Ach, wir haben es in der Hand – oder eben auch nicht – wir Reiter. 

Manchmal steht und fällt die Reitkunst mit der Reiterhand – hier gab es auch scharfe Worte von Gustav Steinbrecht, der es nicht einsehen wollte, dass ein Reiter als „gut“ bezeichnet wurde, aber halt leider eine schlechte Hand habe…die Hand bzw. deren Qualität war ein großes Gütezeichen, nicht nur für Steinbrecht, sondern für alle Alten Meister der Reitkunst. 

Welche Funktionen hat die Hand überhaupt? 

  • Verhaltende Wirkung
  • Temporegulierende Wirkung
  • Richtung gebende Wirkung 
  • Balance gebende Wirkung 
  • Versammelnde Wirkung 

Ist die Hand ein Solist? Nein, die Hand darf streng genommen zu Beginn der Ausbildung mehr soufflieren, das Ziel der meisten Reiter ist jedoch möglichst handunabhängig mit dem Pferd gemeinsam Tanz und Bewegung zu erkunden. 

Der Kopf hat keine Beine

Hündersdorf sagte hierzu:

„Es kann einer den Pinsel, den Bogen, die Feder gut zu halten wissen, ohne deswegen malen, spielen oder schreiben zu können. Das beweist, dass derjenige, der die Hand nach den bekannten Regeln hinzustellen weiß, deswegen noch kein guter Reiter ist. Die Art wie sie auf die Zügel wirkt, bestimmt erst den Grad der Geschicklichkeit. Die drei Eigenschaften, die eine gute Hand haben soll, nämlich dass sie leicht, sanft und standhaft sein soll, sie sind ohne einen vollkommen guten Sitz nicht zu erlangen. Von ihm alleine erhält die Hand ihre wirkende Kraft. Diesem Grundsatz zu folgen muss der Druck in den die Zügel, wenn nämlich der Reiter sein Pferd ordentlich zu arbeiten anfängt, nicht gegen den Kopf allein, sondern gegen das ganze Pferd geschehen. Der Kopf ist nur ein kleiner Teil des Pferdes und macht das Übergewicht nicht aus, ob man zwar an demselben die erste Arbeit anfängt. Es ist der ganze Körper, der bei dem rohen Gang vorwärts geschoben wird, und folglich nach und nach zurückgearbeitet werden mus. Der kopf kann sich mit dem ersten Genicke in die Höhe biegen, ohne dass der übrige Teil des Pferdes seine Lage mehr verändert, als dass er nur gezwungener wird.“

Hünersdorf bringt hier das größte Problem der Reiterei auf den Punkt: Nur zu gerne möchten wir Reiter das Pferd mit den Zügeln formen. Aber ist Warten alleine der Schlüssel zum Erfolg? 

Welche Funktionen haben der innere und der äußere Zügel? 

Die Funktionen des inneren und äußeren Zügels

Von Oyenhausen fasst die Funktionen des inneren und äußeren Zügels zusammen: 

Der innere Zügel:

  • Stellt das Pferd auff die Hand, wo es geritten wird und bemüht sich, es in dieser Stellung zu erhalten
  • Er deutet die Wendung an
  • Er macht den Hals und die innere Seite des Pferdes recht biegsam 
  • Er soll mitwirken, um das starke Eindringen der Kruppe in die Volte zu beseitigen

Der äußere Zügel

  • Ist für die Emporrichtung des Kopfes und des Halses zuständig
  • Durch seine Gegenwirkung wird der Grad der Biegung bestimmt, welches der Hals. Bei der Wirkung des inneren Zügels annehmen soll
  • Er soll falschen, fehlerhaften Verbiegungen des Halses entgegen arbeiten, sie berichtigen und beseitigen. 
  • Er soll das Maß der Wendung bestimmen und mitwirken, den äußeren Hinterfuß am Ausfallen zu hindern. 

Schauen wir uns diesen Befund kritisch an: 

Grundsätzlich sorgt der innere Zügel für Stellung. Aber eben nicht alleine – wir könnten an dieser Stelle hinzufügen, dass wir dem Pferd zwar vom Boden aus am Kappzaum die Stellung durch eine direkte Handeinwirkung zeigen, jedoch dann in der Grundausbildung so fortfahren, dass der formgebende Schenkel die Aufrechterhaltung von Stellung und Biegung übernimmt. Die Handeinwirkung des inneren Zügels wird zur Nebensache, auch wenn wir zu Beginn noch eine sehr direkte Einflussnahme brauchen. Je besser das Pferd jedoch vom Boden auf die Schenkelhilfen vorbereitet ist, umso leichter wird es diese auch vom Sattel aus verstehen. 

Der innere Zügel kommt am besten stellungsgebend dann vorsichtig zum Einsatz, wenn sich das innere Vorderbein des Pferdes hebt. Dann ist der beste Moment, um das Pferd an die Stellung zu erinnern, weil im Einklang mit der Schwingung der Wirbelsäule das Pferd mit dem Kopf ohnehin ein wenig nach innen schwingt. 

Deutet Wendungen an: 

In der Bodenarbeit bereiten wir unser Pferd durch unsere Körpersprache und Gewichtsverlagerung auf die Wendungen vor, dies setzen wir bei der Ausbildung vom Sattel aus fort. Wenn ich eine junge Remonte erstmalig reite und einen Handwechsel einleite, dann kann ich die innere Hand etwas vom Pferdehals nehmen. Niemals, um den Hals nach innen zu ziehen oder die Richtung einzuleiten, sondern primär, um dem Pferd eine „Türe“ in die gewünschte Richtung aufzumachen. Viel lieber begleite ich beim jungen Pferd eine Wendung vom äußeren Zügel, unterstützt durch die Gerte an der äußeren Schulter, die das Pferd bereits auch aus der Bodenarbeit kennt, wenn es in eine Wendung begleitet wird. 

Der innere Zügel und die Biegsamkeit des Halses

Eine schwierige Liaison. Der Hals ist schließlich der biegsamste Teil der Wirbelsäule (auch der Schweif natürlich) und das noch in Kombination mit der äußerst „fleissigen“ Hand. Es ist verführerisch durch die Zügelhilfen Formgebung zu beeinflussen, vor allem da wir durch die Hand ein schnelleres Ergebnis am Hals erzielen, als durch den Schenkel und Sitz in der so genannten Rippenbiegung. Effekte, die sich „größer“ anfühlen sorgen gerade am Beginn der Ausbildung für ein eindeutiges Ergebnis, allerdings sollten wir uns davon nicht blenden lassen. Wird das Pferd im Hals überbogen, dann kann dies dazu führen, die gewünschte Rippenbiegung eben aufzuheben, anstelle im Brustkorb innen etwas mehr abwärts zu rotieren, kommt das Pferd jetzt mit dem inneren Brustkorb nach oben und wird schief. Die äußeren Gliedmaßen werden vermehrt belastet. Eine Mehrbelastung verursacht zweifelsohne auch mehr Schiefe. Gerade weil wir in unserem Alltag sehr handlastig sind, sollten wir uns eher in Passivität und indirekter Zügelführung (= Ausrichtung der Schultern auf die Bewegungslinie) beschäftigen, als mit einem zu starken aktiven inneren Zügel. Da wir auch auf beiden Seiten trainieren, sprich einmal links, einmal rechts herum reiten und immer eine Zügelhand die innere sein wird, ist es auch sehr spannend unsere eigene Händigkeit zu analysieren. Nicht immer ist etwa bei Rechtshändern die rechte Hand die dominantere. Es kann durchaus sein, dass die linke Hand bei Rechtshändern vermehrt zum Einsatz kommt, weil wir links weniger Gefühl mitbringen. Die gleichmässige Nutzung der Reiterhand lässt sich einerseits durch die einhändige Zügelführung egalisieren, ein guter Reiter sollte jedoch beides können – die einhändige Zügelführung gibt nur ganz prima Aufschluss darüber, wie wenig der Reiter eigentlich mit der Hand „tun“ muss. Das Pferd sucht wie von Zauberhand zur nachgiebigen Hand – ganz oft im Leben lautet die Zauberformel einfach: Abwarten und Tee trinken (bei einhändiger Zügelführung sogar mit freier rechter Hand möglich). 

Wir sollten aber natürlich beides können – einhändig und beidhändig führen – daher ist auch ein Schiefen Training für uns selbst ratsam – Handlungen aus dem Alltag könnten dann beim Rechtshänder öfter mit der linken Hand ausgeführt werden. 

Der innere Zügel als indirekter Zügel kann die Kruppe ganz leicht auch etwas mehr einwärts drücken – wenn die Schulter innen zu stark verwahrt wird bzw. die Schulter nach außen geführt, die Kruppe dann im Gegenzug einwärts kommt. Hier sollten wir also aufpassen, dass wir nicht das Gegenteil erzeugen. 

Der äußere Zügel und die Aufrichtung

Der äußere Zügel richtet nicht per se auf. Im Gegenteil, wenn wir beispielsweise parieren, wenn sich das äußere Vorderbein im Galopp hebt, kann es leicht dazu führen, dass wir die äußere Schulter vermehrt belasten. Wäre Aufrichtung einfach auf eine Parade am äußeren Zügel zurück zu führen – wie leicht wäre das Leben. Ein „Handgriff“ würde quasi reichen. Jedoch – als ich beispielsweise mit Konrad die Versammlung vom Sattel aus verbesserte kam auch die Bedeutung des äußeren Zügels in der Versammlung vermehrt ins Spiel. Der äußere Zügel richtet gerade. Ein kräftiger Kraftabdruck in der Versammlung muss sich – ganz egal ob wir gebisslos oder mit Gebiss reiten – das Bild passt gut – bis hin zu beiden Maulwinkeln des Pferdes fortpflanzen. Diese Energie von hinten nach vorne muss möglichst geradlinig ankommen, die Tunnelkette der Energie darf nicht durch zu starke Biegungen oder Kurven verstopft sein. Der äußere Zügel kann hier dabei helfen, die Geraderichtung zu überwachen und übermässiges Biegen bei der Versammlung zu verhindern. 

Somit sind auch die nächsten Punkte gut zusammengefasst: der äußere Zügel wirkt auf die äußere Vordergliedmaße, auf den Hals außen ein – er verhindert ein starkes Überbiegen, er sorgt daher auch dafür, dass bei übermässiger Biegung ein Hinterbein ausfällt – im übertragenen Sinn – würde das Pferd zu stark nach links biegen und der äußere Hinterfuß nach rechts ausfallen wird dies schon durch das Minimieren an Biegung verhindert. Er kann aber auch den äußeren Hinterfuß erst recht zum Ausfallen bringen, wenn er mittels Paraden zu stark auf die Standbeinphase des äußeren Hinterfußes einwirkt. 

Aber er kann auch stabilisieren, wenn das Momentum der Einwirkung nicht übertrieben wird. Im Schulterherein etwa kann der äußere Zügel mit einer vorsichtigen leichten Parade den äußeren Hinterfuß „am Platz“ dazu auffordern, etwas mehr Last aufzunehmen. Diese Mitteilung erklärt dem Pferd auch nicht mit dem gesamten Körper einwärts zu fallen, gerade im Schulterherein klappen häufig die ersten Meter ganz gut, wenn wir dann weiter reiten fällt das Pferd zunehmend nach innen in die Bahn herein. Dies kann der äußere Zügel verhindern, allerdings darf er nur so eingesetzt werden, dass er den Hals des Pferdes nicht verkürzt und die Stellung im Schulterherein kontra(produktiv) beeinflusst. 

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