Irgendwann bin ich auf Facebook über ein Video gestolpert, das mich schwer beeindruckt hat. Da wurde quasi ein Fisch „geklickert“. Der kluge Fisch musste verschiedene Gegenstände bzw, Symbole wieder erkennen. Die Art und Weise, wie das Tier die Herausforderung gemeistert hat, hat mich sehr schwer beeindruckt.
Die Reise in die Vergangenheit
Ich hatte großes Glück Tür an Tür quasi neben einem Trakehnergestüt aufzuwachsen. Die Pferde waren von klein auf an Menschen gewöhnt, sehr zugänglich, freundlich und neugierig. Keines der Tiere hatte negative Erfahrungen gemacht, sie waren sehr easy zu handeln. Im Teenageralter durften meine Freundin Kati und ich dann auch die jungen Pferde reiten. Gleicht das erste Aufsteigen auf ein Jungtier heute scheinbar einem Staatsakt, war die Sache damals so unspektakulär, dass wir uns auch überhaupt nicht groß Gedanken darüber machten, was es denn eigentlich heißt innerhalb kürzester Zeit mit einem so lieben und gutmütigen Pferd Schritt, Trab und etwas Galopp – freilich auf noch nicht vollendet rund gebogener Linie – zu reiten.
Wir hatten unseren Spaß, Leckerli gab es damals als exotische Besonderheit zu Weihnachten, vielleicht manchmal ein Stück Karotte. So viel zum Thema Lob, wobei ich hier die emotionale Komponente nicht unerwähnt lassen möchte.Selbstverständlich wurde nämlich vieles positiv bestätigt. Waren die Pferde brav, dann wurden sie ausgiebig gekrault, gestreichelt und mit sanften Worten in ihrem Verhalten bestärkt. Irgendwie war alles ganz locker und ich habe in dieser Zeit den Pferden auch irrsinnig viel zu sagen gehabt.
Später als ich diesen – für mich schon sehr behüteten und geschützten Rahmen – verlassen habe, hatten die Pferde auch viele Botschaften für mich. Allerdings habe ich diese nicht mehr so wahrgenommen. Mein Gehör war verstopft von Ambitionen, von Konzentration und Nebengeräuschen, wie einem Studium, Freundschaften, erste berufliche Erfahrungen.
Positiv und negativ – lässt sich das alles in einen Topf werfen?
Ich habe lange gebraucht, um mit Pferden wieder das für mich bekannte Gefühl aus der Kindheit zu entwickeln. Kaum hatte ich meine geschützte Blase verlassen, war in eine andere Stadt gezogen, verstärkte sich bei mir das Gefühl in einer gänzlich anderen Welt der Pferde zu sein. Ich las viel, ich besuchte diverse Veranstaltungen und wunderte mich über Methoden, die man plötzlich benötigte, um Pferde zu erziehen. Ich möchte nichts aus diesen Jahren als gut oder schlecht bewerten – es war mir nur einfach sehr fremd und ich konnte auch irgendwie nicht damit warm werden. Mir fehlte meine Mitte.
Ich lernte zwei so unterschiedliche Seiten kennen. Auf der einen Seite hörte ich: „Endlich haben wir das Pferd geknackt“; man hatte oft den Eindruck, Pferde würden nur 23 Stunden darauf warten, ihrem Menschen eine Stunde lang am Tag das Leben zur Hölle zu machen. Jegliches Nicht-Funktionieren hätte eine klare Absicht. Auf der anderen Seite lernte ich später einen überdeutlich positiven Zugang zum Pferd. Alles, was vom Pferd kommt ist zu loben. Und stehen 500 Kilo auf meinem Fuß, dann war es meine Schuld.
Das ist jetzt eine deutliche Abkürzung meiner Eindrücke, mir geht es auch nicht um eine Bewertung. Ich beobachte aber, dass wir uns selbst in unserer eigenen Mitte so schlecht finden.
Die Mitte finden?
Erinnern wir uns an meine Geschichte aus meiner Kindheit und Jugendzeit. Wo wir an manchen Tagen den Pferden beim Heufressen stundenlang zuhören konnten. Wo stundenlanges Schmusen mit den Fohlen an der Tagesordnung stand. Ja und es war eine Zeit ohne Social Media, es gab in meiner Kindheit auch noch keine Mobiltelefone. Wenn ich mir ansehe, wie mein junger Lipizzaner auf der Alm nahe Piber aufwachsen durfte, so natürlich, so geerdet, so frei, dann bin ich auch froh, dass ich selbst ähnliche Erfahrungen machen konnte. Vom Barfusslaufen durch den Wald, Schwarzbeeren sammeln im Sommer und dem ewigen Konzert der Grillen bei uns draußen. Vielleicht ist es genau diese Erdung, die heute so fehlt, wenn alles in Extreme abdriftet.
Ich habe Menschen erlebt, die die Beschwichtigungssignale ihrer Pferde nicht deuten konnten und deswegen weiter Druck gemacht haben. Ich habe aber auch Menschen erlebt, die trotz durchaus positiver Haltung und ohne Hintergedanken gar nicht gemerkt haben, dass zu viel Futterlob ihre Pferde ebenso unter Druck oder Zugzwang gebracht hat. Ich bin mit Menschen groß geworden, die niemals etwas über Beschwichtigungssignale erzählten, oder auch nicht mit Futter gelobt haben. Weil sie beides nicht mussten. Weil sie einfach mit dem Pferd waren.
Nochmal: Wer hier ein Plädoyer gegen Horsemanship oder positive Verstärkung herauslesen möchte, liegt falsch.
Wenn ich jedoch zunehmend feststelle, dass uns die Signalerkennung in punkto Kommunikation fehlt, dass wir nicht im Hier und Jetzt sein können, dann lautet die Frage nicht, wovon gibt es Zuviel, sondern wovon haben wir Zuwenig.
Zuviel und Zuwenig?
Ich denke, dass wir in unserer schnelllebigen Zeit auch viel zu viel auf uns einprasseln lassen. Wir hören nicht mehr genau hin. Unser Bauch würde uns nämlich schon verraten, was Zuviel und was Zuwenig ist. Wir würden uns auch wieder trauen mit unserem Körper zu sprechen. Ein Grund, warum ich so gerne auch auf Schauspielübungen für Reiter zurückgreife, weil diese uns auch ein wenig mehr in unseren Körper bringen, Bewusstsein schaffen und Achtsamkeit fördern.
Wir müssten dann auch nicht so stark und vehement über die vielen Pros und Contras streiten, die uns in der Reiterwelt scheinbar trennen. Finden wir unsere Mitte, dann sind wir vermutlich auch für die Pferde erträglicher – und das in vielerlei Hinsicht.
Mehr zu den Schauspielübungen für Reiter gibt es im nächsten Blog….seid gespannt!
So ein schöner Text Anna!!!