Gesichter des Neids und auch für den Beneideten ist Neid nicht immer einfach zu ertragen. Dass man sich den Neid ja hart erarbeitet hat, ist damit häufig nur wenig tröstlich.
Neid hat vor allem viele Gesichter
Neid und die Reitkunst
Antoine de Pluvinel schreibt 1670 an seinen König Louis, XIII:
„Sich im Reiten zu üben, ist eine Sache. Diese Kunst kann man nicht erlernen, ohne sich auf ein Pferd zu setzen und mancherlei Unannehmlichkeit in Kauf zu nehmen, die durch die Unberechenbarkeit des Tieres entstehen, das widersetzlich, aufgeregt oder furchtsam sein kann. Hinzu kommt die eigene Angst vor den möglichen Folgen. Alle diese Schwierigkeiten lassen sich weder überwinden noch vermeiden, außer durch Anwendung von Güte, Wissen, Verstand und solidem Urteilsvermögen. Eure Majestät sehen dadurch sehr klar, warum die Reitkunst für den Geist nützlich ist, denn sie lehrt uns und gewöhnt uns daran, unsere Aufgaben sauber und ordentlich auszuführen.
Noch eine Sache ist sehr wichtig und gerade für die großen Könige sehr notwendig: das ist, dass die Mehrzahl der Menschen ihnen häufig schmeicheln, sogar diejenigen, die sie in den Tugenden unterweisen sollen. Es ist unmöglich, dass jemand, der das geringste Unwohlsein verspürt, zu Pferde etwas so gelingt, wie es sein soll, nämlich mit vollendeter Eleganz“.
Antoine de Pluvinel
Bei Antoine de Pluvinel finden wir viele wertvolle Hinweise. Es ist sicherlich nicht das erste Mal, dass wir uns ins Bewusstsein rufen, von den Pferden so viel mehr zu lernen, als einfach nur zu reiten. Wir lernen so viel mehr über uns selbst.
Wenn wir in der Geschichte zurück blicken, dann finden wir Neid freilich all überall. Neid entsteht aus der Befürchtung selbst zu kurz zu kommen, etwas nicht zu haben, was das Gegenüber, der Gegner und manchmal auch der nächste Verwandte hat. Für den Neid wurden Leben gelassen.
Neid ist der Stoff der Geschichte. Neid ist Gegenwart und Vergangenheit.
Ob es wohl Neid war, der Gustav Steinbrecht zu einer harschen Kritik gegen Francoise Baucher angestachelt hat?
Steinbrecht schreibt jedenfalls über Baucher:
„Herr Baucher glaubte, den Stein der Weisen in dieser Hinsicht (was die Biegung des Pferdehalses anbelangt) gefunden zu haben, und ein großer Teil der Reiterwelt glaubte es mit ihm, da er allerdings den Hals in kurzer Zeit so weich zu machen versteht, dass selbst Pferde mit steifen und verkehrten Hälsen sich scheinbar durchlässig zeigen und im Stillstehen leicht einstellen lassen. Bei näherer Prüfung dieses Wunders aber finden wir, dass er es nur meisterhaft versteht, Pferde dadurch zu unterhzäumen, als hinter den Zügel zu bringen, dass er ihnen die Schubkraft raubt….wie Cato jede seiner Reden mit der Mahnung schloss, Karthago zu zerstören, so möchte ich am Schluss eines jeden Kapitels vor dem Baucher´sche System warnen.“
Gustav Steinbrecht, Das Gymnasium des Pferdes, 1885
War Steinbrecht neidisch? Ging es ihm darum, Recht zu haben und daher Glanz und Gloria in der Reiterwelt zu erreichen?
Vielleicht hätte sich auch Steinbrecht einen Rat von Pluvinel zu Herzen nehmen können:
„Wenn zufälligerweise einige Nichtskönner, die mir bei der Arbeit zugesehen hatten, dachten, sie könnten das Gleiche machen und bei diesem Versuch ihre Pferde verdorben oder nicht ihr Ziel erreicht haben, bedaure ich das und rate ihnen, besser damit aufzuhören statt zu kritisieren, was sie nicht verstehen.
Doch mache ich mir darüber überhaupt keine Sorgen, Sire, bin ich doch nur bestrebt, Ihre Majestät zufrieden zu stellen, wie auch diejenigen, die ich ehre und denen mein Respekt gehört, meine persönlichen Freunde und alle, die ernsthaft bemüht sind, etwas zu lernen. Die anderen lasse ich gerne nach ihrem Geschmack arbeiten und will niemanden schlecht machen, weil dies nicht meine Art ist. Es genügt völlig, das Richtige vom Falschen unterscheiden zu können und den besten Wg zu kennen, um an mein Ziel zu gelangen.“
Antoine de Pluvinel
Neid ist nicht gleich Neid
Betrachten wir die unterschiedlichen Gesichter des Neids:
Jutta und der Neid
Jutta und Merle sind Freunde von Kindesbeinen an. Sie waren gemeinsam in der Kinderreitschule und ritten für ihr Leben gerne durch den Wald. Ernsthafte Ambitionen? Nein. Zumindest nicht fürs Turnier. Freizeitreiter zu sein, bedeutet jedoch nicht, sämtliche Ambitionen links liegen zu lassen. Beide möchten für sich und ihre Pferde – mittlerweile sind sie junge Erwachsene lernen und wachsen. Es geht um die Gesunderhaltung des Pferdes, es geht nicht um Schleifen und Pokale. Man könnte meinen, es geht um nichts. Jutta entwickelt sich stetig weiter, sie macht große Fortschritte und ihre Stute piaffiert scheinbar mühelos und mit unsichtbarer Hilfengebung am leichten Zügel. Das möchte Merle auch. Sie ist angespornt. Sie liest. Unter anderem auch Steinbrecht. Lernt und büffelt. Übt und nimmt fleissig Stunden. Und siehe da. Die beiden Freundinnen reiten beim nächsten Weihnachtsfest des Stalls elegant um die Wette. By the way – sie sind nicht piaffegeil, aber schöne Momente, die möchte man ja festhalten und immer wieder erleben.
Ob ich das kenne?
Ja natürlich?
Als ich meine Freundin Eva nach vielen Jahren wieder traf und ihren Anton leicht und unbeschwert piaffieren sah, da wollte ich das auch. Ich habe Eva allerdings nie um ihren Anton beneidet. Ich war auf den ersten Kursen in der Akademischen Reitkunst nieder geschlagen, weil ich mich unfähig fühlte, die Dinge umzusetzen. Manchmal dachte ich, das lernst du nie. Und rückblickend habe ich mich oft verirrt und bin in so einige Sackgassen gelaufen. Heute weiß ich, es gibt noch so viel mehr zu lernen, als ich es damals erahnt hätte. Aber das deprimiert mich nicht, im Gegenteil, das spornt mich an.
Eva hat mir bei meinen ersten Schritten in der Akademischen Reitkunst begleitet und heute ist es umgekehrt. Was häufig auch für Staunen sorgt, wenn so ein „Rollentausch“ vollführt wird.
Erst neulich wurde ich bei einem Kurs in der Schweiz darauf angesprochen. Viele Schüler aus meinen Online Kursen waren aktiv mit dabei und kennen Eva aus den Videobeispielen.
Gunilla und der Neid
Was hat sie, was ich nicht habe? Gunilla und Franziska sind selbstständig. Beide sind im Pferdebereich tätig, man fährt oft gemeinsame Standorte zu den Kunden an. Gunilla hat vielleicht 10 Kunden, Franziska 100. Irgendwann reicht es Gunilla und sie versucht, Franziska ständig ein Bein zu stellen. Kunden werden angesprochen und Franziskas Arbeit wird schlecht gemacht. Nach einem offenen Gespräch werden Abmachungen zwischen den beiden getroffen, die Gunilla jedoch nicht einhält. Destruktiver Neid gilt als ethisch und moralisch verwerflich und kann bis zur Sabotage und übler Nachrede führen.
Ja. Auch dieser Neid ist mir nicht fremd als Beneidete.
Neid und die Reiterei
Die Profis an der Bande. Ein Begriff, den ich mir jetzt aus dem Internet geklaut habe. Bin nicht neidisch – der Begriff ist super und auch sehr treffend. Kompliment an den Verfasser. Warum wir Reiter immer wieder mit Neid konfrontiert sind?
Einfach gesagt – bei Neid hat der Neider einfach immer das Gefühl, dass ihm etwas fehlt. Man vergleicht sich ständig mit anderen. Das kenne ich auch. Als meine Kollegen rund um die Akademische Reitkunst lauter Bilder von Schulparaden gepostet haben, habe ich mich auch schlecht gefühlt, schließlich konnte ich meinen Stuten einfach nicht erklären, wie sich die Parade anfühlen sollte. Aber die Flinte schmeiße ich nicht ins Korn. Ich habe halt so lange geübt, wie es gedauert hat.
Ja, und es hat vier Jahre gedauert, bis ich Pina und Tabby das alles erklären konnte. Dafür hatte ich aber auch ganz viele „Was, mache ich, wenn..“ Situationen erlebt und konnte meinen Schülerpferden sowie meinen Jungs, die später mein Team bereichert haben noch so viel erklären. Pina und Tabby waren meine besten Lehrmeister. Manchmal war ich neidisch auf die prächtigen Pferde, die ich auf meinen Unterrichtstouren traf.
Da erschien alles so viel leichter und einfacher. Ich habe mich aber entschlossen, anders zu denken.
Ich habe das gesehen, was meine Stuten gut konnten und nicht das, was sie noch nicht konnten.
Auch heute bemühe ich mich, mich stets auf die guten Eigenschaften zu konzentrieren.
Neid und die Stallgemeinschaft
Neid kann eine Stallgemeinschaft ganz schön in stürmische Fahrwasser bringen. Neid kann Freundschaften auf eine sehr harte Probe stellen. Für den Beneideten gilt: Möchte ich mich einer Energie aussetzen, die mir nicht gut tut?
Und für den Neider kann es hilfreich sein, sich den Neid einzugestehen, das Gefühl zu hinterfragen, genau hinzuschauen und sich eben auf die eigenen Stärken zu konzentrieren. Konstruktiver Neid ist okay. Es führt nur zu nichts, wenn man sich selbst als Opfer sieht und die Welt gegen sich verschworen sieht.
Und wenn man aufsteht und gegen eine Ungerechtigkeit angeht, dann wird es auch nicht immer Menschen geben, die einem begeistert zujubeln.
Vermutlich muss man das akzeptieren, oder man hält sich an die Ratschläge der Alten Meister:
Bemerken Sie auch die Fröhlichkeit in seinem Gesicht, denn es gehört sich unbedingt für einen Reiter, ab und zu mit einem Lächeln auf dem Gesicht in die Runde zu blicken.
Antoine de Pluvinel
Es gibt wenige Reiter, die keine Liebe zu Pferden haben. Der Grund dürfte in der Dankbarkeit gegenüber den Pferden liegen, wie wir sie einem Lebewesen schuldig sind, das uns so reichlich beschenkt. Wer anders fühlt, wird für seine Gleichgültigkeit durch unangenehme Erlebnisse bestraft und nicht finden, was er sich von den Pferden erhofft.
François Robichon de la Guérinière
Fazit: Es ist okay, auch mal neidisch zu sein, wenn man selbst gerade auf der Stelle tritt und nichts geht weiter. Und wer sich nicht von negativen Gefühlen leiten lassen möchte:
Gegen den Neid zum Weiterlesen und Hören
- Buchtipp: Halt den Mund, hör auf zu heulen und lebe endlich
- Buchtipp und spannender Ratgeber, wie wir Menschen so ticken
Letzte Kommentare